Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe; Prozessverschleppung
Leitsatz (NV)
- Es bleibt dahin gestellt, ob eine als Telefax vorgelegte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausreicht.
- Der kommentarlos eingereichte Hinweis auf einen unmittelbar nach dem anberaumten Termin anstehenden Operationstermin sagt nichts darüber aus, ob tatsächlich erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung bestehen.
- Bei "in letzter Minute" eingehenden Anträgen auf Verlegung oder Vertagung eines anberaumten Termins muss das Gericht selbst beurteilen können, ob der Beteiligte verhandlungsfähig bzw. verhindert ist oder nicht.
- Die Ablehnung der beantragten Vertagung oder Verlegung ist ermessensgerecht, wenn der betreffende Beteiligte zuvor seine gerichtliche Mitwirkungspflicht in erheblicher Weise verletzt hat. In diesem Fall liegt auch eine Prozessverschleppungsabsicht nahe.
- Es bleibt offen, ob bei Prozessverschleppungsabsicht die Prozesskostenhilfe wegen mutwilliger Rechtsverfolgung nicht bewilligt werden kann.
Normenkette
FGO § 142; ZPO §§ 114, 117 Abs. 2, § 227 Abs. 1-2
Tatbestand
Das Klageverfahren des Klägers und Antragstellers (Kläger) wegen Einkommensteuer 1990 und 1992 bis 1994 (Az.: VI 109/96 alt) hatte das Finanzgericht (FG) zunächst durch Beschluss vom 15. Juni 1999 ausgesetzt, weil sich der Kläger lediglich durch solche Feststellungen als beschwert ansah, die auf entsprechenden Grundlagenbescheiden des Finanzamts (FA) Z beruhten, die ihrerseits mit der Klage angefochten waren.
Durch Beschluss vom 4. September 2001 hob das FG den Aussetzungsbeschluss auf, weil die Klage gegen die Grundlagenbescheide inzwischen durch Urteil vom 29. November 2000 rechtskräftig abgewiesen worden war. Der beim beschließenden Senat gestellte Antrag des Klägers, ihm für die gegen den Beschluss vom 4. September 2001 beabsichtigte Beschwerde Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren und ihm zu seiner Vertretung einen Rechtsanwalt beizuordnen, hatte keinen Erfolg (s. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2001 IV S 14/01, BFH/NV 2002, 501).
Das FG setzte das Klageverfahren betr. die Einkommensteuer 1990 und 1992 bis 1994 unter dem Aktenzeichen VI 236/2001 fort. Es wies die Klage durch Urteil vom 7. Februar 2002 als unzulässig ab. In den Entscheidungsgründen führte es u.a. aus, der Kläger sei lt. Postzustellungsurkunde ordnungsgemäß geladen gewesen. Der anberaumte Termin habe nicht verlegt werden müssen. Wegen des erst in "letzter Minute" gestellten Antrags sei der Kläger auch ohne besondere Aufforderung verpflichtet gewesen, erhebliche Gründe für seine Verhinderung so anzugeben, dass das Gericht diese selbst hätte beurteilen können. Die Vorlage eines bloßen Terminzettels über die Vereinbarung einer Operation sei nicht ausreichend gewesen. Der Kläger hätte vielmehr über die Art und Dringlichkeit der Operation Auskunft erteilen müssen, zumal der Termin lt. dem vorgelegten Terminzettel bereits längerfristig vereinbart gewesen sei, so dass bei rechtzeitigem Nachsuchen u.U. eine Verlegung des vom FG anberaumten Termins möglich gewesen wäre. Für eine Akutoperation gebe es keinen Anhaltspunkt. Der Kläger, ein Rechtsanwalt, habe daher erhebliche Gründe nicht substantiiert dargelegt.
Zudem liege offensichtlich Prozessverschleppungsabsicht vor. Trotz gewährter Fristverlängerung und nachfolgender Setzung einer Ausschlussfrist habe der Kläger den Gegenstand des Klagebegehrens nicht i.S. von § 65 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bezeichnet. Das begründe die Überzeugung des FG, dass der Kläger nicht gewillt sei, seine Mitwirkungspflichten zu erfüllen.
Da der Kläger den Gegenstand des Klagebegehrens nicht bezeichnet habe, sei die Klage aus den Gründen des Gerichtsbescheides vom 26. November 2001, auf den Bezug genommen werde, unzulässig. Soweit der Kläger sich nach Ergehen des Gerichtsbescheides mit seinem Antrag auf mündliche Verhandlung erstmals gegen den Umfang der Schätzung gewandt habe, könne er wegen des Ablaufs der gesetzten Ausschlussfrist nicht mehr gehört werden.
Mit seinem am 28. März 2002 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Telefax beantragt der Kläger, ihm für die beabsichtigte Rechtsverfolgung gegen das ergangene Urteil PKH zu gewähren und zu seiner Vertretung den Rechtsanwalt X beizuordnen. Ebenfalls per Telefax ging am selben Tag die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein.
Der Kläger rügt die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Urteil gehe von einer Ladung am 23. Januar 2002 aus; die mündliche Verhandlung habe am 7. Februar 2002 stattgefunden. Da die Tage der Zustellung und des Verhandlungstermins nicht "mit zu zählen" seien, sei die Ladungsfrist von zwei Wochen gemäß § 91 Abs. 1 FGO nicht eingehalten worden. Ungeachtet dessen sei die Benachrichtigung über die Niederlegung der Ladung bei der Post falsch gewesen.
Er, der Kläger, habe die Ladung daher nicht abholen können. Er habe sich insoweit vergeblich an die Deutsche Post gewandt.
Infolge der zu kurzen Ladungsfrist seien auch die ehrenamtlichen Richter nicht die gewesen, die bei korrekter Ladung zuständig gewesen wären.
Weiter habe er, der Kläger, vor Ablauf der gesetzten Ausschlussfrist eine Fristverlängerung beantragt; dieser Antrag sei nicht beschieden worden, obwohl das nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung notwendig sei. Hier sei aber bereits in der Hauptsache so kurzfristig entschieden worden, dass nicht einmal die Ladungsfrist von zwei Wochen gewahrt worden sei.
Diese Formfehler könnten nicht weginterpretiert werden. Das angefochtene Urteil beruhe auch auf diesen Verfahrensfehlern. Der Kläger gibt weiter an, er sei krebskrank; bei ordnungsgemäßer Ladung hätte Rechtsanwalt X erscheinen können, bei dem sich auch die erforderlichen Unterlagen befänden.
Das FA hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist insofern wirksam gestellt, als er per Telefax übermittelt wurde; er hätte auch zu Protokoll einer Geschäftsstelle (§ 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 1, § 121 und § 129a der Zivilprozessordnung ―ZPO―) erklärt werden können. Der Senat geht weiter davon aus, dass die in den per Telefax übermittelten Schriftsätzen wiedergegebene Unterschrift die des Klägers ist. Ob indes die für einen wirksamen Antrag erforderliche Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers (§ 117 Abs. 2 ZPO) den an sie zu stellenden Anforderungen genügt, bleibt dahingestellt.
Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
1. Im Streitfall kann dahinstehen, ob der Kläger ausreichend dargelegt hat, dass er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der von ihm beabsichtigten Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Zweifel daran bestehen, weil die für einen wirksamen Antrag auf PKH notwendig beizufügende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 ZPO, ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. November 1998 XI S 13/98, BFH/NV 1999, 649) dem erkennenden Senat nicht im Original vorliegt und daher nicht sicher ist, ob der Kläger die Erklärung ―wie erforderlich― (BFH-Beschlüsse vom 31. August 1999 VIII B 29/99, BFH/NV 2000, 442; vom 25. Mai 1999 VII S 13/99, BFH/NV 2000, 51; vom 10. Juli 1997 XI S 9/97, BFH/NV 1998, 79) auch selbst unterzeichnet hat.
2. Jedenfalls verspricht das in erster Linie beabsichtigte und zunächst auch allein in Frage kommende Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde keine ausreichende Aussicht auf Erfolg. Die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
Entgegen seiner Darstellung ist der Kläger ausweislich der finanzgerichtlichen Akten rechtzeitig zu der auf den 7. Februar 2002 anberaumten mündlichen Verhandlung geladen worden. Das FG hat die Ladungsfrist von zwei Wochen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 FGO) eingehalten. Die Ladung zu der auf Donnerstag, den 7. Februar 2002, anberaumten mündlichen Verhandlung wurde lt. Postzustellungsurkunde am Mittwoch, dem 23. Januar 2002, durch Niederlegung bei der Deutschen Post AG, Filiale …, und Einwurf der Benachrichtigung in den Hausbriefkasten zugestellt (§ 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes ―VwZG― und § 182 ZPO). Die Zweiwochenfrist endete somit am Mittwoch, dem 6. Februar 2002 (§ 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und §§ 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―).
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG―, § 96 Abs. 2 FGO) ist auch nicht einmal ansatzweise dargetan oder sonst ersichtlich. Das FG hatte den Kläger in der Ladung darauf hingewiesen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne diesen verhandelt und entschieden werden könne. Dass der Kläger mit dem am 7. Februar 2002 beim FG noch vor dem Beginn der auf 14.00 Uhr angesetzten mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 6. Februar 2002 vorgebracht hat, er habe um 15.00 Uhr in der Praxis von … einen Operationstermin, auf den er sich vorbereiten müsse, sagt nichts dazu aus, ob tatsächlich erhebliche Gründe für eine Verlegung des Termins i.S. von § 227 ZPO vorlagen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2001 X B 12/01, juris, und vom 10. Oktober 2001 IX B 157/00, BFH/NV 2002, 365). Unerheblich ist auch das Vorbringen, die Ladung sei nicht rechtzeitig zugestellt worden. Da der Kläger nicht einmal die angeblich unrichtige Benachrichtigung über die Niederlegung der Ladung bei der Post vorgelegt hat, erübrigt es sich angesichts der Beweiskraft der Postzustellungsurkunde (dazu z.B. BFH-Beschluss vom 22. Januar 1998 XI S 42/97, BFH/NV 1998, 734) auch, auf diese Behauptung weiter einzugehen. Ob Benachrichtigungen in anderen Fällen unrichtig waren, ist hier unerheblich.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem eingereichten Terminzettel, auf dem für den 7. Februar 2002, 15.00 Uhr, der Begriff "Operation" markiert ist. Kommentarlos eingereichte Bescheinigungen genügen in der Regel nicht zur Glaubhaftmachung eines erheblichen Verhinderungsgrundes (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 15. Juni 2001 IV B 25/00, BFH/NV 2001, 1579). Auch wenn eine unvorhergesehene Erkrankung einen erheblichen Grund für eine Vertagung oder Verlegung eines Termins bilden und die Vorlage eines substantiierten privatärztlichen Attestes zur Glaubhaftmachung eines erheblichen Grundes ausreichen kann, liegt der Streitfall deutlich anders. Vor allem bei "in letzter Minute" eingehenden Anträgen auf Vertagung oder Verlegung eines Termins muss das Gericht selbst beurteilen können, ob der Beteiligte verhandlungsfähig bzw. verhindert ist oder nicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. August 1995 VII B 160/94, BFH/NV 1996, 228, und vom 14. Mai 1996 VII B 237/95, BFH/NV 1996, 902). Der Terminzettel ist nicht einmal unterschrieben. Zudem ist die Ablehnung der Vertagung oder Verlegung ermessensgerecht, wenn der betreffende Beteiligte seine gerichtliche Mitwirkungspflicht zuvor in erheblicher Weise verletzt hat, z.B. bei einer offensichtlichen Prozessverschleppungsabsicht, aber auch bei entsprechenden Verstößen im Veranlagungs- und Rechtsbehelfsverfahren sowie bei einer mangelnden Vorsorge bei einer bereits seit geraumer Zeit bestehenden Erkrankung (Senatsbeschlüsse vom 17. Mai 2000 IV B 86/99, BFH/NV 2000, 1353, und IV B 87/99, BFH/NV 2000, 1354, m.w.N.).
Unter diesem Umständen bietet die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht die notwendige hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger war, wie das FG zu Recht festgestellt hat, ordnungsgemäß geladen worden. Es spricht daher nichts für die Behauptung des Klägers in seinem Schreiben vom 6. Februar 2002 an das FG, er habe erst am 3. Februar 2002 durch einen Anruf bei der zuständigen Geschäftsstelle von der Ladung erfahren, zumal er diesen Vortrag in seinem Antrag auf Bewilligung von PKH nicht aufrechterhält. Außerdem fehlen jegliche Erläuterungen dazu, wann der Operationstermin vom 7. Februar 2002 vereinbart und dass er tatsächlich durchgeführt worden ist.
3. Angesichts der fehlenden Mitwirkung des Klägers im finanzgerichtlichen Verfahren liegt auch die vom FG angenommene Prozessverschleppungsabsicht nahe. Ausweislich der finanzgerichtlichen Akten hatte der damalige Berichterstatter den Kläger bereits mit Verfügung vom 5. September 1996 erfolglos aufgefordert, den Gegenstand des Klagebegehrens bis zum 15. Oktober 1996 zu bezeichnen. Mit Verfügung vom 5. September 2001 wurde der Kläger erneut aufgefordert, den Gegenstand des Klagebegehrens bis zum 10. Oktober 2001 zu bezeichnen. Diese Aufforderung wurde lt. Postzustellungsurkunde am 7. September 2001 bei der Deutschen Post AG, Filiale …, niedergelegt und die Benachrichtigung ―wie bei gewöhnlichen Briefen― in den Hausbriefkasten des Klägers eingelegt. Seitens des Klägers erfolgte zunächst nichts, insbesondere hat er keinen Fristverlängerungsantrag gestellt. Erst nachdem das FG die Klage durch den am 12. Dezember 2001 zugestellten Gerichtsbescheid abgewiesen hatte, machte der Kläger mit dem per Telefax beim FG am Montag, dem 14. Januar 2002, eingegangenen Antrag auf mündliche Verhandlung u.a. geltend, der in Höhe von 20 000 DM geschätzte Umsatz habe tatsächlich null DM betragen.
Ob danach die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung auch mutwillig i.S. von § 114 ZPO erscheint (s. insbesondere Senatsbeschluss vom 11. August 2000 IV B 27/00, IV B 28/00, BFH/NV 2001, 191), kann angesichts der bereits fehlenden Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels offen bleiben. Im Übrigen übersieht der Kläger, dass die nach § 116 FGO a.F. noch zulassungsfreie Revision abgeschafft wurde (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., Vor § 115 Rz. 31).
4. Die Entscheidung löst keine Gerichtskosten aus (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 4 und 5 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 959762 |
BFH/NV 2003, 1187 |