Entscheidungsstichwort (Thema)
Guthabenzinsen aus einem Bausparvertrag als Einkünfte aus Kapitalvermögen
Leitsatz (NV)
1. Die Rechtsfrage, ob Guthabenzinsen aus einem Bausparvertrag in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung stehen, wenn das angestrebte Bauspardarlehen zur Finanzierung der Anschaffungskosten eines Hauses eingesetzt werden soll, dessen Eigentümer nicht der Gläubiger der Bausparzinsen, sondern dessen Ehegatte ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
2. Ein Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO kann nur mit der zulassungsfreien Verfahrensrevision, nicht auch mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision geltend gemacht werden.
Normenkette
FGO §§ 94a, 115 Abs. 2, § 116 Abs. 1 Nr. 3; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 3, § 21
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden.
In der Einkommensteuererklärung 1990 erklärten die Kläger Guthabenzinsen aus einem im Jahre 1978 abgeschlossenen Bausparvertrag des Klägers in Höhe von 1 048 DM als Einnahmen aus Kapitalvermögen. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA --) folgte der Erklärung bei der Einkommensteuerveranlagung der Kläger insoweit nicht und erfaßte die Gut habenzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, weil die Zinsen in engem Zusammenhang mit der Anschaffung eines Anteils an einem Zweifamilienhaus in A. stünden, den die Klägerin zur Hälfte von ihrem Vater geerbt und zur anderen Hälfte von dem Miterben aufgrund einer im Streitjahr geschlossenen Auseinandersetzungsvereinbarung erworben hatte. Die Klägerin hatte nach diesem Vertrag an den Miterben 125 000 DM zu zahlen. Dieser Betrag wurde bei Auszahlung des auf den Kläger lautenden Bausparvertrages fällig, spätestens aber am 31. Dezember 1991. Die Klägerin zahlte an den Miterben ab 1. Februar 1990 monatlich 300 DM Zinsen. Der Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage der Kläger ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung stattgegeben. Im Streitfall könnten die Einzahlungen des Klägers auf den Bausparvertrag nicht als Maßnahmen der Klägerin für eine Kreditbeschaffung mit dem Zweck der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beurteilt werden. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, der das FG nicht abgeholfen hat, rügt das FA die Verletzung des § 90 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FA trägt zur Begründung vor, der Prozeßbevollmächtigte der Kläger habe in der Klageschrift vom 21. Oktober 1991 sinngemäß einen Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß § 94 a Satz 2 FGO gestellt, denn er habe erklärt, "in der mündlichen Verhandlung werde ich beantragen ... ". Das FG habe deshalb nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen; die Beteiligten hätten nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Darin liege auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das FG habe völlig über raschend ohne mündliche Verhandlung entschieden, ohne den Beteiligten zuvor Gelegenheit zu geben, abschließend zur Sache Stellung zu nehmen. Das Urteil leide an einem weiteren Verfahrensmangel, weil das FG seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen verletzt habe.
Die Revision sei schließlich wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zuzulassen. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob ein wirtschaftlicher Zusammenhang von Guthabenzinsen aus einem Bausparvertrag mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch dann zu bejahen sei, wenn der Gläubiger der Bausparzinsen (Ehemann) mit der Schuldnerin der bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigenden Schuldzinsen (Ehefrau) zusammenveranlagt werde. Diese Frage sei klärungsbedürftig, weil sich aufgrund der am 1. Januar 1993 deutlich erhöhten Sparerfreibeträge ein steuerliches Gestaltungsmodell ergäbe, wenn man der Auffassung des FG im angefochtenen Urteil folge: Die Guthabenzinsen in der Ansparphase seien dann regelmäßig steuerfreie Einnahmen aus Kapitalvermögen bei einem der Ehegatten, während nach der Zuteilung des Bauspardarlehens bei der -- im Normalfall gegebenen -- Verpflichtung beider Ehegatten als Gesamtschuldner die Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden könnten. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage sei auch deshalb zu bejahen, weil die Rechtsauffassung des FG in Widerspruch zu dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 28. Februar 1990 (BStBl I, 124) stehe.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
I. Der Senat läßt offen, ob das FA den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO i. S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO ausreichend dargelegt hat. Eine Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt jedenfalls nicht in Betracht, weil die Beschwerde insoweit unbegründet ist. Die streitige Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und einheitlichen Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Rechtsfrage, ob Guthabenzinsen aus einem Bausparvertrag in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung stehen, wenn das angestrebte Bauspardarlehen zur Finanzierung der Anschaffungskosten eines Hauses eingesetzt werden soll, dessen Eigentümer nicht der Gläubiger der Bausparzinsen, sondern dessen Ehegatte ist, ist nicht klärungsbedürftig. Die streitige Rechtsfrage kann ohne weiteres aufgrund der vorliegenden Rechtsprechung des BFH zur steuerrechtlichen Beurteilung von Zinseinnahmen aus einem Bausparvertrag beantwortet werden.
Der BFH hat wiederholt ausgesprochen, daß Guthabenzinsen aus Bauspardarlehen grundsätzlich zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --), sofern sie nicht nach § 20 Abs. 3 EStG einer anderen Einkunftsart zuzurechnen sind (BFH-Urteile vom 9. November 1982 VIII R 188/79, BFHE 137, 300, BStBl II 1983, 172; vom 9. November 1982 VIII R 198/81, BFHE 137, 304, BStBl II 1983, 297; vom 8. Februar 1983 VIII R 163/81, BFHE 138, 202, BStBl II 1983, 355; vom 8. Dezember 1992 VIII R 78/89, BFHE 169, 442, BStBl II 1993, 301). Guthabenzinsen aus Bausparverträgen sind gemäß § 20 Abs. 3 EStG bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, wenn sie mit einer Verwirklichung des Tatbestands der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (Urteile in BFHE 137, 300, BStBl II 1983, 172, und in BFHE 137, 304, BStBl II 1983, 297). Im Streitfall ist nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Guthabenzinsen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung nicht gegeben, da der Kläger die nach Zuteilungsreife des Bausparvertrages auszuzahlenden Bauspardarlehen nicht zur Begründung der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwenden wollte. Vielmehr hat lediglich die Klägerin als Eigentümerin des Zweifamilienhauses in A. Einkünfte aus der Vermietung dieses Hauses erzielt. Der Zuordnung des Bausparguthabens zum Kapitalvermögen des Klägers steht nicht entgegen, daß er (nach Zuteilung des Bausparvertrages) das Bauspardarlehen der Klägerin zur Tilgung ihrer Verbindlichkeit aus der Auseinandersetzungsvereinbarung (entgeltlich oder unentgeltlich) zur Verfügung stellen wollte. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung kann nur erzielen, wer den Tatbestand der Einkunftsart des § 21 EStG (Vermietertätigkeit) erfüllt (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 21 Rz. 5). Die Tatbestandsverwirklichung durch die Klägerin (Ehefrau) ist dem Kläger (Ehemann) bei der Einkommensbesteuerung nicht zuzurechnen. Auch im Falle der Zusammenveranlagung sind die von den Ehegatten erzielten Einkünfte für jeden von ihnen getrennt zu ermitteln (Schmidt/Seeger, a.a.O., § 26 b Rz. 2 f.).
Die Revision ist entgegen der Ansicht des FA auch nicht wegen Abweichung des angefochtenen Urteils von dem Schreiben des BMF in BStBl I, 124 zuzulassen. In diesem Schreiben hat sich der BMF hinsichtlich der Behandlung von Zinsen auf Bausparguthaben der oben erwähnten Rechtsprechung des BFH angeschlossen. Der hier zu beurteilende Fall ist in dem BMF-Schreiben nicht behandelt.
Eine grundsätzliche Bedeutung kommt der vorliegenden Rechtssache auch nicht im Hinblick auf die ab 1. Januar 1993 erhöhten Freibeträge bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu.
Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Klägerin nach Zuteilung des Bausparvertrages an die Bausparkasse oder an den Kläger gezahlte Darlehenszinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen kann, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.
II. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen, weil das FA keinen Verfahrensmangel i. S. dieser Vorschrift schlüssig gerügt hat.
1. Die Rüge, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler, weil das FG unter Verletzung des § 94 a Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entschieden habe, ist unzulässig.
Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein in § 116 Abs. 1 FGO genannter Verfahrensmangel nur mit der zulassungsfreien Verfahrensrevision, nicht aber auch mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 3 FGO geltend gemacht werden (BFH-Beschluß vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679).
Mit der Behauptung, das FG habe zu Unrecht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden, rügt das FA als wesentlichen Verfahrensmangel, daß es im Verfahren nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten war (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO). Ein Verfahrensmangel im Sinne dieser Vorschrift ist u. a. dann anzunehmen, wenn das FG irrtümlich einen Verzicht auf mündliche Verhandlung angenommen und unter Verstoß gegen § 90 Abs. 1 und Abs. 2 FGO durch Urteil entschieden hat (BFH-Urteil vom 25. August 1982 I R 120/82, BFHE 136, 518, BStBl II 1983, 46). Gleiches gilt, wenn das FG -- wie im Streitfall -- im Anwendungsbereich des § 90 a FGO übersehen hat, daß ein Beteiligter die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat (BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679; BFH-Beschluß vom 13. August 1986 VI R 152/85, BFH/NV 1987, 50; Urteil vom 11. August 1987 IX R 135/83, BFHE 151, 297, BStBl II 1988, 141).
Obwohl nach dem Vortrag des FA ein Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO zu bejahen ist, kann die Beschwerde keinen Erfolg haben. Denn eine Umdeutung der Nichtzulassungsbeschwerde in eine zulassungsfreie Revision ist wegen der Eindeutigkeit des eingelegten Rechtsbehelfs und wegen der erheblichen Unterschiede beider Verfahrensarten nicht möglich (BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679, m. w. N.).
2. Unzulässig ist auch die weitere Rüge, das FG habe das rechtliche Gehör der Beteiligten verletzt, weil es vor einer Entscheidung den Beteiligten nicht mitgeteilt habe, daß es nach § 94 a FGO verfahren wolle. Diese Rüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das Gesetz das FG nicht verpflichtet, die Beteiligten vorab darauf hinzuweisen, daß es von der Entlastungsvorschrift des § 94 a FGO Gebrauch machen werde (BFH-Beschluß vom 10. Januar 1995 IV B 90/94, BFH/NV 1995, 802, m. w. N.).
3. Soweit das FA geltend macht, das FG habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen verletzt (§ 76 FGO), weil es keine Feststellungen darüber getroffen habe, aus welchen Mitteln die im Auseinandersetzungsvertrag vereinbarte Zahlung von 125 000 DM geleistet worden sei, kann der Senat offenlassen, ob es auf der Grundlage der maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des FG (vgl. BFH- Urteil vom 10. November 1994 IV R 15/93, BFHE 176, 535, BStBl II 1995, 452) für die Entscheidung des Streitfalls auf diese Feststellung ankam. Denn die Rüge greift schon deshalb nicht durch, weil die Bezeichnung des Verfahrensmangels nicht den formellen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht. Für eine ordnungsgemäße Rüge hätte das FA u. a. darlegen müssen, welche Beweismittel das FG nicht erhoben hat und weshalb sich ihm diese (weitere) Beweiserhebung -- auch ohne besonderen Antrag -- als noch erforderlich hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluß vom 26. März 1993 III S 42/92, BFHE 171, 164, BStBl II 1993, 723, m. w. N.). Daran fehlt es im Streitfall.
Fundstellen
Haufe-Index 421448 |
BFH/NV 1996, 745 |