Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB; Liebhaberei beim Betrieb einer Galerie
Leitsatz (NV)
- Die Grundsätze der Beweiswürdigung, zu denen auch allgemeine Erfahrungssätze gehören, werden revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zugeordnet. Ist ein behaupteter allgemeiner Erfahrungssatz dem erkennenden BFH-Senat nicht bekannt, so ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ihn zu ermitteln. Die Ermittlung eines solchen Erfahrungssatzes obliegt vielmehr vorrangig dem Tatrichter.
- Zur Gewinnerzielungsabsicht bei anhaltenden Verlusten aus einer Gemäldegalerie.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 2; FGO § 76 Abs. 1, §§ 96, 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 3
Nachgehend
Gründe
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, teils weil der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) seiner Darlegungspflicht (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) nicht nachgekommen ist, teils weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht gegeben sind.
1. Von vornherein unbeachtlich ist das Beschwerdevorbringen, soweit es sich in Einwänden gegen die Richtigkeit der dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Rechtsauffassung erschöpft, da derartige Angriffe revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 21. Mai 1999 X B 212/98, BFH/NV 1999, 1582; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 115 Rz. 58 und 62 f., jeweils m.w.N.). Desgleichen kann der Kläger mit Einwendungen gegen die Beweiswürdigung des Finanzgerichts (FG) in diesem Verfahren nicht gehört werden; denn auch dieser Vortrag ist revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Nachprüfung durch den BFH im Rahmen eines Verfahrensmangels grundsätzlich entzogen (Senatsbeschluss vom 18. Dezember 1998 X B 95/98, BFH/NV 1999, 811; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 28, m.w.N.). Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze sind in der Regel dem materiellen Recht zuzuordnen, und zwar auch dann, wenn der behauptete Verstoß sich nicht auf die rechtliche Subsumtion, sondern auf die Würdigung von Tatsachen erstreckt (z.B. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 1998 X B 132/98, BFH/NV 1999, 510; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 29).
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Grundsätze der Beweiswürdigung, zu denen auch allgemeine Erfahrungssätze gehören, werden revisionsrechtlich grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zugeordnet. Ein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine verlustreiche Geschäftstätigkeit unter dem Stichwort "too much invested to quit" individual- und sozialpsychologisch erklärt werden könnte, ist dem Senat nicht bekannt. Es ist auch nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, derartige Grundsätze zu ermitteln. Sollte die vom Kläger behauptete innere Wirkursache ―vorliegend unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Gewinnerzielungsabsicht― im Einzelfall entscheidungserheblich sein, obliegt es primär dem Tatrichter, hierüber Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens; das hat der Kläger vor dem FG nicht beantragt. Er trägt nunmehr selbst vor, dass die "Erklärungen für das objektiv unwirtschaftliche Verhalten vielfältig" sind.
3. Eine Abweichung vom BFH-Urteil vom 22. April 1998 XI R 10/97 (BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663) liegt nicht vor. Das FG (Urteil S. 14 unten) ist unter Bezugnahme auf das Urteil vom 2. August 1994 VIII R 55/93 (BFH/NV 1995, 866) ausdrücklich von demselben Rechtssatz ausgegangen wie der XI. Senat. Es hat weiterhin in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung angenommen, dass längere Verlustperioden für sich allein gesehen nicht ausreichen, um eine Betätigung als Liebhaberei anzusehen und dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen. Mit den von Rechts wegen erforderlichen weiteren Anzeichen, welche die Feststellung ermöglichen, dass der Kläger die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausgeübt hat, befasst sich das FG auf S. 18 f. seines Urteils. Eine Abweichung vom BFH-Urteil vom 15. November 1984 IV R 139/81 (BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205) liegt nicht schon deshalb vor, weil das FG im Rahmen seiner Beweiswürdigung der Neuausrichtung der Galerie auf ein anderes Marktsegment nicht die vom Kläger beanspruchte Bedeutung beigemessen hat.
4. Die Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht nachkommt oder Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt (Senatsbeschluss vom 6. November 1997 X B 46/97, BFH/NV 1998, 602, unter 3.), insbesondere wenn es bei seiner Überzeugungsbildung eine nach Aktenlage feststehende Tatsache unberücksichtigt lässt bzw. bei seiner Entscheidung vom Nichtvorliegen einer solchen Tatsache ausgeht (sog. Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten). Die schlüssige Rüge eines solchen Verfahrensfehlers setzt u.a. die Darlegung voraus, dass ein von den Beteiligten vorgetragener oder aus den Akten ersichtlicher Sachverhalt vom FG nicht zur Kenntnis genommen worden ist (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 17. Juni 1997 X B 193/96, BFH/NV 1997, 794). Der Beschwerdeführer muss substantiiert darlegen, dass die Vorentscheidung unter Zugrundelegung der von ihr vertretenen materiell-rechtlichen Auffassung möglicherweise anders getroffen worden wäre, wenn dem FG der gerügte Verfahrensfehler nicht unterlaufen wäre. Kein Verfahrensfehler ist dagegen die fehlerhafte Würdigung des Beteiligtenvorbringens oder eines erhobenen Beweises durch das FG, es sei denn, es hätte falsche Beweisregeln angewendet (BFH-Beschluss vom 12. September 1996 X B 76/96, BFH/NV 1997, 246).
Das FG hat den Vortrag des Klägers zu den Marktchancen der von ihm vertriebenen Stilrichtung zur Kenntnis genommen und die diesbezügliche unter Beweis gestellte Behauptung als wahr unterstellt, weil es davon ausgegangen ist, dass das Unternehmen aufgrund der Betriebsführung durch den Kläger auf Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten konnte (Urteil S. 16 Mitte). Die in diesem Zusammenhang vom FG u.a. angestellten Erwägungen zu Art und Umfang des persönlichen Arbeitseinsatzes des Klägers sind selbst dann, wenn sie sachlich falsch sein sollten, nicht verfahrensfehlerhaft. Des Weiteren hat der Kläger nicht dargelegt, was aus seinem Vortrag zur Verkäuflichkeit der in der Bilanz zum 31. Dezember 1994 ausgewiesenen Bilder und Grafiken in materiell- und verfahrensrechtlicher Hinsicht zu folgern sein könnte. Auch hinsichtlich des übrigen Sachvortrags (u.a. Zeitaufwand für die Veräußerung des im Jahre 1989 vorhandenen Bestandes an Grafiken, Förderung eines Museums) fehlen Ausführungen zur Erheblichkeit des gerügten Verfahrensmangels.
5. Im Übrigen ergeht der Beschluss gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 508877 |
BFH/NV 2000, 1458 |