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BFH Beschluss vom 23.07.1999 - XI B 170/97 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und von Verfahrensfehlern

 

Leitsatz (NV)

  1. Die Frage, inwieweit die Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren durch die Einleitung eines Strafverfahrens berührt werden, ist in § 393 Abs. 1 AO 1977 geregelt und daher nicht grundsätzlich bedeutsam.
  2. Die bloße Behauptung, in der mündlichen Verhandlung Beweisanträge gestellt zu haben, reicht zur Darlegung eines Verstoßes gegen die Sachermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht aus.
  3. Die Rüge, das FG habe gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen, weil es einen im Ausland ansässigen Zeugen nicht geladen habe, geht fehl, wenn der Zeuge nicht in die Sitzung gestellt wurde.
  4. Der Vortrag, das FG habe vorgetragenen Sachverhalt in großem Umfang nicht zur Kenntnis genommen, genügt nicht den Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs.
 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3 S. 3, § 76 Abs. 1; AO 1977 § 393 Abs. 1

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat seine auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Beschwerde teils nicht ausreichend begründet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO), teils liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.

1. Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) herausgestellte Frage, inwieweit die Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren durch die Einleitung eines Strafverfahrens berührt werden, ist in § 393 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geregelt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. April 1997 X B 123-124/95, BFH/NV 1997, 641, m.w.N.). Die Beschwerdebegründung läßt nicht erkennen, welche über den Einzelfall hinausreichende höchstrichterliche Klärung im Streitfall erwartet werden könnte.

2. Die Zulassung der Revision wegen Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) kommt nicht in Betracht:

- Die Rüge des Klägers, das Finanzgericht (FG) habe durch die Nichterhebung beantragter Beweise (Einvernahme von Zeugen, Einholung eines Sachverständigengutachtens) gegen die Sachermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen, ist nicht schlüssig erhoben; die bloße Behauptung, in der mündlichen Verhandlung Beweisanträge gestellt zu haben, reicht nicht aus, wenn sich dies nicht aus dem Sitzungsprotokoll ergibt (vgl. BFH-Beschluß vom 20. März 1997 XI B 182/95, BFH/NV 1997, 777, unter 2. g). Nach der Niederschrift über die mündliche Verhandlung hat der Kläger lediglich einen Beweisantrag gestellt, dessen Ablehnung das FG im Urteil begründet hat. Weitere Beweisanträge hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt, schriftsätzlich gestellte Beweisanträge nicht wiederholt. Das FG hat den Antrag des Klägers auf Berichtigung des Protokolls mit Beschluß vom 1. Dezember 1997 abgelehnt. Die Ausführungen des Klägers sind nicht geeignet, den erhöhten Beweiswert des Protokolls im Streitfall in Frage zu stellen (vgl. § 94 FGO i.V.m. §§ 160, 165, 415 und 418 der Zivilprozeßordnung; BFH-Urteile vom 23. September 1988 III R 51/87, BFH/NV 1989, 377; vom 4. November 1993 V R 85/92, BFH/NV 1994, 722; BFH-Beschluß vom 15. November 1994 I B 34/94, BFH/NV 1995, 623).

- Die Rüge, das FG habe gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen, weil es den im Ausland ansässigen Zeugen A nicht geladen habe, geht schon deshalb fehl, weil der Zeuge nicht in die Sitzung gestellt wurde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. April 1995 VIII B 133/94, BFH/NV 1995, 954, und vom 3. Dezember 1996 I B 8, 9/96, BFH/NV 1997, 580). Außerdem hat es der Kläger unterlassen, diesen Verstoß in der mündlichen Verhandlung zu rügen.

- Die Rüge, das FG habe die Vernehmung des Sachgebietsleiters des Umsatzsteuer-Sonderprüfers zu Unrecht abgelehnt, ist ebenfalls nicht schlüssig erhoben. Aus dem Vorbringen des Klägers, der Sachgebietsleiter habe in einem Parallelverfahren ausdrücklich bestätigt, dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) und auch der Steuerfahndungsstelle sei bekannt gewesen, daß die ausländischen Firmen im Inland tätig gewesen seien, ergibt sich nicht, daß diese Kenntnis bereits zum Zeitpunkt der ursprünglichen Feststellungsbescheide bestand.

- Der Vortrag des Klägers, das FG habe vorgetragenen Sachverhalt in großem Umfang nicht zur Kenntnis genommen, genügt nicht den Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs. Sie setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Darlegung voraus, inwiefern das FG das rechtliche Gehör versagt hat, insbesondere zu welchen dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Tatsachen der Kläger sich nicht äußern konnte, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte, daß er den Verfahrensverstoß gegenüber dem FG gerügt hat oder keine Möglichkeit besaß, die Versagung rechtlichen Gehörs schon beim FG zu beanstanden und inwiefern die Entscheidung des FG hätte anders ausfallen können (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 12. Dezember 1997 XI B 54/97, BFH/NV 1998, 614). Der Kläger hat demgegenüber nicht vorgetragen, daß er die Rechtsverletzung jeweils vor dem FG gerügt hat oder daß und ggf. weshalb ihm eine solche Rüge nicht möglich war (vgl. BFH-Beschluß vom 30. Juli 1997 XI B 218-221/95, BFH/NV 1998, 190). Im übrigen kann dem Umstand, daß das FG nicht jede vorgelegte Unterlage in den Entscheidungsgründen aufgeführt und gewürdigt hat, nicht entnommen werden, es habe das Vorbringen des Klägers nicht zur Kenntnis genommen. Das Recht auf Gehör ist erst verletzt, wenn sich aus besonderen Umständen des Einzelfalls deutlich ergibt, daß ein Tatsachenvortrag entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BFH-Beschluß vom 14. Juni 1996 X B 157/95, BFH/NV 1996, 919). Anhaltspunkte hierfür liegen nicht vor. Das FG ist auch auf die Frage eingegangen, ob der Vereinbarung vom 16. März 1990 zu entnehmen ist, der Kläger sei nicht wirtschaftlicher Eigentümer der ausländischen Firmen gewesen. Es hat das in Ablichtung vorgelegte Schriftstück gewürdigt und ihm keinen Beweiswert zuerkannt, da der Kläger der Aufforderung nicht nachgekommen ist, das Original zur kriminalpolizeilichen Prüfung vorzulegen. Der Einwand des Klägers, es sei nicht nachvollziehbar, daß die genaue und eindeutige Formulierung des Dokuments in Frage gestellt werde, richtet sich gegen diese Würdigung.

- Die Rüge des Klägers, das FG hätte die Sache von sich aus weiter aufklären müssen, insbesondere, weil es in den Entscheidungsgründen den Hinweis des Klägers, ein anderer als er sei wirtschaftlicher Eigentümer der ausländischen Firmen gewesen, als "unklar" bezeichnet habe, geht fehl. Die beanstandeten Ausführungen stehen im Zusammenhang mit der materiell-rechtlichen Entscheidung des FG, der Kläger sei wirtschaftlicher Eigentümer der ausländischen Firmen. Die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung vermag die Zulassung der Revision nicht zu begründen (BFH-Beschlüsse vom 29. November 1995 XI B 69/95, BFH/NV 1996, 421; vom 18. Dezember 1996 XI B 71/96, BFH/NV 1997, 505, jeweils m.w.N.). Dies gilt auch, soweit der Kläger rügt, das FG habe § 173 AO 1977 fehlerhaft angewendet.

- Soweit der Kläger mit der Behauptung, das FG habe mit Urkundenbeweis belegte Tatsachen nicht festgestellt, einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 FGO) rügen will, entspricht die Beschwerde ebenfalls nicht den an sie zu stellenden Anforderungen. Wird ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten gerügt, so muß genau bezeichnet werden, welche Aktenteile das Gericht nicht berücksichtigt haben soll und inwiefern die Entscheidung unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auf der Nichtberücksichtigung dieser Aktenteile beruhen kann (BFH-Beschluß vom 28. Mai 1998 III B 5/98, BFH/NV 1998, 1352). Zur Erfüllung dieser Anforderungen ist der Hinweis auf Unterlagen, die mit der Klageschrift vorgelegt und angeblich übergangen wurden, nicht ausreichend. Der Kläger wendet sich auch insoweit in Wirklichkeit gegen die materiell-rechtliche Entscheidung des FG.

- Die Rüge des Klägers, der Beschluß des FG, die Akten eines gegen ihn geführten Strafverfahrens beizuziehen, sei fehlerhaft, weil sich zum Zeitpunkt dieses Beschlusses ein Großteil dieser Akten nicht mehr beim FG befunden habe, bezeichnet ebenfalls keinen Verfahrensfehler. Dem Vortrag des Klägers selbst ist zu entnehmen, daß die Akten dem FG vor ihrer formellen Beiziehung vollständig vorgelegen haben; seine Behauptung, diese Akten seien nicht eingesehen worden, ist daher nicht schlüssig. Im übrigen legt der Kläger nicht substantiiert dar, inwieweit die angefochtene Entscheidung hierauf beruhen kann.

- Die Rüge, das FG habe im Tatbestand seiner Entscheidung Aussagen von Zeugen in anderen Verfahren angeführt, die nicht zutreffend seien, zielt darauf ab, einen Verstoß des FG gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme darzulegen (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 1997 II R 67/94, BFH/NV 1997, 767). Insoweit ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet, denn das angefochtene Urteil kann auf dem Verstoß nicht beruhen. Das FG hat die zitierten Aussagen nicht verwertet; es hat seine Überzeugung, der Kläger, und nicht A sei wirtschaftlicher Eigentümer der ausländischen Firmen, nicht aufgrund der vom Kläger bestrittenen Aussagen gewonnen, sondern aufgrund anderer Umstände, die in den Entscheidungsgründen im einzelnen niedergelegt sind. Mit Einwänden gegen die Beweiswürdigung des FG kann der Kläger in diesem Verfahren nicht gehört werden (BFH-Beschluß vom 6. November 1997 X B 46/97, BFH/NV 1998, 602, 603). Dies gilt auch für seine Ausführungen, das FG habe bei seiner Entscheidung Denkgesetze verletzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 302711

BFH/NV 2000, 7

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