Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrüge: Urteil ohne Gründe, Verletzung des Anspruchs auf wirksamen Rechtsschutz durch Versäumung einer Entscheidung in angemessener Zeit
Leitsatz (NV)
- Die Rüge, ein Urteil sei ohne Gründe ergangen, kann seit In-Kraft-Treten des 2. FGOÄndG nur noch mit der auf einen Verfahrensmangel gestützten Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden.
- Wird mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, das FG habe Rechtsschutz nicht in angemessener Zeit und unter Wahrung der rechtlichen Interessen der Verfahrensbeteiligten gewährt, muss zur Begründung der Rüge nicht nur schlüssig vorgetragen werden, dass eine frühere Entscheidung für den Beteiligten günstiger hätte ausfallen können, sondern auch dass und wodurch das Gericht seine Prozessförderungspflicht unter Beeinträchtigung der Interessen der Beteiligten verletzt hat.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3; GG Art. 19 Abs. 4
Gründe
Von einer Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Beschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet und war deshalb zurückzuweisen.
1. Die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine gerichtliche Entscheidung richtet sich nach den Vorschriften der FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757), wenn die Entscheidung nach dem 31. Dezember 2000 verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist. Das ist hier der Fall.
2. Die Verfahrensrügen sind nicht in einer § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Form erhoben worden.
a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderliche Darlegung des Verfahrensmangels setzt voraus, dass die Tatsachen genau angegeben werden, die den Mangel ergeben. Der Verfahrensmangel muss zudem schlüssig dargelegt werden. Das ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen ―ihre Richtigkeit unterstellt― den behaupteten Verfahrensmangel ergeben (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 116 Rz. 48; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz. 191).
b) Die Rüge, das Urteil sei z.T. ohne Gründe ergangen, ist nicht schlüssig dargelegt. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) machen zwar geltend, das Urteil enthalte eine Begründung nur zum Grund, aber nicht zur Höhe des Anspruchs. Ein solcher Fehler wäre nach dem in der Beschwerde genannten § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO a.F. ein zur zulassungsfreien Revision führender Verfahrensfehler gewesen. Nach der im Streitfall anzuwendenden neuen Fassung der FGO kann ein solcher Fehler nur noch mit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt werden. Das Vorbringen der Kläger ist aber widersprüchlich und damit unschlüssig, weil zugleich vorgetragen wird, dass das Finanzgericht (FG) von einem nicht erklärten Gewinn in Höhe von 299 000 DM ausgegangen sei und diesen auf vier Jahre verteilt habe. Dies sind Ausführungen zur Höhe des Anspruchs, so dass schon nach dem eigenen Vorbringen der Kläger ein Verfahrensfehler dieser Art nicht vorliegt.
Soweit weitere Bedenken gegen die Vollständigkeit der Urteilsgründe vorgetragen werden, beziehen sich diese auf die Würdigung des Sachverhalts durch das FG. Die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter das Gesetz ist indessen keine Verfahrensfrage, sondern eine Frage des materiellen Rechts und kann deshalb mit der Verfahrensrüge nicht erfolgreich angegriffen werden.
c) Soweit die Kläger rügen, das FG habe die Höhe des nicht erklärten Gewinns im Allgemeinen und der berücksichtigten Werte von Münzen und Goldbarren sowie der Vermögensverhältnisse der Eltern des Klägers im Besonderen nicht ordnungsgemäß ermittelt, fehlt es ebenfalls an einer ordnungsgemäßen Darlegung. Wird gerügt, das Gericht habe seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht genügt, ohne dabei aber einen Beweisantrag übergangen zu haben, so sind Ausführungen dazu erforderlich, welche Tatsachen hätten aufgeklärt oder welche Beweise hätten erhoben werden müssen, aus welchen Gründen sich die Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei weiterer Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern sich daraus auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Gerichts eine andere Entscheidung hätte ergeben können (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 13. März 1995 XI B 160/94, BFH/NV 1995, 817; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 70, m.w.N.).
Die Beschwerde enthält keine Ausführungen dazu, welche Beweise das FG hätte erheben sollen und warum sich ihm die Beweiserhebung auch ohne Antrag der in der mündlichen Verhandlung fachkundig vertretenen Kläger hätte aufdrängen müssen.
d) Auch die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf wirksamen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) ist nicht schlüssig erhoben worden. Die §§ 76 Abs. 2, 79 Abs. 1 Satz 1 FGO verpflichten in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und Art. 19 Abs. 4 GG das Gericht, Rechtsschutz in angemessener Zeit und unter Wahrung der rechtlichen Interessen der Verfahrensbeteiligten zu gewähren (BFH-Urteil vom 23. Februar 1999 IX R 19/98, BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407). Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Dazu ist jedoch nicht nur schlüssig vorzutragen, dass eine frühere Entscheidung für den Beteiligten günstiger hätte ausfallen können, sondern auch dass und wodurch das Gericht seine Prozessförderungspflicht unter Beeinträchtigung der Interessen des Beteiligten verletzt hat.
Aus dem Vorbringen der Kläger lässt sich nicht entnehmen, dass das Gericht seine Prozessförderungspflicht in dieser Hinsicht versäumt hätte. Vielmehr ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen, dass die Eltern des Klägers bereits vor Beginn des Prozesses verstorben waren, so dass in keinem Fall der von den Klägern gewünschte Zeugenbeweis vom FG hätte erhoben werden können.
3. Die Rüge, eine Entscheidung des BFH sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, ist nicht begründet.
a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert. Diese Voraussetzung ist zunächst in den Fällen der bisherigen Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. erfüllt. Sie geht aber darüber jedenfalls insoweit hinaus, als es nicht darauf ankommt, welches Gericht die Entscheidung, von der abgewichen wird, getroffen hat. Ob noch weiter gehend eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch dann erforderlich ist, wenn das FG einen vom BFH aufgestellten Rechtssatz im Ergebnis falsch auslegt oder anwendet, ohne einen abweichenden Rechtssatz zu bilden, ist bislang noch nicht abschließend geklärt. Im Streitfall kommt es mangels entsprechender Darlegung darauf nicht an.
b) Es ist bereits zweifelhaft, ob eine Abweichung von dem genannten BFH-Urteil vom 28. Mai 1986 I R 265/83 (BFHE 147, 105, BStBl II 1986, 732) ordnungsgemäß dargelegt ist. Denn die Kläger formulieren keinen Rechtssatz des FG, der von einem Rechtssatz des BFH in dem angeführten Urteil abweicht. Selbst wenn man dem Beschwerdevorbringen aber die Behauptung entnehmen könnte, das FG habe den Rechtssatz aufgestellt, es bedürfe keiner Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung bzw. der Steuerpflichtige habe für die Herkunft eingezahlter Mittel einen Nämlichkeitsnachweis zu erbringen, trifft diese Behauptung nicht zu. Das FG hat keinen vom BFH abweichenden Rechtssatz aufgestellt.
Dass das FG im Hinblick auf das Erfordernis der Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung nicht von den im BFH-Urteil in BFHE 147, 105, BStBl II 1986, 732 aufgestellten Anforderungen abweichen wollte, ergibt sich aus dem Verweis auf die Einspruchsentscheidung. Dort ist unter Hinweis auf das genannte BFH-Urteil dargelegt, dass und nach welcher Methode eine Vermögenszuwachsrechnung vorgenommen wurde. Das FG ist folglich davon ausgegangen, dass eine solche Rechnung der Schätzung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) zugrunde liegt. Ob diese Rechnung im Rahmen der Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO mit der gebotenen Sorgfalt geprüft worden ist, ist in diesem Zusammenhang revisionsrechtlich nicht zu beurteilen, nachdem die Kläger keine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge erhoben haben.
Daraus ergibt sich auch, dass das FG nicht den Rechtssatz aufgestellt hat, ein Steuerpflichtiger müsse den Nämlichkeitsnachweis für Einzahlungen auf privaten Konten erbringen. Einerseits waren Ausgangspunkt für die Schätzung nicht derartige Einzahlungen, sondern die aufgefundenen baren Geldbestände sowie Münzen und Goldbarren. Andererseits ist die Feststellungslast bezüglich der Herkunft nicht unmittelbar den Klägern auferlegt worden. Ihnen fällt diese Feststellungslast nach Auffassung des FG erst dadurch zu, dass die Vermögenszuwachsrechnung einen ungeklärten Zuwachs ergeben hat. Dann muss der Steuerpflichtige die Herkunft aus nicht der Besteuerung unterliegenden Zuflüssen darlegen und erforderlichenfalls beweisen. Den Klägern ist der Nachweis nach der im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens revisionsrechtlich nicht zu überprüfenden Würdigung des Beweisergebnisses durch das FG nicht gelungen.
c) Dass das angefochtene Urteil abgesehen von einer Divergenz in dem vorerwähnten Sinn eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich macht, weil das FG einen vom BFH aufgestellten Rechtssatz im Ergebnis falsch ausgelegt oder angewendet hat, machen die Kläger nicht geltend. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob mit einer solchen Begründung die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO überhaupt zuzulassen sein kann.
Fundstellen