Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeitsklage, Zuständigkeit, Verweisung
Leitsatz (NV)
Richten sich die mit einer Nichtigkeitsklage gemäß §579 ZPO erhobenen Einwendungen inhaltlich gegen das erstinstanzliche Urteil, ist das erstinstanzliche und nicht das Revisions- oder Beschwerdegericht für die Entscheidung zuständig (Anschluß an den BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1994 VIII K 1/94, BFH/NV 1995, 800).
Normenkette
FGO § 70 S. 1, § 134; GVG § 17a Abs. 2 S. 1, § 17b Abs. 2 S. 1; ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 1, § 584 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger, Revisionskläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) hat wegen Einkommensteuer und Gewerbesteuermeßbetrag 1985 bis 1993 Klage erhoben. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen; sie sei wirksam zurückgenommen worden. Zudem hat es mit Beschluß vom selben Tage den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren wegen mangelnder Erfolgsaussichten abgelehnt. Die gegen das Urteil eingelegte Revision und die gegen die Ablehnung der PKH gerichtete Beschwerde hat der Senat jeweils als unzulässig verworfen, da der Kläger bei der Einlegung beider Rechtsmittel nicht durch eine der in Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) genannten Personen vertreten war.
Der Kläger erhebt nunmehr "Nichtigkeitsklage gegen alle bisher ergangenen Entscheidungen des Finanzgerichts und des Bundesfinanzhofs" mit der Begründung, ihm sei der gesetzliche Richter und das rechtliche Gehör verweigert worden. Er beantragt u. a. die "Wiederaufnahme der Verfahren ... -- Bundesfinanzhof München". Gleichzeitig beantragt er für alle Verfahren PKH. Zur Begründung verweist der Kläger auf eine Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Arbeitsgericht und eine Vorentscheidung. Dieses Verfahren schließe alle Vorverfahren vor anderen Gerichten mit ein. Es stehe nunmehr fest, daß für die streitigen Zeiträume ein Arbeitsverhältnis für die tatsächlich erzielten und nachgewiesenen Einkünfte bestanden und daß es sich um Nettozahlungen gehandelt habe. Daher sei das erstinstanzliche Gericht (FG) in den vorliegenden Verfahren nicht der gesetzliche Richter gewesen. Es hätte die Rechtsstreite an das Arbeitsgericht verweisen müssen. Insoweit verweist der Kläger auf einen Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Juni 1993 VI B 108/92 (BFHE 171, 409, BStBl II 1993, 760).
Auch in seinem nachgereichten Schriftsatz rügt der Kläger formelle Fehler des FG. Er bestreitet, rechtswirksame Entscheidungen des FG erhalten zu haben. Es habe sich nicht um den gesetzlichen Richter, sondern ein Ausnahmegericht gehandelt.
Entscheidungsgründe
II. Der Senat wertet die "Nichtigkeitsklage" als Antrag auf Wiederaufnahme der durch den Senat rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren. Gemäß §134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. den Vorschriften der §§578 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann auch ein durch einen Beschluß beendetes Verfahren wieder aufgenommen werden, wenn der Beschluß ein selbständiges Verfahren abschließt und der materiellen Rechtskraft fähig ist (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252; vom 8. Dezember 1994 VII K 1/94, BFH/NV 1995, 795; vom 12. November 1996 II K 1/96, BFH/NV 1997, 195).
Da der Kläger rügt, ihm sei der gesetzliche Richter entzogen worden, stützt er seinen Antrag offensichtlich auf §579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. §134 FGO.
Für die vorliegenden Wiederaufnahmeverfahren ist der BFH funktionell unzuständig. Die Rechtsstreite werden daher entsprechend §70 Satz 1 FGO i. V. m. §17 a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) von Amts wegen an das FG als instanziell zuständiges Gericht verwiesen.
Zwar ist nach §584 Abs. 1 ZPO i. V. m. §134 FGO das Revisionsgericht zuständig, wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil aufgrund des §579 ZPO angefochten wird. Entsprechendes gilt für das Beschwerdegericht, das eine Beschwerdeentscheidung erlassen hat. Dies setzt jedoch voraus, daß das Revisions- oder Beschwerdegericht eine Sachentscheidung getroffen hat oder die Einwendungen sich gegen dessen Verfahren richten. Aus §584 Abs. 1 ZPO ist der Grundsatz zu entnehmen, daß für die Entscheidung über eine Klage im Wiederaufnahmeverfahren das Gericht zuständig sein soll, dessen Urteil mit der Klage angefochten wird (BFH-Beschluß vom 14. August 1979 VII K 11/74, BFHE 128, 487, BStBl II 1979, 777, 778). Richten sich daher die mit einer Nichtigkeitsklage gemäß §579 ZPO erhobenen Einwendungen inhaltlich gegen das erstinstanzliche Urteil, ist das erstinstanzliche und nicht das Revisions- oder Beschwerdegericht für die Entscheidung zuständig (BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1994 VIII K 1/94, BFH/NV 1995, 800, m. w. N.; siehe auch Beschluß vom 17. Februar 1994 VII B 245/93, BFH/NV 1994, 875, 876). Dasselbe gilt für die daneben gestellten Anträge auf Bewilligung von PKH, da deren Begründetheit von den Erfolgsaussichten der Wiederaufnahmeverfahren abhängt (§142 Abs. 1 FGO i. V. m. §114 ZPO).
Der Senat hat in den vorangegangenen Beschlüssen keine Sachentscheidung getroffen, sondern die Rechtsmittel mangels der erforderlichen Vertretung des Klägers als unzulässig verworfen. Zwar beantragt der Kläger formell die Wiederaufnahme dieser Verfahren beim BFH. Wie sich aus der Begründung seines Antrages ergibt, hält er jedoch den Finanzrechtsweg (§33 FGO) allgemein nicht für gegeben und wendet sich damit gegen die Zuständigkeit des FG bereits in der Vorinstanz. Der Vortrag des Klägers enthält auch im übrigen keine substantiierten Einwendungen gegen das Verfahren und die genannten Beschlüsse des Senats, insbesondere ist er nicht geeignet, die Befugnis des Klägers zur Vertretung vor dem BFH gemäß Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG zu belegen.
Im Falle der Zuständigkeit des Senats wären daher auch die vorliegenden Anträge des Klägers mangels Vertretung durch eine der in Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFHEntlG genannten Personen als unzulässig zu verwerfen (BFH-Beschluß vom 17. Juni 1997 VII K 1/97, BFH/NV 1997, 890).
Der Senat verweist den Rechtsstreit daher an das zuständige FG. Auch bei einer instanziellen Unzuständigkeit ist eine Verweisung von Amts wegen an das FG analog §70 FGO zulässig (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1995, 800, m. w. N.).
Gemäß §17 a Abs. 2 Satz 1 GVG sind die Beteiligten hierzu gehört worden. Auf ihre Stellungnahmen wird verwiesen. Die im Schriftsatz des Klägers angeführten Gründe stehen der Verweisung an das zuständige Gericht nicht entgegen.
Entsprechend §17 b Abs. 2 Satz 1 GVG i. V. m. §70 FGO hat das FG auch über die durch die Anrufung des BFH entstandenen Kosten mitzuentscheiden.
Fundstellen