Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Anforderungen an das Wiedereinsetzungsgesuchim Falle plötzlicher Krankheit
Leitsatz (NV)
1. Hat der Kläger die Frist für die Begründung der Revision versäumt, reicht es für die Nachholung dieser Rechtshandlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nicht aus, wenn er einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist stellt (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 1. Dezember 1986 GrS 1/85, BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264).
2. Trägt ein Prozeßbevollmächtigter vor, er sei -- wegen einer plötzlichen schweren Erkrankung seiner Ehefrau -- ohne sein Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert gewesen, muß er substantiiert darlegen, welche Krankheit zu welchem Zeitpunkt plötzlich aufgetreten ist und wann das Hindernis weggefallen ist.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 2, § 120 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG), das seinem Prozeßbevollmächtigten am 7. Juni 1995 zugestellt worden ist, die vom FG zugelassene Revision eingelegt. Die Frist zur Begründung der Revision wurde zweimal, zuletzt bis zum 2. Oktober 1995, verlängert. Eine Revisionsbegründung ist innerhalb dieser Frist nicht eingegangen. Der Senatsvorsitzende teilte dem Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 25. Oktober 1995 unter Hinweis auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit, daß die Revisionsbegründungsfrist am 2. Oktober 1995 abgelaufen sei. Dieses Schreiben wurde dem Prozeßbevollmächtigten am 30. Oktober 1995 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 13. November 1995, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und bat zugleich, die Frist für die Begründung der Revision bis zum 15. Dezember 1995 zu verlängern. Zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung trug der Prozeßbevollmächtigte vor, aufgrund einer plötzlichen schweren Erkrankung seiner Ehefrau habe er "einige Tage" seinen Bürodienst "nicht und bis dato nur sporadisch ausüben" können. Durch dieses unvorhergesehene Ereignis habe er versäumt, eine weitere Fristverlängerung für die Revisionsbegründung zu beantragen.
Mit Schreiben vom 15. November 1995 teilte der Senatsvorsitzende dem Prozeßbevollmächtigten mit, daß nach § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO die Revisionsbegründung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist hätte eingereicht werden müssen. Hierauf erwiderte jener mit einem am 8. Dezember 1995 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz, die Zeit zwischen dem Wegfall des Hindernisses und dem Fristende habe für die Anfertigung der Revisionsbegründung nicht ausgereicht. Wegen der Versäumung der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO sei daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des FG-Urteils den angefochtenen Bescheid in der Weise zu ändern, daß sein Veräußerungsgewinn um 148 480 DM und der seiner Ehefrau um 64 200 DM gekürzt wird.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist wegen Versäumung der Frist für die Begründung der Revision unzulässig. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden.
Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Der Kläger hat die gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO verlängerte Revisionsbegründungsfrist versäumt. Sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
a) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 56 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 FGO). Auch wegen Versäumung der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) kann, worauf der Kläger zutreffend hinweist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (vgl. Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 1985 5 C 33/85, Deutsches Verwaltungsblatt 1986, 287; Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 56 FGO Rdnr. 3).
b) Dem Kläger kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist nicht gewährt werden. Er hat es entgegen § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO unterlassen, die versäumte Rechtshandlung -- hier: die Begründung der Revision -- nachzuholen. Der Antrag seines Prozeßbevollmächtigten auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist reichte für die Nachholung der versäumten Rechtshandlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nicht aus (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 1. Dezember 1986 GrS 1/85, BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264; Beschlüsse vom 4. November 1988 V R 117/87, BFH/NV 1989, 642; vom 2. August 1991 III R 34/91, BFH/NV 1992, 398).
c) Allerdings trägt der Kläger vor, er sei ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen, die Revisionsbegründung innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO einzureichen, so daß ihm wegen Versäumung auch dieser Frist Wiedereinsetzung zu gewähren sei. Indes hat er nicht alle hierfür erheblichen Tatsachen innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des behaupteten Hindernisses -- plötzliche schwere Erkrankung der Ehefrau des Prozeßbevollmächtigten -- substantiiert und in sich schlüssig dargelegt (vgl. zur Darlegungspflicht BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 1993 X R 82/92, BFH/NV 1993, 611; vom 22. Dezember 1994 X R 236/93, BFH/NV 1995, 702, jeweils mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung). Sein diesbezügliches Vorbringen, das Gegenstand der von ihm angebotenen Glaubhaftmachung sein könnte, ist inhaltlich unbestimmt. Weder ist dargelegt, welche Krankheit zu welchem Zeitpunkt plötzlich eingetreten ist, noch wann das Hindernis weggefallen ist. Insbesondere ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Prozeßbevollmächtigte auch nach der behaupteten "sporadischen" Wiederaufnahme des Bürodienstes die Revisionsbegründungsfrist nicht hätte fertigen können.
Fundstellen