Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollziehungsaussetzung: Antragsgegner bei Erlass eines Änderungsbescheides nach Zuständigkeitswechsel des FA
Leitsatz (NV)
1. Begehrt ein Antragsteller beim FG die Aussetzung der Vollziehung eines im Laufe des Klageverfahrens geänderten Steuerbescheides, der nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens ist, so ist bzw. wird Antragsgegner das FA, das den Änderungsbescheid erlassen hat. Ist der Änderungsbescheid nach einem Zuständigkeitswechsel von dem nunmehr zuständigen FA erlassen worden, ist Antragsgegner nicht (mehr) das ursprünglich zuständige FA.
2. Dies gilt auch, wenn nach dem Abschluss des Klageverfahrens und nach Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH als dem Gericht der Hauptsache eine Vollziehungsaussetzung beantragt wird und im Verfahren vor dem FG trotz des Beteiligtenwechsels fälschlicherweise noch das ursprünglich zuständige FA als Antragsgegner beteiligt war.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, § 63 Abs. 1 Nr. 1, § 122 Abs. 1
Tatbestand
I. Der Antragsgegner (das Finanzamt A) erkannte im Einkommensteuerbescheid für 1997 vom 28. Juni 2000 verschiedene Aufwendungen des Antragstellers nicht an.
Nach Erhebung der Klage ist der Antragsteller von A zunächst nach B und später nach C umgezogen. Infolge der Wohnsitzverlegung ist das FA B für die Besteuerung des Antragstellers örtlich zuständig geworden. Aufgrund nachgereichter Belege und des Vortrags im Klageverfahren erkannte das FA A weitere Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit an. Das FA B erließ daraufhin als zuständiges Wohnsitzfinanzamt am 25. Oktober 2004 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid für 1997, in dem die Einkommensteuer herabgesetzt wurde. Der Änderungsbescheid wurde Gegenstand des Klageverfahrens.
Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2003 beantragte der Antragsteller beim Finanzgericht (FG) u.a. die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Einkommensteuerbescheides vom 28. Juni 2000. Mit Verfügung vom 16. September 2004 gewährte das FA A teilweise AdV. Den weitergehenden Antrag auf AdV des geänderten Einkommensteuerbescheides für 1997 vom 25. Oktober 2004 lehnte das FG mit Beschluss vom 16. März 2006 (richtig wohl 16. März 2007) ab.
Die Klage wurde mit Urteil vom gleichen Tag abgewiesen. Für eine noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde wurde beim Bundesfinanzhof (BFH) Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
Zusätzlich beantragt der Antragsteller, ihm für ein Verfahren gegen das FA A wegen AdV des Einkommensteuerbescheides vom 25. Oktober 2004 PKH zu gewähren und Rechtsanwalt R als Prozessbevollmächtigten beizuordnen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen.
Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum Erfolg führen kann.
Im Streitfall hat der beabsichtigte, gegen das FA A gerichtete Antrag auf AdV bei der gebotenen überschlägigen Überprüfung keine Aussicht auf Erfolg. Das FA A kommt nicht als Antragsgegner in dem gerichtlichen Aussetzungsverfahren in Betracht. Denn es hat den Änderungsbescheid vom 25. Oktober 2004, dessen AdV begehrt wird, nicht erlassen.
Nach der Vorschrift des § 63 Abs. 1 Nr. 1 FGO, die im Rahmen eines gerichtlichen Aussetzungsverfahrens i.S. von § 69 Abs. 3 FGO entsprechende Anwendung findet (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Januar 2005 I S 8/04, BFH/NV 2005, 1109), ist der Antrag gegen die Behörde zu richten, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat. Ursprünglicher Verwaltungsakt bedeutet aber in diesem Zusammenhang lediglich eine Klarstellung dahingehend, dass im Gegensatz zum früheren Recht nur die Ausgangsbehörde und nicht etwa die Beschwerdebehörde beteiligt sein soll (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 5/66, BFHE 96, 89, BStBl II 1969, 593).
Begehrt ein Antragsteller beim FG die AdV eines im Laufe des Klageverfahrens geänderten Steuerbescheides, der nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens ist, so ist bzw. wird Antragsgegner das FA, das den Änderungsbescheid erlassen hat. Dies gilt auch, wenn nach dem Abschluss des Klageverfahrens und nach Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH als dem Gericht der Hauptsache eine Vollziehungsaussetzung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO beantragt wird.
Nicht maßgeblich ist, welches FA als Antragsgegner bei dem vor dem FG geführten Aussetzungsverfahren beteiligt war. Wird während des Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision ein Aussetzungsantrag gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO beim BFH gestellt, bestimmt sich der Antragsgegner nicht analog der Regelung in § 122 Abs. 1 FGO nach der tatsächlichen Beteiligung im finanzgerichtlichen Aussetzungsverfahren. Diese Vorschrift ist in einem solchen Fall nicht anzuwenden. Denn der beim BFH angebrachte Antrag auf AdV stellt --anders als eine im Aussetzungsbeschluss des FG gemäß § 128 Abs. 3 FGO zugelassene Beschwerde und anders als eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gemäß § 116 FGO-- kein Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung des FG dar. Danach ist im Streitfall das FA A kein Antragsgegner für die begehrte AdV, auch wenn dieses FA selbst nach Ergehen des --vom FA B erlassenen-- Änderungsbescheides weiterhin als Antragsgegner im finanzgerichtlichen Aussetzungsverfahren beteiligt war und damit der aufgrund des Änderungsbescheides eingetretene gesetzliche Beteiligtenwechsel (vgl. BFH-Urteile in BFHE 96, 89, BStBl II 1969, 593; vom 12. April 1994 IX R 101/90, BFHE 174, 301, BStBl II 1994, 660, unter 1., insoweit nur wiedergegeben bei juris; vom 20. Dezember 2000 III R 17/97, BFH/NV 2001, 914; vom 22. Januar 1997 I R 156/94, BFH/NV 1999, 145) nicht beachtet wurde.
Fundstellen