Leitsatz (amtlich)
1. Die unselbständige Anschlußrevision ist statthaft.
2. § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO enthält einen Rechtsgedanken, der auch dann anwendbar ist, wenn beide Parteien ein Rechtsmittel eingelegt haben, das Verfahren aber im weiteren Verlauf infolge der Rechtsmittelrücknahme eingestellt wird.
Normenkette
FGO §§ 115, 136 Abs. 1 S. 3
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (FA) hatte den Revisionskläger (Stpfl.) zunächst unter Zugrundelegung eines Gewinns aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb in Höhe von 118 897 DM zu einer Körperschaftsteuer 1959 in Höhe von 42 800 DM veranlagt. Einspruch und Berufung des Stpfl. blieben erfolglos. Auf die Anschlußberufung des FA kam das FG zu dem Ergebnis, daß der Stpfl. einen Gewinn aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb in Höhe von 152 565 DM der Körperschaftsteuer zu unterwerfen habe. Die Anschlußberufung hatte damit zum weit überwiegenden Teil Erfolg.
Die Vorentscheidung wurde dem Stpfl. am 28. September 1966, dem FA am 29. September 1966 zugestellt. Sowohl der Stpfl. wie auch das FA legten Revision ein und zwar der Stpfl. am 27. Oktober 1966, das FA am 25. Nober 1966. Der Stpfl. beantragte, von der Körperschaftsteuer freigestellt zu werden. Das FA beantragte, den der Körperschaftsteuer zu unterwerfenden Gewinn aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb des Stpfl. um Inserateneinnahmen in Höhe von 1 469 DM zu erhöhen.
Mit Schriftsatz vom 26. Juli 1967 nahm der Stpfl. seine Revision zurück und beantragte die Streitwertfestsetzung (§ 146 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Das Verfahren ist einzustellen, da der Stpfl. seine Revision zurückgenommen hat (§ 72 Abs. 2 FGO). Die Rücknahme bewirkt den Verlust des eingelegten Rechtsmittels (§ 125 Abs. 2 FGO).
Das vom FA nach Ablauf der Revisionsfrist eingelegte Rechtsmittel ist als unselbständige Anschlußrevision zu betrachten. Aus dem Beschluß des Senats I B 35/67 vom 31. Juli 1967 (BFH 90, 92) ergibt sich, daß die unselbständige Anschlußrevision - obgleich in der FGO nicht geregelt - auch im Verfahren der Finanzgerichtsbarkeit statthaft ist. Die unselbständige Anschlußrevision gegen das Urteil eines FG ist ebenso wie die in anderen Verfahrensordnungen geregelte unselbständige Anschlußrevision abhängig vom Schicksal der fristgerecht eingelegten Revision. Wird die Revision zurückgenommen, so wird die unselbständige Anschlußrevision - nachträglich - unzulässig (vgl. Urteil des Reichsgerichts IV 183/37 vom 25. November 1937, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 156 S. 240 [243]).
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Stpfl. zu tragen (§ 136 Abs. 2 FGO), da er seine Revision zurückgenommen hat. Von einer teilweisen Überbürdung der Kosten auf das FA - im Hinblick auf die Anschlußrevision - sieht der Senat ab. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die volle Kostenpflicht des Stpfl. schon daraus zwingend ergibt, daß er durch die Rücknahme seines Rechtsmittels die nachträglich eingetretene Unzulässigkeit des Anschlußrechtsmittels verursacht hat (so z. B. Beschluß des Bundesgerichtshofs GSZ 2/51 vom 17. Dezember 1951, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 4 S. 229). Selbst wenn man dieser zum Zivilprozeßrecht entwickelten Überlegung nicht folgen wollte, müßten im vorliegenden Falle dem Stpfl. gemäß dem in § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO enthaltenen Rechtsgedanken die Kosten des Revisionsverfahrens voll auferlegt werden, da sein Antrag - volle Beseitigung der vom FG festgestellten Steuerpflicht - etwa das Hundertfache des vom FA gestellen Antrags - geringfügige Erhöhung der vom FG festgesetzten Steuer - ausmacht. Zwar sind in § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO ausdrücklich nur die Fälle des teilweisen Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten geregelt. Der in dieser Bestimmung enthaltene Rechtsgedanke ist jedoch auch dann anwendbar, wenn mehrere Beteiligte ein Rechtsmittel eingelegt haben, das Verfahren im weiteren Verlauf aber infolge der Rechtsmittelrücknahme eingestellt wird. Begehrt in einem solchen Falle ein Beteiligter mit seinem Rechtsmittel nur einen geringen Teil dessen, was der andere Beteiligte beantragt, so können dem anderen Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden.
Gemäß § 140 Abs. 3 FGO ist der Streitwert unter Berücksichtigung der Sachanträge der Beteiligten nach freiem Ermessen zu bestimmen. Er bemißt sich im vorliegenden Falle als Gesamtstreitwert für Revision und Anschlußrevision (vgl. Urteile des BFH III 60/62 U vom 25. Mai 1962, BFH 75, 250, BStBl III 1962, 358 und IV 224/64 vom 2. Februar 1967, BFH 88, 23, BStBl III 1967, 274) einerseits nach dem Interesse des Stpfl., von der Körperschaftsteuer restlos befreit zu werden, andererseits nach dem Interesse des FA, die Steuer aus einem Gewinn in Höhe von (152 565 DM + 1 469 DM =) 154 034 DM festzusetzen. Die Spanne zwischen beiden Steuerbeträgen beläuft sich auf rund 55 400 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 412750 |
BStBl II 1968, 60 |
BFHE 1968, 272 |