Entscheidungsstichwort (Thema)
Umdeutung von Rechtsbehelfen
Leitsatz (NV)
Die Umdeutung der von einem nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten abgegebenen prozessualen Willenserklärung scheidet dann aus, wenn sowohl der nach der Erklärung eingelegte Rechtsbehelf als auch der für die Umdeutung in Betracht zu ziehende Rechtsbehelf unzulässig sind.
Normenkette
FGO §§ 62a, 133a, 116 Abs. 1; GKG § 3; ZPO § 321a
Tatbestand
I. In dem vom Kläger betriebenen Klageverfahren beraumte das Finanzgericht (FG) mit Ladung vom 18. Januar 2005 auf den 18. Februar 2005 Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem zuständigen Senat an. Hierauf stellte der Kläger mit Schreiben vom 27. Januar 2005 den Antrag, diesen Termin zu verlegen, weil er u.a. im Februar im Ausland sei. Mit Telefax vom 31. Januar 2005 teilte ihm hierauf der Berichterstatter des Senats mit, dass dem Antrag auf Verlegung des Termins derzeit nicht stattgegeben werden könne. In dem Schreiben des Klägers seien u.a. die genauen Zeiten des geplanten Auslandsaufenthalts nicht angegeben. Um Ergänzung dieser Angaben bis zum 4. Februar 2005 werde gebeten. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 2005, an welcher der Kläger nicht teilnahm, wies das FG die Klage ab. Das Urteil wurde dem Kläger am 31. März 2005 zugestellt.
Mit Schreiben vom 13. April 2005 wandte sich der Kläger an das FG. Er beantragte "gemäß § 321a ZPO rechtliches Gehör". Er habe das Gericht frühzeitig informiert, dass er im Ausland sei. Auch habe das FG § 227 Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht beachtet. Eine Entscheidung i.S. von § 227 Abs. 4 ZPO sei nicht getroffen worden.
Das FG wertete dieses Schreiben als Nichtzulassungsbeschwerde. Mit Schreiben vom 6. Mai 2005 wies die Geschäftsstelle des erkennenden Senats den Kläger auf den beim Bundesfinanzhof (BFH) geltenden Vertretungszwang gemäß § 62a der Finanzgerichtsordnung (FGO) hin. Auch wurde der Kläger darüber belehrt, dass sich im Fall der Rücknahme der Beschwerde die Gerichtskosten auf die Hälfte ermäßigen. Hierauf teilte der Kläger am 30. Mai 2005 mit: "Ich ziehe meinen Antrag bei Ihnen zurück. Ich habe bei Ihnen auch keinen Antrag gestellt, sondern beim FG …". Er, der Kläger, sei auch nicht gewillt, die Kosten zu tragen.
Entscheidungsgründe
II. Das Schreiben des Klägers vom 13. April 2005 ist als Anhörungsrüge i.S. von § 133a FGO zu verstehen. Es kann nicht als Nichtzulassungsbeschwerde ausgelegt oder in eine solche umgedeutet werden.
1. Im Rahmen der Auslegung von Rechtsbehelfen ist darauf abzustellen, was dem wirklichen Willen und dem Ziel des Rechtsbehelfsführers am besten entspricht (Senatsbeschluss vom 2. November 2004 X B 59/04, BFH/NV 2005, 209, m.w.N.). Dieser Auslegungsmaßstab ist jedoch nur dann von Bedeutung, wenn es an einer eindeutigen Erklärung des wirklich Gewollten fehlt (BFH-Urteil vom 1. September 1998 VIII R 46/93, BFH/NV 1999, 596). In einem solchen Fall kann zwar eine Umdeutung der prozessualen Willenserklärung in einen anderen Rechtsbehelf in Betracht zu ziehen sein, wenn sie von einem nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten abgeben wird. Eine Umdeutung scheidet aber aus, wenn sowohl der nach der Erklärung eingelegte Rechtsbehelf als auch der für eine Umdeutung in Betracht zu ziehende Rechtsbehelf --wenn auch aus unterschiedlichen Gründen-- unzulässig sind (BFH-Beschluss vom 27. Mai 2004 IV B 64/04, juris Nr: STRE200450799).
2. Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger in seinem Schreiben vom 13. April 2005 eine Anhörungsrüge erhoben. Er hat seinen Rechtsbehelf auf § 321a ZPO gestützt, der im Wesentlichen mit der ab dem 1. Januar 2005 im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Bestimmung des § 133a FGO übereinstimmt. Er hat sich an das FG gewandt und sich hierbei auch nicht einer nach § 62a FGO zur Vertretung vor dem BFH befugten Person oder Gesellschaft bedient. Ferner hat er die Rüge auch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 133a Abs. 2 FGO erhoben. Aus diesen Umständen wird erkennbar, dass der Kläger eindeutig das Ziel verfolgt hat, das FG zu einer Überprüfung der von ihm behaupteten Verfahrensverstöße zu veranlassen.
Das FG hat das Begehren des Klägers zu Unrecht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet. Zwar ist die vom Kläger erhobene Anhörungsrüge nicht statthaft, weil § 133a Abs. 1 Nr. 1 FGO die Statthaftigkeit davon abhängig macht, dass gegen die Entscheidung (des FG) ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf nicht gegeben ist, was im Streitfall im Hinblick auf § 116 Abs. 1 FGO nicht zutrifft. Eine Umdeutung des klägerischen Rechtsbehelfs als Nichtzulassungsbeschwerde konnte diesem nämlich deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil der Kläger seinen Rechtsbehelf persönlich erhoben hat. Eine Nichtzulassungsbeschwerde wäre deshalb wegen der Nichtbeachtung des für das Verfahren vor dem BFH geltenden Vertretungszwangs gemäß § 62a FGO unzulässig. Überdies würde dem Kläger ein höheres Kostenrisiko aufgebürdet: Im Unterliegensfall ergibt sich die Kostenpflicht bei einer Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO aus Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz --GKG-- (Anlage 1 zu § 3 GKG i.d.F. des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vom 9. Dezember 2004 BGBl I 2004, 3220). Es fällt dann eine Festgebühr von 50 € an. Demgegenüber sind im Falle einer erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde zwei Gebühren auf der Grundlage des tatsächlichen Streitwerts (§ 3 Abs. 1 GKG; Nr. 6500 des Kostenverzeichnisses zum GKG) zu erheben.
3. Der Rechtsbehelf ist an das FG zurückzugeben, das allein zuständig ist, über die Zulässigkeit und Begründetheit der Anhörungsrüge zu entscheiden. Dem Kläger bleibt es unbenommen, ggf. gegenüber dem FG klarzustellen, ob sein Schreiben an den BFH vom 29. Mai 2005 auch in dem Sinne zu verstehen ist, dass die beim FG erhobene Anhörungsrüge nicht aufrecht erhalten wird.
Fundstellen