Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage an das BVerfG: Verfassungsmäßigkeit der Ertragsanteilsbesteuerung bei Gegenleistungs-Leibrenten; Berücksichtigung des Sparer-Freibetrags?
Leitsatz (amtlich)
Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob die Besteuerung der Ertragsanteile (Erträge des Rentenrechts; § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG) von Bezügen aus Leibrenten, die Gegenleistung für den Erwerb eines Wirtschaftsguts des Privatvermögens sind, mit ihrem vollen Nennbetrag ―ohne Berücksichtigung eines Sparer-Freibetrags― ungeachtet dessen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist, dass es sich um pauschalierte Einkünfte aus Kapitalvermögen handelt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 S. 1; BVerfGG § 80 Abs. 2 S. 1; EStG § 20 Abs. 4, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
A. Gegenstand der Vorlage (Sachverhalt, Entscheidung des Finanzgerichts und Vortrag der Beteiligten)
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind seit dem Jahre 1992 miteinander verheiratet und wurden in den Streitjahren 1997 und 1998 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Mit Vertrag vom 2. April 1990 hatte der Kläger sein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück der Klägerin übertragen. Als Gegenleistung verpflichtete sich diese zur Zahlung einer lebenslänglichen wertgesicherten Rente an den Kläger in Höhe von 4 000 DM monatlich. Seither bewohnen die Kläger das Einfamilienhaus gemeinsam. In einem als Arbeitszimmer eingerichteten Raum des Hauses übt die Klägerin ihre freiberufliche Tätigkeit aus.
Die Kläger erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus Kapitalvermögen in der folgenden Höhe (jeweils vor Abzug des Sparer-Freibetrags nach § 20 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―):
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1997 |
1998 |
Kläger |
7 290 DM |
6 837 DM |
Klägerin |
733 DM |
3 170 DM |
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) besteuerte den Ertragsanteil der Rente (28 v.H. von 48.000 DM = 13 440 DM), insoweit der Einkommensteuererklärung folgend, als Einkünfte des Klägers gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG. Der Barwert der Rente wurde antragsgemäß als Anschaffungskosten des Hauses behandelt. Aus diesen Anschaffungskosten, die auf den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Teil des Gebäudes entfallen, wurde letztmalig für 1997 die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG gewährt. Der Ertragsanteil der Leibrente führte insoweit zu Betriebsausgaben der Klägerin, als er anteilig (nach dem Verhältnis der Wohnflächen) auf das Arbeitszimmer entfiel (21 v.H. von 13 440 DM = 2 822 DM). Der Antrag der Kläger, den darüber hinausgehenden Teil des Ertragsanteils (79 v.H. von 13 440 DM = 10 617 DM) als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abzuziehen, lehnte das FA in den Einkommensteuerbescheiden für 1997 und 1998 unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 25. November 1992 X R 91/89 (BFHE 170, 82, BStBl II 1996, 666) und das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 23. Dezember 1996 (BStBl I 1996, 1508 Tz. 46) ab. Die hiergegen eingelegten Einsprüche, mit denen die Kläger insbesondere vortrugen, dies widerspreche dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut, hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat den Klagen stattgegeben. Sein Urteil zum Streitjahr 1997 ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 626.
Mit den Revisionen rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.
Sie tragen ―wie bereits in den Einspruchs- und Klageverfahren― vor: § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG sehe ausdrücklich und uneingeschränkt den Sonderausgabenabzug des Ertragsanteils von Leibrenten vor. Die Umdeutung des Ertragsanteils in einen Zinsanteil entbehre jeder Grundlage. In Bezug auf Leibrenten habe sich die Rechtslage nach Streichung des privaten Schuldzinsenabzugs nicht geändert. Eine Gesetzeskorrektur, wie sie der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil in BFHE 170, 82, BStBl II 1996, 666 vorgenommen habe, sei ausschließlich dem Gesetzgeber vorbehalten. Im Übrigen enthalte der Ertragsanteil nicht nur ein Zinselement, sondern auch die "versicherungsmathematischen Auswirkungen des Lebenserwartungsverlaufs". Wenn man den Ertragsanteil als Zinsanteil behandle, müsse man die gebotenen Folgerungen auf der Seite des Empfängers in der Weise ziehen, dass der bislang nicht ausgenutzte Teil des Sparer-Freibetrags die Steuerpflicht zum Teil entfallen lasse.
Entscheidungsgründe
B. Entscheidungsgründe
Der Senat hat die Revisionen gemäß § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verbunden und nach mündlicher Verhandlung beschlossen, die Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen.
Die Vorlage an das BVerfG ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) geboten, weil der Senat die durch § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG getroffene Regelung insoweit für verfassungswidrig hält, als die Ertragsanteile aus privaten Gegenleistungs-Leibrenten, obwohl diese materiell-rechtlich ―pauschalierte― Einkünfte aus Kapitalvermögen sind, mit ihrem vollen Nennbetrag ohne Anwendung eines Sparer-Freibetrags (§ 20 Abs. 4 EStG) der Einkommensteuer unterliegen.
I. Im Streitfall sind die folgenden Normen des Einkommensteuerrechts einschlägig:
1. Steuerbar sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG "sonstige Einkünfte" aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören. Zu diesen sonstigen Einkünften gehören nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG Leibrenten insoweit, als in den einzelnen Bezügen Einkünfte aus Erträgen des Rentenrechts enthalten sind. Als Ertrag des Rentenrechts gilt für die gesamte Dauer des Rentenbezugs der Unterschied zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem Betrag, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kapitalwerts der Rente auf ihre voraussichtliche Laufzeit ergibt; der Kapitalwert ist nach dieser Laufzeit zu berechnen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 2 EStG). Der "Ertrag des Rentenrechts (Ertragsanteil)" ist der Ertragsanteilstabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 3 EStG zu entnehmen.
2. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Leibrenten können ―nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG― nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der Ertragsanteilstabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ergibt.
3. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) ist nach Abzug der Werbungskosten der Sparer-Freibetrag in Höhe von 6 000 DM abzuziehen; Ehegatten wird ein gemeinsamer Sparer-Freibetrag von 12 000 DM gewährt (§ 20 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung durch Art. 1 Nr. 4 des Zinsabschlaggesetzes ―ZinsAbschlG― vom 9. November 1992, BGBl I 1992, 1853). Der gemeinsame Sparer-Freibetrag ist bei der Einkunftsermittlung bei jedem Ehegatten je zur Hälfte abzuziehen. Sind die um die Werbungskosten geminderten Kapitalerträge eines Ehegatten niedriger als 6 000 DM, so ist der anteilige Sparer-Freibetrag insoweit, als er die um die Werbungskosten geminderten Kapitalerträge dieses Ehegatten übersteigt, beim anderen Ehegatten abzuziehen (§ 20 Abs. 4 Satz 3 EStG). Dies bedeutet im Ergebnis, dass wenn ein Ehegatte seinen Anteil am Freibetrag mangels ausreichend hoher Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht ausnutzen kann, dieser beim anderen Ehegatten abzuziehen ist.
II. Einfachrechtliche Vorfragen zur Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Belastungs-/Entlastungsentscheidungen des Steuergesetzgebers)
Die Prüfung des eingeschränkten Anwendungsbereichs des § 20 Abs. 4 EStG (Ausschluss der Ertragsanteile von Gegenleistungs-Leibrenten von dieser Begünstigung) am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) setzt die folgende Erörterung zum Recht der wiederkehrenden Bezüge/Leistungen voraus.
1. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen (sog. private Versorgungsrente) und ―im Streitfall einschlägig― Leistungen/Bezügen im Austausch mit einer Gegenleistung (Gegenleistungsrenten). Beide steuerrechtlichen Tatbestände haben jeweils unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen.
a) Gegenleistungsrenten sind über die gesamte Laufzeit hinweg ―ohne Rücksicht auf die Bezeichnung durch die Vertragsparteien und deren Motive― immer dann in einen Zins- und einen Tilgungsanteil zu zerlegen, wenn die einzelnen Zahlungen sich wirtschaftlich als eine Vermögensumschichtung oder Kapitalrückzahlung (als ein "kauf- oder darlehensähnliches Geschäft") darstellen und wenn der Verpflichtete dem Inhaber der Forderung aufgrund der in der langfristigen Streckung der Zahlungen liegenden Kreditierung ein Entgelt für die Überlassung von Kapital zur Nutzung zu entrichten hat.
b) Hauptanwendungsfall der in vollem Umfang abziehbaren dauernden Last ist die private Versorgungsrente (Großer Senat des BFH, Beschlüsse vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, 326 ff., BStBl II 1990, 847; vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78). Durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge unterscheiden sich Versorgungsleistungen von Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 Nr. 1 EStG; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr. 2 EStG (Beschluss in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78). Der Vorbehalt der Erträge stellt sich dar als ein "Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit" (BVerfG-Beschluss vom 17. Dezember 1992 1 BvR 4/87, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1993, 315). Dieser wird in der Weise rechtstechnisch verwirklicht, dass die Aufwendungen beim Übernehmer abziehbar und die entsprechenden Zuflüsse beim Übergeber steuerbar sind (BFH-Urteil vom 25. März 1992 X R 100/91, BFHE 168, 243, BStBl II 1992, 803; Beschluss vom 13. September 2000 X R 147/96, BFHE 193, 121, BStBl II 2001, 175). Sind die wiederkehrenden Leistungen abänderbar, sind sie mit ihrem vollen Betrag beim Verpflichteten abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG) und beim Bezieher steuerbar (§ 22 Nr. 1 EStG). Im Falle der ―definitionsgemäß― gleichbleibenden Leibrenten findet der Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit in Höhe des Ertragsanteils statt. Wegen der Begründung im Einzelnen, insbesondere hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Grundlagen, wird auf den Senatsbeschluss vom 10. November 1999 X R 46/97 (BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188, unter IV.) Bezug genommen.
Dieses "Sonderrecht der Vermögensübergabe" (private Versorgungsrente) ist vorliegend nicht einschlägig.
2. Gegenleistungsrenten sind generell über ihre gesamte Laufzeit hinweg in einen Zins- und Tilgungsanteil zu zerlegen.
a) Nach der Rechtsprechung des BFH enthält jede Kapitalforderung, die über eine längere Zeit als ein Jahr gestundet ist, einen Zinsanteil. Insbesondere Kaufpreisraten, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig werden, werden auch ohne diesbezügliche Vereinbarung in einen Zins- und einen Kapitalanteil zerlegt (ständige Rechtsprechung; BFH-Urteile vom 26. November 1992 X R 187/87, BFHE 170, 98, BStBl II 1993, 298; vom 15. Juli 1998 I R 24/96, BFHE 186, 388, BStBl II 1998, 728; BVerfG-Beschluss vom 7. Juni 1993 2 BvR 335/93, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1993, 542). Hieraus ergibt sich bei Gegenleistungsrenten die durch die zeitliche Streckung des Entgelts bedingte Notwendigkeit, den Kapitalwert der Leistungen und deren Zinsanteil/Zinsanteile zu ermitteln. Da § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG nur den Ertragsanteil von ―definitionsgemäß gleichbleibenden― Leibrenten regelt, ist bei privaten abänderbaren Renten eine ―letztlich nur praktische― Schwierigkeit in dem Erfordernis begründet, die Laufzeit der wiederkehrenden Bezüge zu bestimmen, von der die Höhe des Zinsanteils abhängt. Die Modalitäten der Berechnung des Zinsanteils sind umstritten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 170, 98, 106, BStBl II 1993, 298; vom 18. Oktober 1994 IX R 46/88, BFHE 175, 572, BStBl II 1995, 169). Der Senat hat ―zur Gleichbehandlung im Wesentlichen gleicher Sachverhalte― die biometrischen Durchschnittswerte der Allgemeinen Deutschen Sterbetafel als maßgebend angesehen, die ebenso wie der Rechnungszinsfuß von 5,5 v.H. der Ertragsanteilstabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG zugrunde liegen (Urteil vom 25. November 1992 X R 34/89, BFHE 170, 76, BStBl II 1996, 663).
b) Auch der Ertragsanteil der definitionsgemäß gleichbleibenden Leibrente ist materiell-rechtlich ein pauschalierter Zinsanteil. Mit dem "Ertrag des Rentenrechts (Ertragsanteil)" wird unter Zugrundelegung eines Rechnungszinsfusses von ―derzeit― 5,5 v.H. der gleichmäßig auf die nach biometrischen Durchschnittswerten bemessenen Dauer des Rentenbezugs verteilte Zinsanteil einer Kapitalrückzahlung besteuert (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 2 EStG). Nach Auffassung des Großen Senats des BFH (Beschluss in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78) bezweckt § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG mit der Berücksichtigung (nur) des Ertragswertes die Sonderung des steuerbaren Ertragsanteils (= Zinsanteils) von der nichtsteuerbaren Vermögensumschichtung. Das Tatbestandsmerkmal "Leibrente" ist inhaltlich auf die dargelegte steuerrechtliche Zwecksetzung ―Trennung der Vermögensumschichtung von einem steuerbaren Zinsanteil― zugeschnitten (Großer Senat in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78).
Anlass für die Einführung der Ertragsanteilsbesteuerung durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern (StNOG) vom 16. Dezember 1954 (BGBl I 1954, 373, BStBl I 1954, 575) war die Anregung des BFH (Urteil vom 5. Februar 1953 IV 41/49 U, BFHE 57, 265, BStBl III 1953, 105) an den Gesetzgeber, die Besteuerung der entgeltlich erworbenen privaten Leibrente neu zu regeln. Wegen der Entstehungsgeschichte des Gesetzes im Einzelnen wird auf den Senatsbeschluss vom 25. April 1990 X R 38/86 (BFHE 160, 33, BStBl II 1990, 625, dort unter III. 1.) Bezug genommen.
c) Der Senat folgt nicht der vom FG bestätigten Auffassung der Kläger, "der Ertrag einer Leibrente" bestehe nicht nur aus Zinsen; deswegen sei die Ertragsanteilsbesteuerung im Rahmen des § 22 EStG und nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) geregelt (so aber Jansen in Jansen/Wrede, Renten, Raten, dauernde Lasten, 12. Aufl. 1998, Rdnr. 917 ff.; ders. in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 22 EStG Anm. 292, unter Bezugnahme auf die Begründung des Regierungsentwurfs eines StNOG 1954, BTDrucks II/481, S. 86). Zwar war ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs eines StNOG 1954 erwogen worden, dass sich "der Begriff des Rentenertrags" nicht immer mit "dem Begriff der Zinsen decke"; die Rentenzahlung könne "in vollem Umfang Ertrag des Stammrechts" sein. Der Vorstellung einer Besteuerung des Rentenertrags, so der Regierungsentwurf, würde in systematischer Hinsicht eine Regelung entsprechen, nach der die in den Bezügen enthaltenen Zinsen pro rata temporis und "die nach dem Verzehr des Stammrechts gezahlten Bezüge voll besteuert" würden. Der Entwurf, so heißt es dann aber weiter, strebe eine solche Lösung nicht an; vielmehr solle "der Ertrag des Stammrechts und damit die Steuerlast auf die gesamte Laufzeit der Rente verteilt werden"; der Ertrag des Stammrechts solle "nur, aber auch stets, pro rata temporis verteilt werden".
Der Gesetzesentwurf geht mithin davon aus, dass zeitlich nach dem "Verzehr eines Stammrechts" ―gemeint ist offenbar der auf den Abschluss des Gegenleistungsgeschäfts zu ermittelnde Barwert der Leibrente― und mithin nach der Verrechnung des Stammwerts mit dem Wert der Gegenleistung eigentlich ein mit dem vollen Nennwert der Zahlungen anzusetzender "Ertrag der Leibrente" steuerbar sei. Dies ist jedoch unzutreffend (ebenso Ralf Schmitz, Besteuerung wiederkehrender Bezüge, 1999, S. 118 ff.): Der wirtschaftlich angemessenen Behandlung der Gegenleistungsleibrente, wie sie bei der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich nach einhelliger Auffassung zutreffend praktiziert wird (unten 3. d), entspricht es, die mit fortschreitender Zeit sich verringernden Barwerte der Rente und in Abhängigkeit von diesen den jährlichen Zinsanteil der Leibrente unter Berücksichtigung der auf jeden nachfolgenden Bilanzstichtag jeweils neu zu ermittelnden durchschnittlichen Lebenserwartung der bezugsberechtigten Person zu bemessen. Hierdurch wird deutlich, dass die Leibrente neben dem Vermögensumschichtungs- und dem Zinsanteil keine weiteren steuerlich relevanten Ertragskomponenten enthält. Der Rentenbarwert wird niemals durch Tilgungsanteile "verzehrt", sondern tendiert ―mit abnehmender Lebenserwartung des Bezugsberechtigten― stets gegen Null. Gleiches gilt für private wiederkehrende abänderbare Leistungen, die auf die Lebenszeit einer Bezugsperson gezahlt werden. Grundsätzlich müsste ―finanzmathematisch korrekt― auf diese Weise der Zinsanteil auch einer privaten Leibrente ermittelt werden. Um indes aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität eine jährliche Neuberechnung des Zinsanteils der Steuererhebung zu vermeiden, hat das StNOG 1954 den Tilgungs- und Ertragsanteil der privaten Leibrente gleichmäßig auf deren nach biometrischen Durchschnittswerten bemessenen Laufzeit verteilt. Wenn es die Ertragsanteile den Einkünften aus wiederkehrenden Leistungen (§ 22 Nr. 1 EStG) zugeordnet hat, sind die Gründe hierfür aus heutiger Sicht nicht mehr stichhaltig. Die auch im Interesse der Finanzverwaltung vorgesehene Pauschalierung ändert nichts daran, dass die "Erträge des Rentenrechts" ihrem materiell-rechtlichen Rechtscharakter nach Zinseinkünfte sind, daher systematisch zur 6. Einkunftsart (Einkünfte aus Kapitalvermögen) gehören und demgemäß in § 20 EStG geregelt werden müssten.
3. Der wie vorstehend dargelegt ermittelte Zinsanteil der wiederkehrenden Bezüge/Leistungen ist generell ―beim Bezieher wie beim Verpflichteten― entsprechend seiner materiell-rechtlichen Rechtsnatur zu behandeln.
a) Auf der Bezieherseite ist die Notwendigkeit einer Trennung von Zins- und Tilgungsanteil ―als verfassungskonform eingegrenzte Grundaussage des § 2 Abs. 1 EStG über die steuerbaren Einkünfte― unabhängig davon zu beachten, ob ein Steuerpflichtiger von seiner Lebenszeit abhängige abänderbare oder gleichbleibende wiederkehrende Leistungen bezieht. Die Einkommensteuer erfasst die ―durch Tatbestandsverwirklichung i.S. des § 2 Abs. 1 EStG konkretisierte― Vermögensmehrung, nicht den Vermögensbestand und infolgedessen auch nicht die bloße Vermögensumschichtung (Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 2 Rdnr. A 95). Dieser Systemvorgabe trägt die gesonderte Erfassung des Zinsanteils/Ertragsanteils Rechnung. Auf der Seite des Verpflichteten sind entscheidungsleitend einerseits das objektive Nettoprinzip, das die Abziehbarkeit von erwerbssicherndem Aufwand gebietet, und andererseits ―beim Erwerb eines nicht ertragbringenden Wirtschaftsguts― die Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass private Schuldzinsen nicht die steuerliche Bemessungsgrundlage mindern.
b) Private Zinsanteile abänderbarer wiederkehrender Leistungen sind beim Bezieher als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) steuerbar. Die Zinsen unterliegen im Umfang des Sparer-Freibetrags (§ 20 Abs. 4 EStG) nicht der Einkommensteuer. Handelt es sich um gleichbleibende wiederkehrende Leistungen (= Leibrenten), sind sie in der Form von Ertragsanteilen pauschaliert. Die Pauschalierung als solche ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden: Sie dient der im Steuerrecht als Massenfallrecht gebotenen oder doch zumindest erlaubten Typisierung und Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens (vgl. zur Ertragsanteilsbesteuerung BFH-Urteile vom 16. Dezember 1997 VIII R 38/94, BFHE 185, 199, BStBl II 1998, 339, unter II. d; vom 14. Juni 2000 X R 111/98, BFH/NV 2001, 300, unter II. 2. a; allgemein BVerfG-Beschluss vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, 172, BStBl II 1993, 413). Allerdings bewirkt die systematisch nicht gerechtfertigte Zuweisung zur 7. Einkunftsart (§ 2 Abs. 1 Nr. 7, § 22 f. EStG - "Sonstige Einkünfte"), dass diese Einkünfte nicht mehr in den Anwendungsbereich des Sparer-Freibetrags fallen.
c) Beim Verpflichteten gehören Gegenleistungen in der Form abänderbarer wiederkehrender Leistungen nicht zum Anwendungsbereich der in vollem Umfang steuerbaren und abziehbaren wiederkehrenden Leistungen ("dauernde Last"); insbesondere gibt es hier keine Steuerbarkeit/Abziehbarkeit "nach der äußeren Form der Wiederkehr" (BFH-Urteile vom 17. Dezember 1991 VIII R 80/87, BFHE 167, 344, BStBl II 1993, 15; vom 27. August 1997 X R 54/94, BFHE 184, 337, BStBl II 1997, 813). Die in den einzelnen Leistungen enthaltenen Schuldzinsen sind als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG) oder als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abziehbar, wenn und soweit sie im Zusammenhang mit dem Erwerb eines ertragbringenden Wirtschaftsguts stehen.
Hiervon ausgehend hat der Senat seit seinem Urteil in BFHE 170, 82, BStBl II 1996, 666 in ständiger Rechtsprechung (zuletzt Urteil vom 20. Oktober 1999 X R 86/96, BFHE 190, 365, BStBl II 2000, 602) zu den definitionsgemäß nicht abänderbaren Gegenleistungs-Leibrenten entschieden: Die Verweisung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG auf die Ertragsanteilstabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG bezweckt, den Anteil der dem Grund nach abziehbaren privaten Schuldzinsen pauschalierend zu beziffern. Nach Streichung des privaten Schuldzinsenabzugs durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1973 ist die Grundnorm entfallen, nach der ein in gleichbleibenden wiederkehrenden Leistungen enthaltener Zinsanteil ―aus Gründen einer vereinfachten Handhabung― mit einem für die gesamte Laufzeit der Rente gleichbleibenden Zinsanteil beziffert wurde. Diese gesetzliche Quantifizierung des privaten Schuldzinsenabzugs ist infolge der erwähnten Rechtsänderung gegenstandslos geworden. § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG behält seinen angestammten Regelungsbereich insbesondere für die Besteuerung privater Versorgungsleibrenten, wie vorstehend (unter 1. b) dargelegt für den Vorbehalt von Erträgen in Höhe des Ertragsanteils. Es gibt gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) keinen tragfähigen Grund dafür, die Zinsanteile abänderbarer und nichtabänderbarer wiederkehrender Leistungen steuerrechtlich unterschiedlich zu behandeln.
Der IV. Senat des BFH (Urteil vom 2. März 1995 IV R 62/93, BFHE 177, 113, BStBl II 1995, 413) und das BMF haben sich der Rechtsauffassung des erkennenden Senats angeschlossen (Schreiben in BStBl I 1996, 1508, Tz. 45).
Der Senat hat diese Rechtsauffassung durch zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil vom heutigen Tage (Az. X R 39/98) bestätigt. Der Senat hat dort auch ausgeführt, dass eine Fortentwicklung des Rechts der Gegenleistungs(leib)rente keine schützenswerte Vertrauensposition des hiervon betroffenen Steuerpflichtigen verletzt, weil eine Judikatur, an die der Senat gebunden sein könnte, nicht vorhanden ist.
d) Bei der Ermittlung des Zinsanteils betrieblicher Gegenleistungsrenten wird nicht zwischen abänderbaren und gleichbleibenden Zahlungen unterschieden. Die besondere Zahlungsmodalität erfordert, dass der Kapitalwert der Leistungen und deren Zinsanteil nach den Grundsätzen über den Betriebsvermögensvergleich ermittelt werden müssen. Leibrenten sind, da sie keinen Nennwert haben, gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit dem Barwert zu bewerten; dies ist die auf den Bilanzstichtag abgezinste Summe der künftigen Erfüllungsbeiträge. Die Höhe des Kapitalwerts (Barwert) einer Leibrentenverpflichtung hängt rechnerisch ―bei gegebenen monatlichen Rentenleistungen und bei nach der Lebenserwartung des oder der Rentenberechtigten zu schätzender Laufzeit― vom Zinsfuß ab, mit dem die künftigen Rentenleistungen auf den jeweiligen Bewertungsstichtag (Bilanzstichtag) abgezinst werden. Erwirbt ein Steuerpflichtiger z.B. einen Betrieb gegen eine Leibrente, sind die angeschafften Wirtschaftsgüter mit dem kapitalisierten Barwert der Rentenverpflichtung zu bewerten. Zugleich ist der Barwert der Rentenverpflichtung zu passivieren. Diese Verbindlichkeit ist für jeden Bilanzstichtag erneut anhand des jeweiligen (sich ständig verringernden) Barwerts nach der verbleibenden Lebenserwartung des Veräußerers zu ermitteln. Die jährlichen Barwertminderungen werden als Ertrag behandelt, die Rentenzahlungen als Betriebsausgaben abgezogen. Als materiell-rechtlicher Zinsanteil gewinnwirksam ist die Differenz zwischen den tatsächlichen Rentenzahlungen und der Barwertminderung als dem in den Rentenzahlungen enthaltenen Tilgungsanteil (BFH-Urteile vom 31. Januar 1980 IV R 126/76, BFHE 130, 372, BStBl II 1980, 491; vom 27. Januar 1998 VIII R 64/96, BFHE 186, 12, BStBl II 1998, 537).
III. Beurteilung des Streitfalls am Maßstab des einfachen Rechts
1. Der erkennende Senat beabsichtigt, die Klage insoweit abzuweisen, als die Klägerin den Abzug des Ertragsanteils der von ihr gezahlten Leibrente als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG begehrt. Dies folgt daraus, dass ―wie dargelegt (oben II. 2. c)― dieser Ertragsanteil seinem materiell-rechtlichen Charakter nach ein privater Zinsanteil ist, der ungeachtet seiner Pauschalierung wie andere private Schuldzinsen die steuerliche Bemessungsgrundlage nicht mindern darf.
Andererseits zwingt diese Rechtsnatur des Ertragsanteils folgerichtig zu der Annahme, dass dem Kläger der für Einkünfte aus Kapitalvermögen geltende Sparer-Freibetrag des § 20 Abs. 4 EStG in dem für die "Übertragung" des Freibetrags zwischen Ehegatten maßgebenden Umfang von 3 977 DM im Streitjahr 1997 und 1 993 DM im Streitjahr 1998 (§ 20 Abs. 4 Satz 3 EStG) zustehen würde, wenn dieser nicht bei der Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ausgeschlossen wäre bzw. wenn derartige Erträge entsprechend ihrer Rechtsnatur bei § 20 EStG erfasst würden. Die Verfassungsmäßigkeit einer nicht durch den Sparer-Freibetrag abgemilderten Besteuerung des Ertragsanteils unterstellt, müsste der Senat der Revision des FA auch insoweit stattgeben, als dieses den von der Klägerin bezogenen Ertrag des Rentenrechts (Ertragsanteil) mit dem vollen Nennbetrag der Einkommensteuer unterworfen und nicht ―nach näherer Maßgabe des § 20 Abs. 4 Satz 4 EStG― unter Anwendung eines anteiligen Sparer-Freibetrags versteuert hat.
Dieses Ergebnis ist nach der Überzeugung des Senats nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG; hierzu unten IV.) vereinbar.
2. Eine verfassungskonforme Auslegung (BVerfG-Beschluss vom 26. April 1994 1 BvR 1299/89 und 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, 263, 275 ff.), die den nachfolgenden Erwägungen zum Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung tragen würde, ist in Anbetracht der unmissverständlichen Zuordnung solcher Erträge zu § 22 EStG einerseits und des klaren Wortlauts des § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ("Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen …") anderseits nicht möglich (ebenso Seer, Wiederkehrende Leistungen und Wertverrechnung im Einkommensteuerrecht, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge ―ZEV― 1995, 173, 175; Ralf Schmitz, a.a.O., S. 164 ff., 171 ff.; a.A. ―ohne Begründung― Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 20 Rdnr. 218). Mit dem Sparer-Freibetrag hat der Gesetzgeber eine rechts- und gesellschaftspolitisch umstrittene Grundsatzfrage der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen normiert. Die Frage, ob und in welchem gegenständlichen Umfang infolge der Verwirklichung des Steuertatbestandes (§ 38 der Abgabenordnung ―AO 1977―) entstandene Steuern zu erheben sind, gehört zum "Wesentlichen der Steuer", das dem "Dictum des Gesetzgebers" (vgl. BVerfG-Urteil vom 24. Januar 1962 1 BvR 232/60, BVerfGE 13, 318, 328) vorbehalten ist. Mit einer vom Gesetzestext abweichenden Einkünftezuordnung oder Erstreckung des Sparer-Freibetrags auf die 7. Einkunftsart ("Sonstige Einkünfte") würde der Senat daher in die Entscheidungsprärogative des Parlaments übergreifen.
Die Möglichkeit, dass das BVerfG die den angefochtenen Steuerbescheiden im streitigen Punkt tragende Regelung trotz Verfassungswidrigkeit zeitweise für weiterhin anwendbar hält, ist im vorliegenden Zusammenhang unbeachtlich (BVerfG-Beschluss vom 22. Juni 1995 1 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655, 659, unter B. I.).
IV. Rechtsauffassung des erkennenden Senats zur Verfassungsfrage
Mit dem vorstehend (unter III.) dargelegten Inhalt verstößt die im Gegensatz zu Einkünften aus Kapitalvermögen (6. Einkunftsart) ungemilderte Besteuerung des Ertrags des Rentenrechts (Ertragsanteils) gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
1. Der Senat geht hierbei von den folgenden Grundsätzen aus (s. auch Vorlagebeschlüsse des erkennenden Senats vom 24. Februar 1999 X R 171/96, BFHE 188, 69, BStBl II 1999, 450; vom 10. November 1999 X R 60/95, BFHE 189, 479, BStBl II 2000, 131):
a) Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer ―gegebenenfalls ergänzenden― strengen Bindung an das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit reichen (BVerfG-Beschlüsse vom 7. Oktober 1980 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72, 88 ff.; vom 17. Juli 1995 1 BvR 892/89, BStBl II 1995, 810, unter II.; K. Hesse, Der allgemeine Gleichheitssatz in der neueren Rechtsprechung des BVerfG zur Rechtsetzungsgleichheit, in Festschrift für P. Lerche, 1993, S. 121; Osterloh in Sachs, Grundgesetz, 2. Aufl. 1999, Art. 3 Rdnr. 8 ff., 25 ff.; Birk/Barth in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 4 AO 1977 Rz. 439 ff.). Bei Normen, die Personengruppen unterschiedlich behandeln oder die sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, prüft das BVerfG, ob für eine Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (BVerfG-Urteil vom 17. November 1992 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234, 255). Vorliegend geht es nicht um eine lediglich "verhaltensbezogene Unterscheidung", bei der das Maß der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz davon abhängen kann, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Unterscheidungsmerkmale zu beeinflussen (vgl. hierzu BVerfG-Beschluss vom 8. Juni 1993 1 BvL 20/85, BVerfGE 89, 15, BStBl II 1994, 59, unter B. I., m.w.N.). Dem Gesetzgeber sind umso engere Grenzen gesetzt, "je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann" (BVerfG-Beschluss vom 14. Dezember 1994 1 BvR 720/90, BVerfGE 91, 346, 363). Geschützte Freiheitsrechte können insbesondere auch durch Normen des Steuerrechts beeinträchtigt werden (Osterloh in Sachs, a.a.O., Art. 3 Rdnr. 93, 150).
b) Die Frage, ob und in welchem Ausmaß der Gleichheitssatz bei der Ordnung von Sachfragen Differenzierungen erlaubt, ist wesentlich nach der Eigenart des jeweiligen Sachbereichs ―"bereichsspezifisch"― zu beurteilen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 121, 134, BStBl II 1995, 655 - Vermögensteuer; Osterloh, a.a.O., Art. 3 Rdnr. 37). Aus Art. 3 GG folgt für das Steuerrecht, dass jeder Steuerpflichtige nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen wird. Dabei hat der Steuergesetzgeber Belastungsgleichheit herzustellen. Bezugspunkt der Gleichheitsprüfung ist die Fähigkeit, Steuern zu zahlen.
c) Der erkennende Senat sieht in dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Einkunftsarten eine bereichsspezifische Ausprägung des verfassungsrechtlichen Gebots der Folgerichtigkeit. Zwar hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Nach Regelung dieses Ausgangstatbestandes ―hier: mittels "Findung" der sieben Einkunftsarten― hat der Gesetzgeber aber "die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne einer Belastungsgleichheit umzusetzen" (BVerfG-Entscheidungen vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, Finanz-Rundschau ―FR― 1998, 1028, unter B. I. 2.; vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C. I. 1. c; vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671; in BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655, unter C. II. 1. d; vom 11. November 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, HFR 1999, 292, unter C. I. 1. sowie vom 29. Oktober 1999 2 BvR 1264/90, Umsatzsteuer-Rundschau ―UR― 1999, 494, 496, unter B. I. 2., und vom 10. November 1999 2 BvR 2861/93, UR 1999, 498, 499 f., unter B. I. 2.; Vorlagebeschlüsse des erkennenden Senats in BFHE 188, 69, BStBl II 1999, 450, unter B. III. 2., und in BFHE 189, 479, BStBl II 2000, 131, unter B. III. 2.; zu System- und Sachgerechtigkeit sowie Folgerichtigkeit Osterloh, a.a.O., Art. 3 Rdnr. 98 ff., 142). Eine unterschiedliche steuerliche Belastung bei gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, auf welche der "zählbar gemachte Belastungsgrund" abzielt, durchbricht eine vom Gesetz selbst statuierte Sachgesetzlichkeit. Aus dem Gebot der Folgerichtigkeit ergibt sich, dass für Abweichungen erhöhte Begründungsanforderungen gelten (vgl. Osterloh, a.a.O., Art. 3 Rdnr. 98 ff.; Klaus Vogel, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft ―DStJG― 12 (1988), S. 123, 126 ff., 138 ff.). Das Gewicht der für die Abweichung sprechenden Gründe muss der Intensität der getroffenen Ausnahmeregelung entsprechen (vgl. ―zur Indizwirkung der "Sachgesetzlichkeit"― BVerfG-Beschlüsse vom 7. November 1972 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103, 115; vom 19. Oktober 1982 1 BvL 39/80, BVerfGE 61, 138, 148).
d) Soweit das Einkommensteuerrecht mehrere Einkunftsarten unterscheidet und daran auch unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft, müssen solche Differenzierungen auf ―wenn auch je nach Sachlage in typisierender und generalisierender Weise― sachlichen Gründen beruhen. Die systematische Unterscheidung von Einkunftsarten durch den Gesetzgeber kann für sich allein die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen (BVerfG-Beschlüsse vom 8. Oktober 1991 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348, 363 f.; vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6; in BVerfGE 99, 88, FR 1998, 1028 - Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F.): Die Einkommensteuer erfasst diejenigen Einkünfte, die der Steuerpflichtige "aus einer bestimmten Erwerbsgrundlage erzielt" (§ 2 Abs. 1 EStG). Das Einkommensteuergesetz belastet die in den § 2, §§ 13 ff. EStG näher bestimmten Einkunftsarten grundsätzlich gleich. Soweit mehrere Einkunftsarten unterschieden und daran auch unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft werden, müssen diese ihre Rechtfertigung in besonderen sachlichen Gründen finden.
e) Auch nach der Rechtsprechung des BFH verstößt die steuerliche Privilegierung einer Einkunftsart mangels hinreichender Rechtfertigung gegen den Grundsatz der synthetischen Einkommensteuer und damit gegen den Gleichheitssatz (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1999 IX R 23/99, BFH/NV 2000, 831).
f) Zur Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen hat das BVerfG (in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C. II. 4.; bestätigt im Beschluss in BVerfGE 96, 1, 5 f.) ausgeführt: Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, diese Besteuerung "auf die gesamtwirtschaftlichen Anforderungen an das Kapitalvermögen und die Kapitalerträge auszurichten und entsprechend zu differenzieren". Er darf im Rahmen seines Entscheidungsspielraums Gemeinwohlanliegen verfolgen und diese im Vergleich zu anderen Zielen gewichten. Unter bestimmten Voraussetzungen kann er den Besonderheiten der Einkunftsart "Einkünfte aus Kapitalvermögen" ―insbesondere deren gesteigerter Inflationsanfälligkeit― Rechnung tragen.
2. Dies vorausgesetzt ist die Ungleichbehandlung des Ertragsanteils gegenüber den nach § 20 Abs. 1 und 2 EStG steuerbaren Kapitalerträgen, insbesondere den Erträgen aus sonstigen Kapitalforderungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) durch besondere sachliche Gründe nicht gerechtfertigt. Die durch die Abweichung vom Ordnungsprinzip der synthetischen Einkommensteuer (Senatsbeschluss in BFHE 188, 69, BStBl II 1999, 450) indizierte Ungleichbehandlung verstößt mangels hinreichender Rechtfertigungsgründe gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Wie vorstehend dargelegt ist der (nur) für die 6. Einkunftsart geltende Sparer-Freibetrag durch die Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen gerechtfertigt. Hierzu zählen insbesondere (vgl. Entscheidungen des BVerfG in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C. II. 4. b; in BVerfGE 96, 1, 5 f.; BFH-Beschluss vom 17. Juli 2000 IX B 57/00, BFH/NV 2000, 1471; Jakob, Gedanken zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Zinsbesteuerung, DStR 1992, 893; kritisch Birk/Kulosa, FR 1999, 433, 441)
die Geldwertabhängigkeit und damit die gesteigerte Inflationsanfälligkeit des Kapitalvermögens und
seine Bedeutung für die existenzsichernde Versorgung und Altersvorsorge.
b) Diese Regelungsziele sind durch die Gesetzgebungsmaterialien belegt (ausführlich Dötsch in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 20 Rdnr. R 1 ff.). Seit dem Jahre 1975 werden alle privaten Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 und 2 EStG), die der Gesetzgeber der 6. Einkunftsart zugeordnet hat, nur besteuert, soweit sie einen Freibetrag übersteigen. Der Entwurf eines Steuerreformgesetzes (StRG) 1975 (BTDrucks 7/1470, S. 220) weist darauf hin, dass nach Auffassung der Bundesregierung die Spartätigkeit breiter Bevölkerungsschichten "insbesondere aus kapitalmarkt- sowie aus gesellschafts- und eigentumspolitischen Gründen besonders bedeutsam ist". Sparguthaben als Anlageformen zur "besonders förderungswürdigen eigenverantwortlichen Vorsorge" böten Sicherheit gegenüber den Wechselfällen des Lebens. Dies rechtfertige es, "die Kapitalerträge aus einem bestimmten Sockelsparvermögen steuerlich zu schonen". Dabei ging es dem Gesetzgeber ―unausgesprochen― offenbar auch um die Milderung der Folgen der Geldentwertung (Dötsch, a.a.O., § 20 Rdnr. R 1). Die gleichen Erwägungen lagen der Verdoppelung des Sparer-Freibetrags durch das Steuerreformänderungsgesetz 1990 zugrunde.
Die Erhöhung des Sparer-Freibetrags im Gesetz zur Neuregelung der Zinsbesteuerung (ZinsAbschlG) auf 6 000/12 000 DM wurde unter Hinweis auf das Urteil des BVerfG in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654 mit der Verpflichtung des Gesetzgebers begründet, Zinseinkünfte auch tatsächlich gleich zu belasten (BRDrucks 246/92, S. 24 f.). Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen nicht gehindert, die Besteuerung der Kapitaleinkünfte auf die gesamtwirtschaftlichen Anforderungen an das Kapitalvermögen und die Kapitalerträge auszurichten "und entsprechend zu differenzieren". Mit der Neuregelung sollten die gesetzgeberischen Konsequenzen aus dem vorgenannten Urteil des BVerfG gezogen und das "strukturelle Erhebungsdefizit" bei der Zinsbesteuerung für die Veranlagungszeiträume ab 1993 abgebaut werden. Ferner sollte ein wirksamer Anreiz geschaffen werden, inländisches Kapitalvermögen nicht mehr ins Ausland zu verlagern. Weiterhin heißt es in der Begründung des Regierungsentwurfs: "Außerdem haben die Kapitalbildung und die damit erzielbaren Erträge eine zunehmende Bedeutung für die existenzsichernde Versorgung vor allem im Alter. Gerade für die Altersvorsorgung des Mittelstandes ist diese Form der Eigenvorsorge besonders wichtig". Schließlich dient der Sparer-Freibetrag dem Inflationsausgleich.
Dem vom BVerfG vorgegebenen Ziel einer Gleichmäßigkeit der Besteuerung einschließlich einer Gleichheit bei der Erhebung der Steuern auf Kapitaleinkünfte hat sich der Gesetzgeber insofern angenähert, als nach der für die Streitjahre geltenden Regelung ca. 80 v.H. aller Bezieher von Kapitaleinkünften diese nicht mehr versteuern müssen.
Die Halbierung des Sparer-Freibetrags ab dem Veranlagungszeitraum 2000 durch das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 wurde damit begründet, dass diese im Zusammenhang stehe mit der Streichung bzw. Absenkung weiterer Freibeträge. Auch sei die Änderung geboten "wegen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung der unterschiedlichen Einkunftsarten" (BTDrucks. 14/23, S. 179).
c) Gemessen an diesen Regelungszielen hat der Gesetzgeber mit dem Sparer-Freibetrag eine großzügige Regelung getroffen, die steuerbare Sachverhalte einbezieht, auf welche die gesetzgeberischen Erwägungen nicht zutreffen und mit denen Mitnahmeeffekte erzielt werden können. Beispielsweise werden Gestaltungsmodelle der Art empfohlen und offenbar auch praktiziert und toleriert, dass von einer beherrschten Kapitalgesellschaft bezogener überhöhter Lohn "umgeschichtet" wird in eine verdeckte Gewinnausschüttung (vgl. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 20 Rdnr. 218). Das Gesetz begünstigt Erträge aus weniger inflationsanfälligem Produktivkapital wie etwa Anteilen an Kapitalgesellschaften (hierzu Dötsch, a.a.O., § 20 Rdnr. R 6). Gerade diese Großzügigkeit der gesetzlichen Regelung ist in gleichheitswidriger Weise unabgestimmt mit der ungemilderten Besteuerung von in der Form des Ertragsanteils pauschalierten Kapitaleinkünften. Diese rühren her aus einem "klassischen" Altersvorsorgeprodukt, für welche die vorstehend unter b) aufgeführten Privilegierungsgründe im Wesentlichen in gleicher Weise zutreffen: Gerade weil Leibrenten die Funktion haben, mit eigenem Vermögen ausschließlich ein biometrisches Risiko abzudecken ―Letzteres ist die Voraussetzung für eine steuerliche Förderung nach § 10a EStG i.d.F. des Altersvermögensgesetzes i.V.m. § 2 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes, beide vom 26. Juni 2001 (BGBl I 2001, 1310, 1322)― dienen sie mit ihrem Vermögensumschichtungs- und dem Zinsanteil in vollem Umfang und ausschließlich der Vorsorge für das Alter. Auch Forderungen aus Leibrenten sind ebenso wie vergleichbare in geltender Währung ausgedrückte Forderungen inflationsanfällig.
Angesichts dessen fällt die Überlegung nicht ins Gewicht, dass Ansprüche aus Leibrenten weder kurzfristig verfügbar noch umschichtbar sind. Sie sind es ebenso wenig wie etwa das durch § 20 Abs. 4 EStG privilegierte Produktivkapital. Schließlich spricht der Umstand, dass Leibrenten, die aufgrund von gesetzlich vorgesehenen Kontrollmitteilungen für die Finanzverwaltung verifizierbar sind, anders als sonstige Kapitaleinkünfte sich für eine Verlagerung ins Ausland nicht eignen, eher gegen als für die Ungleichbehandlung. Zwar kann der Staat Besteuerungsgleichheit herstellen, indem er die Eignung bestimmter Kapitalanlagen zur Steuerflucht und das Ausweichverhalten der Steuerbürger in sein Kalkül einbezieht. Trifft er auf der Grundlage einer solchermaßen modifizierten Belastungsentscheidung keine weitere, diesem Gesichtspunkt Rechnung tragende ―nahe liegende― Unterscheidung, ist ihm die Berufung hierauf auch dann versagt, wenn er im Inland radizierte Kapitaleinkünfte einer anderen Einkunftsart zuordnet.
d) Hiernach ist ein gleichheitsrechtlich tragfähiger Grund dafür, den Sparer-Freibetrag nicht auf die der 7. Einkunftsart zugehörigen Erträge des Rentenrechts (Ertragsanteile) zu erstrecken, nicht ersichtlich. Die Ertragsanteile sind materiell-rechtlich Schuldzinsen; aus Gründen der Systematik gehören sie in den Regelungsbereich des § 20 EStG. Aus diesem Grunde hält der Senat die ungemilderte Besteuerung von Ertragsanteilen aus Gegenleistungs-Leibrenten für verfassungswidrig.
3. Der Senat hat bereits in seinem Urteil in BFHE 170, 82, BStBl II 1996, 666, unter 6. c angedeutet, dass nicht nur auf der Seite des Verpflichteten, sondern auch auf der des Berechtigten Folgerungen aus dem materiell-rechtlichen Charakter des Ertragsanteils als Schuldzinsen zu ziehen sind. Dies ist in der Literatur aufgegriffen worden durch Martin (Renten und andere wiederkehrende Leistungen bei Vermögensübertragungen, Betriebs-Berater ―BB― 1993, 1773, 1781), Fischer (DStR, Beihefter zu Heft 17/1992, unter Nr. 9.2.; ders. in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 22 Rdnr. B 11) und Stephan (Einkommensteuerrechtliche Behandlung von wiederkehrenden Leistungen im Zusammenhang mit der Übertragung von Privat- und Betriebsvermögen, Der Betrieb ―DB―, Beilage 4/1997, S. 20). Seer (a.a.O., S. 175) und Ralf Schmitz (a.a.O., S. 168 ff.) vertreten die Auffassung, dass der Begünstigungsausschluss des Beziehers einer Leibrente gleichheitswidrig ist. Anderer Auffassung sind im Wesentlichen diejenigen Autoren, die ―indes zu Unrecht (oben II. 2. c)― die Auffassung vertreten, der Ertragsanteil sei kein Zinsanteil bzw. enthalte nicht nur Zinsanteile (Jansen in Jansen/Wrede, a.a.O., Rdnr. 918; Harenberg in Herrmann/Heuer/ Raupach, a.a.O., § 20 EStG Rdnr. 835, 1352).
4. Das Schleswig-Holsteinische FG hat mit Urteil vom 12. Februar 1998 I 241/97 (EFG 1998, 1584) entschieden, dass die Nichtberücksichtigung des Sparer-Freibetrags bei der Besteuerung des Ertragsanteils von Renten aus den gesetzlichen Sozialversicherungen nach § 22 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 a EStG nicht gegen das GG verstößt. Zur Klarstellung bemerkt der Senat, dass sich seine vorstehenden Rechtsausführungen nur auf Erträge aus privaten Gegenleistungs-Leibrenten, nicht hingegen etwa auf Renten aus den gesetzlichen Sozialversicherungen beziehen. Die unterschiedliche einkommensteuerliche Erfassung von Versorgungsbezügen und Sozialversicherungsrenten ist Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens vor dem BVerfG (2 BvL 17/99). Die derzeit ungeklärte verfassungsrechtliche Problematik besteht nicht darin, dass es unzulässig wäre, Renten aus privaten Versicherungsverträgen und aus den gesetzlichen Sozialversicherungen mit ihrem Ertragsanteil zu besteuern, oder dass es sogar darüber hinaus geboten wäre, diese Renten zusätzlich zu privilegieren. Zu entscheiden ist vielmehr zum einen, ob nicht nur der Ertragsanteil, sondern weitere Einkommenskomponenten der Sozialversicherungsrenten besteuert werden müssen. Zum anderen ist fraglich, ob im Rahmen einer sog. nachgelagerten Besteuerung diejenigen Vorsorgeaufwendungen unter dem Gesichtspunkt der sog. intertemporalen Korrespondenz "nachversteuert" werden müssen, die infolge des Sonderausgabenabzugs oder wegen der Steuerfreiheit des Arbeitgeberbeitrags zur gesetzlichen Sozialversicherung (§ 3 Nr. 62 EStG) steuerfrei geblieben waren (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2000 X B 105/00, juris). Nach Auffassung des Senats verstößt es weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen das Sozialstaatsprinzip, dass der Versorgungs-Freibetrag (§ 19 Abs. 2 EStG) für mit ihrem Ertragsanteil steuerbare Sozialversicherungsrenten nicht gewährt wird (Senatsbeschluss vom 21. Februar 2001 X B 112/00, BFH/NV 2001, 1022; im Ergebnis ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Oktober 1995 6 K 192/94, EFG 1996, 375).
C. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage
Der Senat hat die Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG zu der Vorlagefrage einzuholen, da es für die Entscheidung der Streitfälle auf die Gültigkeit der § 20 Abs. 4, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ankommt (Art. 100 Abs. 1 GG; § 80 Abs. 1 BVerfGG). Die Vorlagefrage ist für die anhängigen Streitfälle entscheidungserheblich.
I. Der Kläger ist durch den gleichheitswidrigen Ausschluss des Ertragsanteils aus der Leibrente von der Begünstigung des § 20 Abs. 4 EStG betroffen, weil er eine geringere Steuer zu zahlen hätte, wenn die Ertragsanteile von Gegenleistungs-Leibrenten in die Regelung des § 20 Abs. 4 EStG einbezogen wären.
II. Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt verneint werden, dass der Kläger in den vorliegenden Verfahren eine Begünstigung der hier fraglichen Einkünfte für die Streitjahre nicht erreichen könnte.
1. Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG ist die Vorlagefrage entscheidungserheblich.
a) Hiernach kommt es auf die Verfassungswidrigkeit einer Norm nur dann an, wenn diese mit dem GG in dem Sinne unvereinbar wäre, dass dem Gesetzgeber eine Heilung des Gleichheitsverstoßes durch Einbeziehung des Klägers in die Begünstigung möglich wäre. Die Gültigkeit der beanstandeten Norm ist hingegen nicht entscheidungserheblich, wenn diese Bestimmung nichtig in dem Sinne wäre, dass allein ihr ersatzloser Wegfall verfassungskonform und mithin ausschließlich eine Nichtigerklärung gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG die Folge wäre. Dies wäre der Fall, wenn die Einbeziehung des Klägers in den nach der betroffenen Vorschrift begünstigten Personenkreis "schlechthin ausgeschlossen" erscheint (BVerfG-Beschluss vom 11. Oktober 1983 1 BvL 73/78, BVerfGE 65, 160, 169, BStBl II 1984, 20; vgl. auch BFH-Urteil vom 20. Juni 1989 VIII R 82/86, BFHE 156, 543, BStBl II 1989, 836). Möglicherweise gilt Gleiches, wenn eine solche generelle und rückbezogene Neuregelung nur "schwer vorstellbar" ist (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 1991 III R 97/89, BFHE 164, 65, BStBl II 1991, 578). Denn dann könnte der Kläger sein Klageziel unter keinen Umständen erreichen; die Klage wäre auf jeden Fall abzuweisen (BVerfG-Urteil vom 27. Juni 1991 2 BvL 3/89, BVerfGE 84, 233, BStBl II 1991, 652, 653 f. - Steueramnestie). Kommt hingegen als eine der möglichen Entscheidungsalternativen eine Neuregelung durch den Gesetzgeber in Betracht, die den für das Ausgangsverfahren einschlägigen Maßstab der vorgelegten Norm verändert, so hat das Gericht das Verfahren auszusetzen, bis der Gesetzgeber ein neues Gesetz erlassen hat. Für die Entscheidungserheblichkeit genügt es, dass eine Beanstandung der zur Prüfung gestellten Norm dem Kläger des Ausgangsverfahrens die Chance offen hält, an einer Erweiterung der begünstigenden Regelung teilzuhaben (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 61, 138, 146; vom 31. Januar 1996 2 BvL 39, 40/93, BVerfGE 93, 386, 395; vgl. BFH-Beschluss vom 19. Februar 1993 VI R 74/91, BFHE 170, 410, BStBl II 1993, 551).
b) Hieraus folgt für den Streitfall: Es geht nicht lediglich darum, dass § 20 Abs. 4 EStG Dritte begünstigen würde, sondern um eine Benachteiligung des Klägers im Verhältnis zu diesen Dritten. Der Senat hält es in Anbetracht der verhältnismäßig geringfügigen haushaltsmäßigen Auswirkungen einer verfassungskonformen Erweiterung des § 20 Abs. 4 EStG für konkret möglich, dass der Kläger auch für die Streitjahre an einer ihm günstigen Neuregelung teilhaben kann.
c) Im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Vorlage ist unerheblich, ob in Fällen einer Unwirksamkeit der fraglichen Norm zu erwarten ist, dass das BVerfG die weitere Anwendung der verfassungswidrigen Norm für einen Übergangszeitraum anordnen wird (BVerfG-Beschlüsse vom 26. Februar 1986 1 BvL 12/85, BVerfGE 72, 51, 62; in BVerfGE 87, 153, 180, BStBl II 1993, 413, unter C. III. 3. d; in BVerfGE 93, 121, 131, BStBl II 1995, 655, unter B. I.).
2. Eine gleichheitswidrige Steuerbegünstigung ―hier: durch § 20 Abs. 4 EStG― ist nicht nur ein Problem der Belastung des einzelnen Steuerpflichtigen, sondern auch der gleichheitsgerechten Verteilung. Insofern muss es dem nichtprivilegierten Steuerpflichtigen möglich sein, einen gleichheitswidrigen Steuereingriff abzuwehren, solange vergleichbare Personengruppen nicht in gleicher Weise belastet werden (Wernsmann, FR 1999, 242, 245 ff.). Die Privilegierung bestimmter Einkünfte aus Kapitalvermögen geht notwendigerweise einher mit einer Belastung der anderen Einkünfte. Eine dem Gleichheitssatz entsprechende Absenkung des Sparer-Freibetrags würde eine andere Verteilung der Steuerlast ermöglichen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit auch dem Kläger zugute käme. Denkbar ist zumindest eine gesetzliche Neuregelung, durch die dem Begehren des Klägers im Rahmen des budgetmäßigen Gestaltungsspielraums durch eine Ausweitung des Begünstigungstatbestandes ganz oder zumindest teilweise Rechnung getragen wird.
3. Für den Fall, dass sich die Vorlage auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG zur Zulässigkeit von Richtervorlagen als unzulässig erweisen sollte, hält der Senat die vom VI. Senat des BFH in dessen Vorlagebeschluss vom 21. Oktober 1994 VI R 15/94 (BFHE 175, 368, BStBl II 1995, 142, unter VI.) geäußerten Bedenken für zutreffend (vgl. ferner Völlmeke, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1992, 1345; Wernsmann, FR 1999, 242, 244 ff.): Die gleichheitswidrige Privilegierung einer Gruppe stellt sich als Benachteiligung der übrigen Steuerzahler dar. Solange eine Vorschrift, die eine verfassungswidrige steuerliche Privilegierung einer bestimmten Gruppe bewirkt, weiterhin anzuwenden ist, verwirklicht sich die zwangsläufig aus der gleichheitswidrigen Begünstigung resultierende Benachteiligung des ausgeschlossenen Personenkreises jedes Jahr bei jeder Veranlagung erneut. Diese regelmäßig in großer Zahl wiederkehrende Benachteiligung rechtfertigt für den Fall des gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses durch eine Norm des Steuerrechts eine Auslegung des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG dahin gehend, dass es insoweit ausnahmsweise nicht nur auf den Tenor der Entscheidung des vorlegenden Gerichts, sondern auch auf die Begründung der Entscheidung ankommt.
4. Der erkennende Senat neigt im Übrigen zu der Ansicht, dass das BVerfG mit dem Beschluss vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 (FR 1999, 150, unter D. II. und III.) seine bisherige Rechtsprechung zur Entscheidungserheblichkeit aufgegeben hat. Das BVerfG hat in jenem Beschluss die den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegenden ―restriktiven― Regelungen des Abzugs von Kinderbetreuungskosten wegen Erwerbstätigkeit (§ 33c Abs. 1 bis 4 EStG) und des Haushaltsfreibetrags (§ 32 Abs. 3 und 4 EStG) für mit dem GG unvereinbar erklärt, jedoch gleichzeitig bestimmt, dass diese Regelungen bis zum 31. Dezember 1999 bzw. 2001 weiterhin anzuwenden sind. Die Ausgangsverfahren der Verfassungsbeschwerden hat das BVerfG an den BFH zurückverwiesen mit dem Bemerken, die Beschwerdeführer hätten einen Anspruch darauf, "daß der Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerden sich für sie auch für die jeweils anhängigen Veranlagungszeiträume in einer den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechenden einkommensteuerlichen Entlastung auswirkt". Auf die vorliegenden Streitfälle angewendet könnte dies bedeuten, dass das BVerfG den Gesetzgeber verpflichtet, die hier einschlägigen Einkunftsarten steuerrechtlich gleichzustellen, und gleichzeitig der Verwaltung oder dem Gesetzgeber aufgibt, dem Kläger die in § 20 Abs. 4 EStG vorgesehene Begünstigung (BVerfG-Beschlüsse vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, unter C. III., und 2 BvR 1220/93, BVerfGE 99, 268, unter B. II.) zukommen zu lassen.
Fundstellen
Haufe-Index 674643 |
BFH/NV 2002, 417 |
BStBl II 2002, 183 |
BFHE 197, 199 |
BFHE 2002, 199 |
BB 2002, 449 |
DB 2002, 716 |
DStRE 2002, 500 |
HFR 2002, 419 |
StE 2002, 103 |