Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Unterscheidung zwischen Einspruch, bedingtem Einspruch und Antrag auf schlichte Änderung
Leitsatz (NV)
Ein Antrag auf schlichte Änderung nach § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO, der für den Fall, daß das Finanzamt ihm nicht stattgibt, mit einem Einspruch verbunden wird, ist jedenfalls für die Geltungsdauer der Reichsabgabenordnung in der Regel als ein Einspruch auszulegen, der nicht in unzulässiger Weise unter einer Bedingung eingelegt worden ist (Ergänzung der Gründe des Beschlusses zur Vorlage an den Großen Senat vom 22. 9. 1987 IX R 101/82, BFHE 150, 576 und 152, 304, BStBl II 1987, 863 und 1988, 541, BFH / NV 1988, 248).
Normenkette
AO § 94 Abs. 1 Nr. 2; EGAO 1977 Art. 97 § 1 Abs. 1, § 18 Abs. 1; AO 1977 § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a. i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes vom 19. 12. 1985 (BGBl I, Nr. 2 Buchst. 2436); FGO § 44 Abs. 1
Gründe
Die Gründe des Beschlusses vom 22. September 1987 IX R 101/82 (BFHE 150, 576 und 152, 304, BStBl II 1987, 863 und II 1988, 541) werden wie folgt ergänzt:
Der vorlegende Senat hält die Sachentscheidungsvoraussetzung der Erfolglosigkeit des außergerichtlichen Rechtsbehelfs der Kläger (§ 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) für erfüllt. Die Kläger haben mit Schreiben vom 2. August 1976 ordnungsgemäß Einspruch beim Finanzamt eingelegt.
Dieses hat ihren Rechtsbehelf mit Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 1976 als unbegründet zurückgewiesen.
Der Annahme eines wirksamen Einspruchs steht nicht entgegen, daß die Kläger unter dem 2. August 1976 geschrieben haben: ,,Wir stellen hiermit den Antrag auf schlichte Änderung . . . Sollten Sie unserem Antrag auf schlichte Änderung nicht stattgeben, so bitten wir, dieses Schreiben als Einspruch gegen Ihren Einkommensteuerbescheid 1974 vom 27. 7. 1976 zu verstehen." Dieses Schreiben läßt sich entgegen seinem Wortlaut nicht dahin auffassen, daß die Kläger ihren Einspruch unter einer Bedingung eingelegt haben. Der vorlegende Senat legt das Schreiben der Kläger vielmehr dahin aus, daß diese in erster Linie Einspruch einlegen, sich aber auch mit einer schlichten Änderung i. S. des im Jahre 1976 noch geltenden § 94 Abs. 1 Nr. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) einverstanden erklären wollten.
Die Kläger haben nämlich in ihrem Schreiben vom 2. August 1976 klar zum Ausdruck gebracht, daß sie sich durch den Steuerbescheid des FA beschwert fühlten und einen Anspruch auf eine sachliche Prüfung ihrer Beanstandung durch das FA erlangen wollten. Einen solchen Anspruch konnten sie nur dadurch erwerben, daß sie rechtzeitig Einspruch einlegten. Dies haben sie mit ihrem Schreiben vom 2. August 1976 ausdrücklich getan. Eine schlichte Änderung zu ihren Gunsten nach § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO hingegen konnten sie nur bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfrist erreichen.
Der vorlegende Senat stützt sich bei seiner Beurteilung des Schreibens der Kläger vom 2. August 1976 auf die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. April 1967 VI 389/65 (BFHE 88, 314, BStBl III 1967, 382). Der BFH hat dort mit entsprechenden Erwägungen sogar einen bloßen Antrag auf Änderung nach § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO als Rechtsbehelf ausgelegt (ebenso Einführungserlaß zur AO 1977 zu § 172 Nr. 2 Satz 3, BStBl I 1976, 576, 610). Eine solche Erklärung muß nach seiner Auffassung im allgemeinen als Rechtsbehelf betrachtet werden, um zugunsten des Steuerpflichtigen den Eintritt der Bestandskraft aufzuhalten.
Ob nunmehr auf Grund des § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I, 2436) etwas anderes gilt, kann hier dahinstehen. Denn das Schreiben der Kläger vom 2. August 1976 ist nach der damals noch geltenden AO zu beurteilen (vgl. Art. 97 § 1 Abs. 1 und § 18 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung).
Fundstellen
Haufe-Index 415890 |
BFH/NV 1989, 10 |