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BFH Beschluss vom 24.10.2006 - VIII B 189/05 (NV) (veröffentlicht am 24.01.2007)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Substantiierung eines Beweisantrags und zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

 

Leitsatz (NV)

1. Ein substantiierter Beweisantrag muss nicht nur das voraussichtliche Beweisergebnis enthalten, sondern auch hinreichend konkrete im Einzelnen zu beweisende Tatsachen.

2. Die Entscheidung des FG über die Wiedereröffnung zur mündlichen Verhandlung ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1, § 93 Abs. 3 S. 2, § 96 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Urteil vom 30.08.2005; Aktenzeichen V 164/01)

 

Gründe

1. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Rüge eines Verfahrensfehlers auf das Übergehen des in der mündlichen Verhandlung vom 30. August 2005 zu Protokoll gegebenen Beweisantrags stützen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), ist die Beschwerde unbegründet. Das Finanzgericht (FG) ist zutreffend davon ausgegangen, dass dieser Beweisantrag nicht hinreichend substantiiert war. Denn dem Vorbringen, dass im Zeitpunkt der Stellung des Konkursantrags die halbfertigen Arbeiten und der Warenbestand einen Wert von mindestens 1 Mio. DM gehabt hätten, ist zwar das voraussichtliche Beweisergebnis zu entnehmen, nicht aber werden hinreichend konkrete im Einzelnen zu beweisende Tatsachen genannt (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63; vom 21. November 2002 VII B 58/02, BFH/NV 2003, 485, und vom 17. März 2003 VII B 269/02, BFH/NV 2003, 825, jeweils m.w.N.). Angesichts dessen, dass der Wert von Warenvorräten, Betriebsstoffen und halbfertigen bzw. fertigen Erzeugnissen einen wesentlichen Streitpunkt des finanzgerichtlichen Verfahrens ausmachte, konnte von den Klägern erwartet werden, dass sie zumindest ansatzweise die ihrer pauschalen Wertangabe zugrunde liegenden Gegenstände näher konkretisierten. Substantiiert darzulegen wäre auch gewesen, inwieweit der als Zeuge benannte Steuerberater auf der Grundlage von Bilanzansätzen aus den Jahren 1988 bis 1990 die entsprechenden Werte im Streitjahr 1994 besser sollte beurteilen können als der Kläger, der als Geschäftsführer die Vermögensübersicht erstellt hat. Anlass  für eine solche Darlegung bestand im Streitfall insbesondere deshalb, weil die Wertangabe in der Vermögensübersicht von 116 000 DM angesichts des Veräußerungserlöses von 81 885,20 DM durchaus realitätsgerecht erscheint. Soweit die Kläger zudem geltend machen, die Angabe einzelner Gegenstände sei nicht beweiserheblich gewesen, hätte dies der Darlegung bedurft, inwieweit die fehlende Beweiserheblichkeit auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des FG anzunehmen ist. Denn bei der Prüfung, ob das FG einen Verfahrensfehler begannen hat, kommt es auf dessen materiell-rechtlichen Standpunkt an (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 12/98, BFHE 189, 148, BStBl II 1999, 731, m.w.N.).

Ist danach nicht von einem das FG bindenden Beweisantrag auszugehen, so hätte die schlüssige Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG (§ 76 Abs. 1 FGO) der Darlegung bedurft, aus welchen Gründen im Einzelnen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bzw. Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz. 70, m.w.N.). Daran fehlt es hier. Auch ist eine Pflicht des FG gemäß § 76 Abs. 2 FGO, auf einen konkretisierten Beweisantrag hinzuwirken, nicht ersichtlich. Dem Vorbringen der Kläger ist nicht zu entnehmen, zu welchem konkreten Hinweis aus der Sicht des FG aus welchem Grund Anlass bestanden haben soll und welche konkreten Tatsachen die Kläger im Fall eines entsprechenden Hinweises über das bisherige Vorbringen hinaus vorgetragen hätten (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 71, m.w.N.). Dies gilt umso mehr, als die Kläger sachkundig vertreten waren (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. November 2003 VII B 171/03, BFH/NV 2004, 357; vom 28. Januar 2004 VII B 82/03, BFH/NV 2004, 800).

2. Es ist auch nicht schlüssig gerügt, dass das FG die mündliche Verhandlung hätte wieder eröffnen müssen. Geht nach Schluss der mündlichen Verhandlung ein Schriftsatz beim FG ein, muss dieses von Amts wegen über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 93 Abs. 3 Satz 2 FGO) beschließen. Dabei muss das Gericht aufgrund der Ausführungen in diesem Schriftsatz die für und gegen eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sprechenden Gründe abwägen und die dabei maßgeblichen Überlegungen in seiner Entscheidung zum Ausdruck bringen, damit geprüft werden kann, ob es sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat (BFH-Beschluss vom 28. Januar 2004 I B 50/03, BFH/NV 2004, 799, m.w.N., unter 1. der Gründe). Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht, dass das FG das Verfahren ermessensfehlerhaft nicht wieder eröffnet habe, ist für die Darlegung eines Verfahrensmangels i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO somit die schlüssige Angabe von Tatsachen erforderlich, aus denen sich die Verletzung der Verpflichtung des FG zur fehlerfreien Ermessensausübung ergibt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 799, m.w.N.). Daran fehlt es hier.

Die Ablehnung der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bzw. die Zurückweisung des mit Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags führt weiter nicht zu einer unzulässigen Überraschungsentscheidung (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--). Denn schon nach dem Vortrag der Kläger war Ursache für die verspätete Antragstellung nicht das Verhalten des Gerichts, vielmehr hatte der Prozessbevollmächtigte der Kläger vom Inhalt des dann gestellten Beweisantrags erst nach der mündlichen Verhandlung durch die Tochter der Kläger erfahren.

3. Soweit die Kläger rügen, das FG habe den Vortrag der Kläger hinsichtlich der selbstschuldnerischen und unbefristeten Bürgschaftsübernahme 1988 bezüglich sämtlicher Forderungen gegen die GmbH zwar in den Tatbestand zutreffend aufgenommen, jedoch in den Entscheidungsgründen nicht erwähnt und auch nicht berücksichtigt, ist damit ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO nicht schlüssig gerügt. Denn davon, dass das FG die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und erwogen hat, kann grund-sätzlich ausgegangen werden, sofern nicht besondere Umstände des konkreten Falls auf einen diesbezüglichen Verstoß hindeuten (BFH-Beschlüsse vom 3. Juni 1992 II B 192/91, BFH/NV 1993, 34; vom 20. Dezember 1994 V B 3/94, BFH/NV 1995, 946; BFH-Urteil vom 5. Oktober 1999 VII R 25/98, BFH/NV 2000, 235). Vorliegend sind derartige Umstände nicht schlüssig dargetan.

4. Nicht schlüssig dargelegt ist weiter die geltend gemachte Divergenz zum Urteil des BFH vom 10. November 1998 VIII R 6/96 (BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348). Abgesehen davon, dass dieses angebliche Divergenzurteil im Schriftsatz der Nichtzulassungsbeschwerde mit falschem Aktenzeichen und ohne Fundstelle genannt ist, ist die gerügte inhaltliche Abweichung nicht erkennbar. Soweit das FG verlangt, dass die streitige Willensrichtung des Klägers im Zusammenhang mit der Übernahme der Bürgschaften nach außen sichtbar geworden sein muss, bezieht sich dies lediglich auf die Feststellung einer ausdrücklichen oder auch stillschweigenden Erklärung. Insoweit wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Beweiswürdigung des FG. Damit kann die Revisionszulassung aber nicht gerechtfertigt werden (BFH-Beschlüsse vom 6. November 1997 X B 46/97, BFH/NV 1998, 602, und vom 23. Juli 1999 XI B 170/97, BFH/NV 2000, 7). Gleiches gilt, soweit sich die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen Rechtsfehler des FG bei der Ermittlung des Zeitwertes eines zur Krise gewährten Darlehens beruft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1681583

BFH/NV 2007, 459

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