Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts
Leitsatz (NV)
1. Ein Gericht ist nur dann nicht ordnungsgemäß besetzt, wenn willkürlich vom Geschäftsverteilungsplan abgewichen würde.
2. Ausreichend für die Annahme, ein Urteil sei mit Gründen versehen, ist die Nachvollziehbarkeit der Gedankenführung des Gerichts in den Entscheidungsgründen. Kein Entscheidungskriterium i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO ist dagegen die Richtigkeit dieser Gedankenführung.
3. Die Mitwirkung eines Richters auf Probe steht der ordnungsgemäßen Besetzung des Finanzgerichts nicht entgegen.
Normenkette
FGO §§ 15, 116 Abs. 1 Nrn. 1, 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat gegen das klagabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) Revision eingelegt. Zur Begründung hat sie Verletzung materiellen Rechts sowie das Vorliegen von Verfahrensmängeln gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gerügt.
Zu der von der Klägerin behaupteten fehlerhaften Besetzung des Gerichts wird vorgetragen, daß der ehrenamtliche Richter B sich einen Tag vor der Sitzung entschuldigt haben soll. Auf der Sitzungsliste befinde sich ein nichtunterzeichneter Vermerk ,,abgesagt am 5. 10. 87 (Urlaub)". Es gebe in den Akten aber weder ein Schreiben noch ein Telegramm noch eine Notiz über eine telefonische Absage des ehrenamtlichen Richters B noch existiere ein sonst üblicher Vermerk ,,telefonisch" oder ,,schriftlich" über die Absageform und die Person, die die Absage festgehalten habe. Es sei Aufgabe des Präsidenten oder eines Richters, die Verhinderung eines ehrenamtlichen Richters festzustellen und den Vertreter zu berufen. Dies könne nicht einem ,,kleinen Justizbeamten" überlassen bleiben. Der im vorliegenden Falle anstelle des Richters B mitgewirkt habende ehrenamtliche Richter Dr. A sei mithin nicht gesetzlicher Richter gewesen.
Zudem sei der Berufsrichter W Richter auf Probe gewesen. Als solcher habe er nicht mitwirken dürfen (§ 115 des Gerichtsverfassungsgesetzes).
Schließlich sei das Urteil nicht mit Gründen versehen. Das Urteil stelle den Tatbestand nicht ausreichend fest, weil es eine Würdigung des erhobenen bzw. als richtig unterstellten Beweises vermissen lasse. Das Gericht übergehe ein selbständiges Angriffsmittel, weil es eine als wahr und richtig unterstellte Tatsache bei seinem Urteil ignoriere. Im übrigen seien die Urteilsgründe bezüglich eines bestimmten näher bezeichneten Komplexes verworren, inhaltslos und mangelhaft.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht statthaft, denn weder wurde sie zugelassen (§ 115 Abs. 1 FGO, Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs) noch liegt eine der in § 116 Abs. 1 FGO genannten Voraussetzungen (wesentlicher Verfahrensmangel) vor.
Zur Nichtzulassung der Revision wird auf den Beschluß des Senats vom heutigen Tage VIII B 4/88 verwiesen, durch welchen die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen wurde.
Die behaupteten wesentlichen Verfahrensmängel sind entweder nicht ordnungsgemäß gerügt oder liegen nicht vor.
Bezüglich der Besetzung des Gerichts mit dem ehrenamtlichen Richter Dr. A könnte ein Verfahrensmangel i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO nur dann vorliegen, wenn willkürlich vom Geschäftsverteilungsplan abgewichen worden wäre (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 1969 2 BvR 23/65, BVerfGE 27, 297, m.w.N.; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. April 1974 VII C 77.72, Die Öffentliche Verwaltung 1974, 534). Die Darlegungen der Klägerin stellen insoweit keine ordnungsgemäße Rüge dar. Denn die Klägerin behauptet selbst nicht, daß der Senatsvorsitzende oder die mitwirkenden Richter die inhaltliche Richtigkeit des Vermerks auf der Sitzungsliste über die Verhinderung des ehrenamtlichen Richters B angezweifelt haben und trotz solcher Zweifel in die Verhandlung eingetreten sind. Nur bei einer solchen Konstellation könnte aber von Willkür gesprochen werden. Waren dagegen - wovon mangels andersartiger Behauptungen oder Anhaltspunkte auszugehen ist - die entscheidenden Richter davon überzeugt, daß der ehrenamtliche Richter B verhindert sei, so war die Bejahung ihrer Eigenschaft als gesetzliche Richter folgerichtig und nicht willkürlich. Angesichts der fehlenden Willkürbehauptung und -untermauerung durch entsprechende Sachverhalte bedarf es keiner Beweiserhebung seitens des Senats zu der Frage, ob der ehrenamtliche Richter B tatsächlich verhindert war.
Dahinstehen kann auch, ob der Richter W bereits Richter auf Lebenszeit oder noch Richter auf Probe war. Denn gemäß § 15 FGO können bei Finanzgerichten Richter auf Probe verwendet werden.
Zu Unrecht rügt die Klägerin schließlich das Fehlen von Entscheidungsgründen. Der diesbezügliche Sachvortrag, der Tatbestand sei nicht ausreichend festgestellt, geht schon deshalb ins Leere, weil - seine Richtigkeit unterstellt - Tatbestandsberichtigungen gemäß § 108 FGO hätten beantragt werden können. Die Auffassung der Revision, die Urteilsgründe seien verworren, inhaltslos und mangelhaft sowie die hierzu angeführten Belegstellen rechtfertigen nicht die Annahme, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen. Dieses Vorbringen läßt vielmehr lediglich erkennen, daß die Klägerin die Rechtsmeinung des FG nicht teilt. Eine Auseinandersetzung mit der Meinung der Klägerin würde ein Einsteigen in die materiell-rechtlichen Überlegungen der Vorinstanz bedeuten und damit den Rahmen der Prüfung gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO sprengen. Ausreichend für die Annahme, ein Urteil sei mit Gründen versehen, ist die Nachvollziehbarkeit der Gedankenführung des Gerichts in den Entscheidungsgründen. Kein Entscheidungskriterium i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO ist dagegen die Richtigkeit dieser Gedankenführung.
Fundstellen
Haufe-Index 416121 |
BFH/NV 1989, 517 |