Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH: Klage gegen Haftungsbescheid
Leitsatz (NV)
Zur Frage der Prozeßkostenhilfe für eine Klage gegen einen Haftungsbescheid, der auf Feststellungen der Steuerfahndungsstelle, der strafrechtlichen Verurteilung des Haftungsschuldners wegen Steuerhinterziehung und seinem Geständnis im Strafverfahren beruht.
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114
Tatbestand
Der Antragsteller, Beschwerdeführer und Kläger (Kläger) war Geschäftsführer von zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), die nach den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts X illegale Arbeitnehmerüberlassung betrieben. Zeitweilig führte der Kläger die Geschäfte der einen GmbH auch für seinen zum Geschäftsführer bestellten Bruder, der sich im Ausland aufhielt. Nach den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle ergaben sich erhebliche Lohnsteuernachforderungen, die mangels anderer Anhaltspunkte entsprechend den Umsätzen der beiden Firmen diesen zugeordnet wurden. Das beklagte Finanzamt (FA) nahm den Kläger durch Haftungsbescheid gemäß §§ 34, 35, 69 und 71 der Abgabenordnung (AO 1977) für einen Lohnsteuerbetrag in Höhe von 370 000 DM in Anspruch, der im Einspruchsverfahren wegen Tilgung des Differenzbetrages auf 170 000 DM herabgesetzt wurde. Die Strafkammer des Landgerichts Z verurteilte den Kläger wegen Verkürzung von Lohnsteuer und Betrugs zu Lasten der AOK zu einer Freiheitsstrafe von ... und den steuerlichen Berater der beiden GmbH wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
Den Antrag des Klägers, ihm für seine Klage gegen den Haftungsbescheid Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen, lehnte das Finanzgericht (FG) mangels hinreichender Aussicht des Rechtsmittels auf Erfolg im wesentlichen mit folgender Begründung ab:
Nach dem angefochtenen Haftungsbescheid hafte der Kläger u. a. gemäß § 71 AO 1977 wegen Steuerhinterziehung. Er habe nach den Feststellungen im Steuerfahndungsbericht Lohnsteuern verkürzt, indem er durch vorsätzliche Manipulationen verschleiert habe, daß den überlassenen Arbeitnehmern Löhne ausgezahlt wurden, für die keine Lohnsteuern beim FA angemeldet und abgeführt wurden. Damit habe er eine vollendete Steuerhinterziehung i. S. des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 begangen. Entgegen der Auffassung des Klägers sei es unerheblich, ob er den Straftatbestand als Geschäftsführer der einen oder der anderen GmbH oder in Vollmacht für seinen Bruder als Geschäftsführer einer GmbH verwirklicht habe. Für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids sei es auch unerheblich, ob und in welchem Umfang die überlassenen Arbeitnehmer für die eine oder für die andere GmbH tätig wurden. Entscheidend sei allein, daß der Kläger durch sein Handeln dafür gesorgt habe, daß Lohnsteuer in der nachgeforderten Höhe verkürzt wurde.
Soweit der Kläger die Feststellungen im Steuerfahndungsbericht in Frage stelle, seien die Ausführungen wenig substantiiert. Jedenfalls seien sie durch sein Geständnis im Strafverfahren hinfällig geworden. In diesem Zusammenhang habe der Kläger selbst vorgetragen, daß das Urteil gegen den steuerlichen Berater der beiden GmbH wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ebenfalls auf seinem Geständnis beruhe. Im Tatbestand dieses Urteils werde festgestellt, daß der Kläger das System zur Verschleierung der unversteuert ausgezahlten Löhne auch in die Buchhaltung der später gegründeten GmbH übernommen habe. Die Auffassung des Klägers, das Geständnis könne im vorliegenden Verfahren keine Bedeutung haben, sei daher nicht nachzuvollziehen. Vielmehr habe das Gericht aufgrund dieses Geständnisses davon ausgehen können, daß die Feststellungen in den Strafurteilen zutreffend seien.
Mit der Beschwerde gegen den PKH-Beschluß des FG macht der Kläger geltend, die Steuerfahndungsstelle habe aufgrund einiger, in der Anfangsphase einer neuen Firma normalerweise immer wieder auftretender Fehler zu Unrecht darauf geschlossen, daß die neue Firma, die nach wie vor bestrittene illegale Überlassung von Arbeitnehmern fortführen wollte. Bei den Unterlagen, die eine Arbeitnehmerüberlassung nachweisen sollten, habe es sich um reine Kalkulationsunterlagen gehandelt, die mit den tatsächlich geleisteten Stunden oder Überstunden nichts zu tun hätten. Die Steuerfahndungsstelle habe aus diesen falschen Grundlagen überhöhte durchschnittliche Löhne ermittelt, wodurch sich ein unversteuerter Teil der Löhne und die geltend gemachte Steuernachforderung ergebe. Die Steuerfahndung habe aber nicht nachgewiesen, aus welchen Mitteln die Firma diese Gelder gezahlt habe.
Die Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Firmen sei entgegen den Feststellungen der Steuerfahndung möglich gewesen. Es müsse auch berücksichtigt werden, daß das beklagte FA bei einer kurz zuvor durchgeführten Lohnsteuerprüfung zu völlig anderen Ergebnissen gelangt sei. Da eine klare Zuständigkeit für das beklagte FA bestanden habe, sei die Steuerfahndungsstelle des FA X nicht zuständig gewesen. Das Geständnis im Strafverfahren entspreche nicht den Tatsachen und könne nicht verwertet werden, da es der Kläger zum damaligen Zeitpunkt nur abgelegt habe, um Ruhe zu bekommen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung erhält ein Beteiligter PKH, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung verspricht in diesem Sinne hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn hierfür bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Dies ist anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Zumindest hat der Antragsteller die hinreichende Erfolgsaussicht als Voraussetzung der Bewilligung einer PKH schlüssig -- ggf. mit Beweisantritten -- darzulegen (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. April 1993 VI B 162/92, BFH/NV 1993, 682, m. w. N.). Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, sind die vorstehenden Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH im Streitfall nicht erfüllt.
Aufgrund des Vorbringens des Klägers im Klageverfahren und im vorliegenden Beschwerdeverfahren kann bei summarischer Prüfung nicht davon ausgegangen werden, daß eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der beim FG anhängigen Klage besteht.
Der Kläger hat gegen die Feststellungen der Steuerfahndungsstelle, auf denen der angefochtene Lohnsteuerhaftungsbescheid beruht, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nur unsubstantiierte Einwendungen erhoben.
Für die Richtigkeit dieser Tatsachenfeststellungen und ihrer rechtlichen Beurteilung als Steuerhinterziehung durch den Kläger spricht auch die in der Vorentscheidung angeführte strafrechtliche Verurteilung des Klägers zu einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe sowie des steuerlichen Beraters der beiden GmbH wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Auch nach den Feststellungen im Strafurteil hat der Kläger mit der von ihm vertretenen GmbH den illegalen Verleih von Arbeitnehmern betrieben und Lohnsteuer dadurch verkürzt, daß nur ein Teil der geleisteten Arbeitsstunden der Lohnsteuerberechnung zugrunde gelegt und Lohnanteile zu Unrecht als Auslösung oder Urlaubsgeld steuerfrei ausgezahlt worden sind, wobei der Kläger Unterlagen gefälscht und die unversteuert ausgezahlten Löhne in der Buchhaltung verschleiert hat.
Auch aufgrund des Geständnisses des Klägers kann der Senat davon ausgehen, daß die dem Steuerfahndungsbericht und den Strafurteilen zugrundeliegenden Feststellungen den Tatsachen entsprechen. Die unsubstantiierte Behauptung, das Geständnis sei nur abgelegt worden, "um Ruhe zu bekommen", erscheint angesichts der mehrjährigen Freiheitsstrafe, die dem Kläger im Falle der strafgerichtlichen Verurteilung drohte, nicht nachvollziehbar.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens in der Beschwerdeschrift, Arbeitnehmerüberlassung sei überhaupt nicht betrieben worden, die Steuerfahndung habe aus falschen Grundlagen überhöhte Durchschnittslöhne errechnet und Arbeitnehmer der GmbH seien als Zeugen zur Unterschrift bezüglich nichtverstandener Aussagen gezwungen worden, fehlt es an jeglicher Konkretisierung und Beweisführung durch den Kläger.
Das beklagte FA hat im Beschwerdeverfahren Unterlagen -- Schriftsätze der beiden GmbH und ihrer Auftraggeber, Niederschriften über Zeugenvernehmung von Arbeitnehmern -- vorgelegt, aus denen ins besondere wegen der Abrechnung der geleisteten Arbeiten auf der Grundlage von Zeiteinheiten und der Umstände der Arbeitsleistung und der Weisungserteilung an die Arbeitnehmer gefolgert werden kann, daß trotz des Abschlusses von Werkver trägen die tatsächliche Durchführung der Aufträge nach den Merkmalen der Arbeitnehmerüberlassung erfolgte. Da die vom Kläger vertretenen Firmen nach Zeitaufwand und Stundennachweis abrechneten, kann nach der dem Senat im vorliegenden Verfahren zugänglichen Beweislage nicht davon ausgegangen werden, daß die von der Steuerfahndungsstelle vorgefundenen Unterlagen lediglich der firmeninternen Kalkulation dienten.
Die Zuordnung der Arbeitnehmer zu der einen oder anderen GmbH ist nicht entscheidungserheblich, da der Kläger unabhängig von seiner rechtlichen Stellung als GmbH-Geschäftsführer wegen Steuerhinterziehung (§ 71 AO 1977) in Anspruch genommen worden ist.
Für den vorliegenden PKH-Antrag kann, entgegen dem Beschwerdevorbringen, auch nicht darauf abgestellt werden, daß das beklagte FA aufgrund einer vorangegangenen Lohnsteuer-Außenprüfung in Unkenntnis der Sachverhalte, die durch die Steuerfahndungsprüfung aufgedeckt wurden, zu anderen Ergebnissen gelangte, als sie dem an gefochtenen Haftungsbescheid zugrunde liegen. Schließlich ist bei der vorliegenden summarischen Prüfung mit dem FG und dem beklagten FA davon auszugehen, daß die Steuerfahndungsstelle des FA X nach § 24 AO 1977 deshalb für die Durchführung der Fahndungsprüfung zuständig war, weil in ihrem Bezirk der Anlaß für die Amtshandlung hervorgetreten ist. Den angefochtenen Haftungsbescheid, um dessen Rechtswidrigkeit im Klageverfahren gestritten wird, hat jedenfalls das beklagte FA, dessen Zuständigkeit auch vom Kläger nicht bestritten wird, erlassen. Das FG hat dem Kläger somit zu Recht die beantragte PKH versagt.
Fundstellen
Haufe-Index 421036 |
BFH/NV 1996, 291 |