Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Anspruch auf rechtliches Gehör
Leitsatz (NV)
1. Es gibt keine allgemeine Hinweispflicht des Gerichts, wenn es den Sachverhalt anders beurteilt als ein Beteiligter.
2. Die Rüge eines Verfahrensmangels setzt einen schlüssigen Vortrag voraus, inwiefern das Urteil auf dem behaupteten Mangel beruht.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 09.02.2006; Aktenzeichen 5 K 2302/01 U) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte in den Streitjahren (1995 und 1997) u.a. Einnahmen als Treuhänder, hinsichtlich derer der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) davon ausging, dass sie auf im Inland ausgeführten umsatzsteuerpflichtigen Leistungen beruhten. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, ihm sei nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Außerdem rügt er Divergenz.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
1. Der Kläger hat eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) durch das Finanzgericht (FG) nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt. Das aber ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde. Ein schlüssiger Vortrag eines Verfahrensmangels fehlt schon deshalb, weil der Kläger selbst vorträgt, dass den Beteiligten --also auch ihm-- das Wort in der mündlichen Verhandlung erteilt worden ist. Es hat ihm also freigestanden, zur "Charakteristik der Leistung der X", deren Klärung er vermisst, vorzutragen.
Auch soweit der Kläger rügt, es sei in der mündlichen Verhandlung "zu keinem Zeitpunkt spürbar" gewesen, dass das FG seine Treuhandtätigkeit als steuerpflichtige sonstige Leistung beurteilen werde, ist die Verfahrensrüge nicht schlüssig. Der Kläger trägt selbst vor, dass das FG der Ansicht des FA, er, der Kläger, habe Beratungs- und Betreuungsleistungen erbracht, gefolgt sei. Es handelt sich dabei also schon dem Vortrag des Klägers zufolge nicht um einen zuvor nicht angesprochenen Gesichtspunkt.
Im Übrigen gibt es keine allgemeine Hinweispflicht des Gerichts, auch dann nicht, wenn es den Sachverhalt anders beurteilt als ein Beteiligter (BFH-Beschlüsse vom 26. Juni 2003 IV B 195/01, BFH/NV 2003, 1437; vom 27. April 2005 X B 130/04, BFH/NV 2005, 1596). Das Gericht ist weder verpflichtet, die maßgebenden Rechtsfragen umfassend mit den Beteiligten zu erörtern (BFH-Beschlüsse vom 2. April 2002 X B 167/01, BFH/NV 2002, 916; vom 3. Juni 2003 X B 102/02, BFH/NV 2003, 1209) noch seine vorläufige Beweiswürdigung oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung einzelner Umstände offen zu legen (BFH-Beschlüsse vom 10. September 2003 X B 132/02, BFH/NV 2004, 495; vom 9. Januar 2004 III B 33/03, BFH/NV 2004, 534).
Darüber hinaus setzt die Rüge eines Verfahrensmangels einen schlüssigen Vortrag voraus, inwiefern das Urteil auf dem behaupteten Mangel beruht, es also ohne den Mangel anders ausgefallen wäre (BFH-Beschluss vom 16. Mai 2003 XI B 118/02, BFH/NV 2003, 1427). Auch hieran fehlt es.
2. Wollte der Kläger mit seiner Rüge einen Verstoß des FG gegen die Sachaufklärungspflicht geltend machen, so hätte er vortragen müssen, welche Tatsachen hätten aufgeklärt werden müssen, aus welchen Gründen sich die Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei weiterer Aufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern sich daraus auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Gerichts eine andere Entscheidung hätte ergeben können (BFH-Urteil vom 23. Mai 1990 V R 167/84, BFHE 161, 191, BStBl II 1990, 1095; BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 1437). All das ist nicht geschehen.
3. Soweit der Kläger eine Divergenz zum Urteil des FG Düsseldorf vom 20. März 2002 5 K 5950/98 U (Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 1332) geltend macht, ist auch diese nicht hinreichend dargelegt. Der Kläger hätte tragende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen müssen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (BFH-Beschlüsse vom 29. November 2000 I B 8/00, BFH/NV 2001, 624; vom 29. Mai 2006 V B 159/05, BFH/NV 2006, 1892). Hieran fehlt es. Der Kläger hat weder Rechtssätze des angefochtenen FG-Urteils noch solche des Urteils des FG Düsseldorf herausgearbeitet. Dasselbe gilt im Hinblick auf das Urteil des Senats vom 30. März 2006 V R 19/02 (BB 2006, 2397).
Fundstellen
Haufe-Index 1703551 |
BFH/NV 2007, 930 |