Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumung der Begründungsfrist bei einer NZB; Anlaufhemmung der Rechtsbehelfsfrist gilt nur bei unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung; Büroversehen
Leitsatz (NV)
1. Die Rechtsbehelfsbelehrung muss einen Hinweis auf den beim BFH geltenden Vertretungszwang enthalten und den Kreis der vertretungsberechtigten Personen vollständig angeben.
2. Eines Hinweises in der Rechtsbehelfsbelehrung darauf, dass sich die vertretungsberechtigten Personen ggf. selbst vertreten können, bedarf es auch aufgrund der ab dem 1. Juli 2008 geltenden ausdrücklichen Regelung in § 62 Abs. 4 Satz 5 FGO nicht.
3. Beruft sich ein Prozessbevollmächtigter u.a. auf ein von ihm nicht zu vertretendes Büroversehen, so muss er darlegen, dass kein Organisationsfehler vorliegt. In diesem Zusammenhang muss er vortragen, dass er alle Vorkehrungen dafür getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat.
Normenkette
FGO § 55 Abs. 1, §§ 56, 62 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 Sätze 3, 5, § 155; ZPO § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist eine Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Diese Frist hat der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) versäumt. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht bis zum Ablauf der am 5. Januar 2009 endenden Frist, sondern erst am 21. Januar 2009 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers war der Anlauf der Rechtsbehelfsfrist nicht gemäß § 55 Abs. 1 FGO durch eine unvollständige oder unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung gehemmt. Denn das finanzgerichtliche Urteil enthält eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung.
Der Kläger trägt in diesem Zusammenhang vor, die Rechtsbehelfsbelehrung sei insofern unvollständig und damit unrichtig, als sie nicht darauf verweise, dass sich ein Beteiligter nach dem mit Wirkung ab dem 1. Juli 2008 geltenden § 62 Abs. 4 Satz 5 FGO selbst vertreten dürfe, wenn er gemäß § 62 Abs. 4 Satz 3 FGO zur Vertretung berechtigt sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
Zwar muss die Rechtsbehelfsbelehrung --über den Wortlaut des § 55 Abs. 1 FGO hinaus-- auch einen Hinweis auf den beim BFH geltenden Vertretungszwang enthalten und den Kreis der vertretungsberechtigten Personen vollständig angeben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Januar 2003 V R 93/01, V B 197/01, V B 201/01, BFH/NV 2003, 643, und vom 30. Dezember 2004 II R 2/04, BFH/NV 2005, 718; Spindler in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 55 FGO Rz 25; Brandt in Beermann/Gosch, FGO § 55 Rz 42). Diesen Anforderungen genügt die Rechtsmittelbelehrung des Finanzgerichts jedoch. Denn darin ist der abschließend in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO aufgeführte Kreis der vertretungsberechtigten Personen vor dem BFH genannt. Eines weiteren Hinweises darauf, dass sich die in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO bezeichneten Personen oder Gesellschaften auch selbst vertreten können, bedurfte es nicht. Da die Vertretungsbefugnis vor dem BFH Rechtskundigkeit voraussetzt, kann dieses Wissen bei dem betroffenen Personenkreis als bekannt vorausgesetzt werden. Davon ist der BFH in der Vergangenheit stets stillschweigend ausgegangen.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat sich daran aufgrund des mit Wirkung ab dem 1. Juli 2008 geltenden § 62 Abs. 4 Satz 5 FGO, wonach sich ein Beteiligter, der nach § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO zur Vertretung berechtigt ist, selbst vertreten kann, nichts geändert. Denn diese Vorschrift hat nicht eine Änderung der bisherigen Rechtslage bewirkt, sondern hat lediglich klarstellenden Charakter (vgl. auch BTDrucks 16/3655, S. 94). Es entsprach bereits zuvor der Rechtsauffassung des BFH, dass sich ein zur Vertretung vor dem BFH berechtigter Beteiligter in eigenen Angelegenheiten selbst vertreten kann (vgl. z.B. Urteil vom 4. Oktober 1976 IV R 16/82, BFHE 142, 106, BStBl II 1985, 60, mit Hinweis auf § 78 Abs. 3 der Zivilprozessordnung --ZPO-- in der damaligen Fassung, nunmehr § 78 Abs. 6 ZPO). Die Rechtsprechung hat aber niemals die Auffassung vertreten, dass ein fehlender Hinweis auf die Vertretungsbefugnis in eigenen Angelegenheiten zur Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung führt. Der Ansicht des Klägers, dass es hinsichtlich der Belehrungspflicht einen Unterschied mache, ob die Vertretungsbefugnis in eigenen Angelegenheiten auf der Rechtsprechung des BFH beruhe oder ausdrücklich im Gesetz geregelt sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
3. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 Abs. 1 FGO kann nicht gewährt werden. Denn der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Begründungsfrist einzuhalten.
a) Beruft sich ein Prozessbevollmächtigter, dessen Verschulden sich der Kläger wie eigenes zurechnen lassen muss (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO), u.a. auf ein von ihm nicht zu vertretendes Büroversehen, so muss er darlegen, dass kein Organisationsfehler vorliegt. In diesem Zusammenhang muss er vortragen, dass er alle Vorkehrungen dafür getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat. Der Prozessbevollmächtigte, der zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags u.a. vorbringt, dass er die Notierung und Kontrolle der Begründungsfrist einer zuverlässigen und erfahrenen Bürokraft überlassen hat, muss hiernach jedenfalls dartun, durch welche Maßnahmen er gewährleistet hat, dass in seinem Büro die Fristen entsprechend seinen Anordnungen notiert und kontrolliert werden. Dazu gehört auch der substantiierte Vortrag, wann und wie er seine Bürokräfte entsprechend belehrt und wie er die Einhaltung dieser Belehrungen überwacht hat (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 5. November 2008 VII B 15/08, BFH/NV 2009, 589).
b) Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags im Streitfall nicht. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat lediglich ausgeführt, er selbst habe die Beschwerdebegründungsfrist versehentlich fehlerhaft berechnet und dementsprechend falsch in das für die Fristenkontrolle verwendete elektronische Modul "DATEV Phantasy Fristen" eingetragen. Ferner habe eine von ihm sorgfältig ausgewählte und überwachte Mitarbeiterin versehentlich nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde mit einem Vermerk die Beschwerdebegründungsfrist gänzlich gelöscht.
Aus diesem Vortrag geht schon nicht hervor, durch welche organisatorischen Maßnahmen der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Regelfall Vorsorge getragen hat, um eine Versäumung wichtiger Fristen --wie z.B. der Beschwerdebegründungsfrist-- zu vermeiden. Ferner ist nicht erkennbar, ob und in welchem Umfang der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Büroangestellte hinsichtlich der Fristen belehrt und welche Kontrollmaßnahmen er insoweit ergriffen hat. Abgesehen davon fehlt jeder Hinweis darauf, weshalb das vom Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst begangene "Versehen" im Streitfall entschuldbar sein sollte, zumal nach ständiger Rechtsprechung des BFH schon eine leichte Fahrlässigkeit der Annahme eines fehlenden Verschuldens i.S. von § 56 Abs. 1 FGO entgegensteht (vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz 7, m.w.N.).
Fundstellen