Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung und Zurechnung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften
Leitsatz (NV)
1. Das FG ist zu einem vorherigen Hinweis auf seine Rechtsauffassung nicht verpflichtet. Ist die Rechtslage umstritten, muss ein Beteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten.
2. Absetzungen für Abnutzung können nur demjenigen zugerechnet werden, der Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat.
3. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO wird bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften nicht durch § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1 EStG verdrängt.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3; AO § 39 Abs. 2 Nr. 2; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 1; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 17.06.2008; Aktenzeichen 15 K 30012/06) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) und dem Beigeladenen und Beschwerdeführer (Beigeladener) gerügten Verfahrensmängel einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in Gestalt einer sog. Überraschungsentscheidung (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2, § 93 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie eines Verstoßes gegen die gerichtliche Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor. Das Finanzgericht (FG) ist zu einem vorherigen Hinweis auf seine Rechtsauffassung --d.h. auf die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte, Schlussfolgerungen oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung-- nicht verpflichtet (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. November 2005 III B 33/05, BFH/NV 2006, 568). Daher muss insbesondere dann, wenn die Rechtslage umstritten ist, ein Beteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten. Unbeschadet davon hat das Gericht in seinen Berichterstatterschreiben vom 15. Januar 2008 und 4. Juni 2008 darauf hingewiesen, dass der maßgebliche Übertragungsvorgang auch als entgeltlich angesehen werden könnte, eine Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) und eine abweichende Zurechnung von Absetzungen für Abnutzung (AfA) im Streitfall in Betracht komme und dies eine Erhöhung der Einkünfte der Beigeladenen zur Folge haben könnte. Auch wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem FG die Sach- und Rechtslage ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 17. Juni 2008 mit den Beteiligten erörtert. Vor diesem Hintergrund hätten die Klägerin und der Beigeladene davon ausgehen müssen, dass das FG zu dem Schluss kommen könnte, im Streitfall sei von (teil-)entgeltlichen Anschaffungsvorgängen auszugehen, die die Bemessungsgrundlage für die AfA und deren Zurechnung verändern. Die Klägerin hat nicht dargelegt, weshalb sie, obwohl in der mündlichen Verhandlung fachkundig vertreten, nicht von sich aus die genannten Gesichtspunkte aufgegriffen, hierzu eigene zusätzliche rechtliche Überlegungen angestellt und eingebracht oder weitere Anträge gestellt hat.
Die von der Beschwerdebegründung als i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO grundsätzlich bedeutsam angesehenen Fragen über die Ermittlung und Zurechnung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.S. von § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften, insbesondere über die steuerliche Behandlung von AfA-Beträgen, den Einfluss von vertraglichen Gewinnverteilungsabreden auf die Zurechnung sowie die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO in diesem rechtlichen Zusammenhang sind höchstrichterlich geklärt (s. z.B. BFH-Urteile vom 2. April 2008 IX R 18/06, BFHE 221, 1, BStBl II 2008, 679; vom 6. Oktober 2004 IX R 68/01, BFHE 207, 24, BStBl II 2005, 324; vom 27. Juli 2004 IX R 20/03, BFHE 206, 444, BStBl II 2005, 33, jeweils m.w.N. auf die ältere Rechtsprechung). Die Kläger haben sich in der Beschwerdebegründung nicht mit der bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt und substantiiert darlegt, weshalb nach ihrer Ansicht diese Rechtsprechung bislang keine Klärung herbeigeführt habe.
Es wurde auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts im Streitfall erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO). Hierzu wären etwa Ausführungen zu der Frage erforderlich gewesen, inwieweit eine höchstrichterliche Klärung des Streitfalles vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des BFH zur Einkünfteermittlung und -zurechnung bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften noch erforderlich ist.
Im Streitfall ist auch eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) nicht geboten. Die gerügte Divergenz als Unterfall des Zulassungsgrundes einer Sicherung der Rechtseinheit kann nur gegeben sein, wenn das FG bei einem gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Rechtsauffassung eines anderen Gerichts abweicht. Dies ist im Streitfall schon nicht dargelegt worden. Die bloße Behauptung eines Verstoßes gegen die BFH-Rechtsprechung reicht dazu nicht aus. Soweit das FG im Einzelfall zu einer von der Auffassung der Klägerin und des Beigeladenen abweichenden Schlussfolgerung gelangt ist, liegt allein darin keine Abweichung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (BFH-Beschluss vom 4. August 1993 II B 175/92, BFH/NV 1994, 718). Unbeschadet dessen liegt die gerügte Abweichung auch nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BFH können AfA nur demjenigen zugerechnet werden, der Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat. Das ist bei einer Gesellschaft regelmäßig der Gesellschafter. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass eine getrennte Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO für die Besteuerung erforderlich ist, weil eine vermögensverwaltende Personengesellschaft --als Gesamthandsgesellschaft-- selbst nicht Schuldnerin der Einkommensteuer ist, aber den Besteuerungstatbestand erfüllt. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO wird insoweit auch nicht durch § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1 EStG verdrängt (BFH-Urteil in BFHE 206, 444, BStBl II 2005, 33, m.w.N.).
Im Übrigen wendet sich die Beschwerde nach dem Gehalt ihres --in der Art einer Revisionsbegründung vorgebrachten-- Vortrags lediglich gegen die Tatsachenwürdigung und Rechtsauffassung des FG und macht geltend, dessen Urteil sei unrichtig. Mit solchen der Revision vorbehaltenen Rügen kann die Klägerin im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden (z.B. BFH-Beschluss vom 19. Juni 2002 IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331).
Fundstellen