Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 34 EStG n.F. verfassungsgemäß
Leitsatz (NV)
Die sog. Fünftel-Regelung des § 34 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 zum 1. Januar 1999 ist jedenfalls insoweit verfassungsgemäß, als hiervon Veräußerungsgewinne erfasst werden.
Normenkette
GG Art. 3, 14, 20; StEntlG 1999/2000/2002; EStG §§ 17, 34 Abs. 1, 2 Nr. 1
Tatbestand
I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erzielten im Streitjahr 2000 aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft einen Gewinn in Höhe von … DM. Sie beantragten im Rahmen des Veranlagungsverfahrens, diesen Gewinn nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der bis einschließlich 1998 geltenden Fassung mit dem halben Steuersatz zu besteuern. Die Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 ―StEntlG 1999/2000/2002― (EStG n.F.) sei wegen Verfassungswidrigkeit nichtig; es gelte deshalb § 34 EStG in seiner früheren Fassung fort.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) setzte die Einkommensteuer 2000 unter Berücksichtigung des § 34 Abs. 1 EStG n.F. fest. Dem Antrag, das Einspruchsverfahren bis zu einer gerichtlichen Entscheidung in einem Musterverfahren gemäß § 363 der Abgabenordnung (AO 1977) ruhen zu lassen, stimmte das FA zu, den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides lehnte es ab.
Zur Begründung der daraufhin beim Finanzgericht (FG) beantragten Aussetzung der Vollziehung trugen die Antragsteller ergänzend vor, dass der Veräußerung der Anteile ein Börsengang im Jahr 2000 zugrunde gelegen habe, der bereits 1998 eingeleitet und nur wegen unvorhergesehener Umstände zeitlich verzögert worden sei. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Vertrauensschutz schaffe eine Kontinuitätsgewähr, die dem Gesetzgeber eine abrupte, sprunghafte und widersprüchliche Änderung der Rechtslage ohne angemessene Übergangsregelung untersage. Ohne die Aussetzung der Vollziehung würden ihnen für voraussichtlich mehrere Jahre erhebliche Mittel entzogen. Demgegenüber träten schwerwiegende Nachteile für den Staat nicht ein, zumal der Gesetzgeber durch die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens ab 2002 zu erkennen gegeben habe, dass diese Mittel zur Deckung des Haushalts nicht unerlässlich seien.
Das FG lehnte den Antrag ab. Es sei verfassungsrechtlich weder geboten, § 34 EStG a.F. fortgelten zu lassen, noch sei der Gesetzgeber verpflichtet gewesen, für die Jahre 1999 und 2000 eine Übergangsregelung zu schaffen. Die Antragsteller hätten auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen durch die Vollziehung des Bescheides nur schwer wiedergutzumachende wirtschaftliche Nachteile drohten.
Die Antragsteller beantragen nach Bezahlung der festgesetzten Einkommensteuer, den Beschluss des FG aufzuheben und die Vollziehung des Einkommensteuer-Änderungsbescheides 2000 vom 12. März 2002 hinsichtlich eines Betrages von … EUR aufzuheben.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Sätze 2 und 7 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen bzw. dessen Vollziehung aufheben, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO können auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm begründen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 9. Mai 2001 XI B 151/00, BFHE 195, 314, BStBl II 2001, 552, und vom 5. März 2001 IX B 90/00, BFHE 195, 205, BStBl II 2001, 405).
2. Im Streitfall bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 34 EStG n.F. i.V.m. § 17 EStG getroffenen und vom FA der Besteuerung des Veräußerungsgewinns zugrunde gelegten Regelung.
a) Das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) hat die Möglichkeit zur Besteuerung von Veräußerungsgewinnen nach § 17 EStG mit dem halben Steuersatz beseitigt. Das Gesetz wurde am 4. März 1999 beschlossen. Ab diesem Zeitpunkt ―und damit auch im Zeitpunkt der Veräußerung der wesentlichen Beteiligung durch die Antragsteller im Streitjahr 2000― war das Vertrauen der Antragsteller in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage nicht mehr geschützt (vgl. u.a. Beschluss des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, m.w.N.). Diesbezügliche Erwartungen des Steuerpflichtigen unterliegen grundsätzlich nicht dem verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 5. Dezember 1997 VI R 94/96, BFHE 185, 8, BStBl II 1998, 211, und BFH-Beschluss vom 10. Juli 2002 XI B 68/02, BFH/NV 2002, 1568, unter II.2.c der Gründe).
b) Der Gesetzgeber war auch hinsichtlich der Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte nicht daran gehindert, eine von der bisherigen Rechtslage abweichende Regelung mit Wirkung für die Zukunft zu treffen. Die Regelung verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Für sie gibt es einen hinreichenden sachlichen Grund.
aa) Das gilt zunächst für die sog. Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 EStG n.F. Sie wurde eingeführt, weil die bisherige Regelung Steuerpflichtige, die regelmäßig dem Spitzensteuersatz unterlagen, übermäßig begünstigte. Das stand mit dem Zweck des § 34 EStG a.F. nicht im Einklang; denn die Vorschrift sollte ausschließlich der Progressionsglättung bei zusammengeballtem Zufluss von Einkünften dienen, die typischerweise über mehrere Veranlagungszeiträume erzielt oder erwirtschaftet werden (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 27. August 2002 XI B 94/02, BFHE 199, 566). Hinzu kommt, dass die bisherige Regelung aufgrund der unterschiedlichen Entlastung außerordentlicher Einkünfte und der Einkünfte aus mehrjähriger Tätigkeit für zu kompliziert gehalten wurde (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, BTDrucks 14/23, 183; zur Entwicklung im Einzelnen vgl. Rasche, in Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform-Kommentierung, § 34 EStG, R. 20). Die Beseitigung der ermäßigten Besteuerung dieser Einkünfte erforderte keine Übergangsregelung (vgl. auch BFH-Beschluss in BFHE 199, 566, unter II.2.b cc der Gründe).
bb) Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil durch das Steuersenkungsergänzungsgesetz vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1812, BStBl I 2001, 25) der halbe Steuersatz für außerordentliche Einkünfte zum Zwecke der Altersvorsorge älterer selbständig tätiger Steuerpflichtiger im Wesentlichen wieder eingeführt wurde und sich dadurch für die betroffene Gruppe von Personen für einen Zwischenzeitraum von zwei Jahren eine höhere Steuerbelastung ergibt.
Hintergrund dieser Neuregelung war es, dem Mittelstand einen Ausgleich für die ab dem Jahre 2002 geltende Besteuerung von Kapitalgesellschaften zu gewähren, deren systematische Grundlage durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) mit dem Halbeinkünfteverfahren grundlegend geändert worden war. Die Neuregelung bezog in dieses Verfahren auch die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ein. Als Folge dieses Systemwechsels konnte der Gesetzgeber auch eine auf diese Personengruppe beschränkte Altersvorsorgekomponente einführen; er war weder verpflichtet, diese Regelung auf die Jahre 1999 und 2000 zu erstrecken (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1568), noch musste er für diesen Zeitraum aus Gründen der steuerlichen Gleichbehandlung einen weiteren Personenkreis in diese Regelung einbeziehen.
cc) An diesem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, dass der der Veräußerung der Anteile zugrunde liegende Börsengang bereits 1998 geplant war und sich aus verschiedenen Gründen bis ins Jahr 2000 hinein verzögert hat; für die Besteuerung des dem § 17 EStG unterfallenden Gewinns ist der Zeitpunkt entscheidend, in dem die Antragsteller mit der Veräußerung der Anteile den Tatbestand dieser Vorschrift erfüllt haben. Das war hier im Veranlagungszeitraum 2000. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber die Rückwirkung eines Gesetzes anordnen kann, stellt sich deshalb im Streitfall nicht.
3. Es ist auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Besteuerung der Antragsteller mit dem vollen Steuersatz nicht gegen Art. 14 GG und ein daraus abgeleitetes Verbot der Übermaßbesteuerung verstößt (zum sog. Halbteilungsgrundsatz vgl. u.a. Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 2 Rz. 12, m.w.N.). Zur Bedeutung der Eigentumsgarantie für das Ertragsteuerrecht hat sich der BFH bereits im Urteil vom 11. August 1999 XI R 77/97 (BFHE 189, 413, BStBl II 1999, 771) geäußert; der Senat nimmt auf diese Ausführungen Bezug. Er weist ergänzend darauf hin, dass sich im Streitfall die 50 v.H. des Einkommens übersteigende Steuerbelastung nahezu ausschließlich aus der Belastung mit Kirchensteuer ergibt. Auf diese könnte sich der Halbteilungsgrundsatz aber schon aus steuersystematischen Gründen nicht beziehen.
4. Die Vollziehung des angefochtenen Bescheides ist auch nicht wegen einer in der Vollziehung liegenden unbilligen Härte aufzuheben.
Eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO setzt voraus, dass der Betroffene seine wirtschaftliche Lage im Einzelnen vorträgt und glaubhaft macht (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 29. März 2001 III B 80/00, BFH/NV 2001, 1294, m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Fundstellen
Haufe-Index 921381 |
BFH/NV 2003, 624 |
DStRE 2003, 619 |