Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörungsrüge ‐ Gegenvorstellung
Leitsatz (NV)
1. Ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig und der BFH damit gehindert, eine Sachentscheidung zu treffen, führt die Ablehnung des Antrags auf Akteneinsicht nicht zu einer Gehörsverletzung.
2. Es bleibt offen, ob eine Gegenvorstellung gegen Gerichtsentscheidungen, die in materielle Rechtskraft erwachsen, neben der gesetzlich geregelten Anhörungsrüge noch statthaft ist. Ein solcher außerordentlicher Rechtsbehelf kann jedenfalls nur auf schwerwiegende Rechtsverstöße gestützt werden.
Normenkette
FGO § 133a
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Antragstellers wegen doppelter Rechtshängigkeit abgewiesen. Mit Beschluss vom 20. Juni 2006 X B 55/06 hat der Senat die Beschwerde des Antragstellers wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller die vorliegende Anhörungsrüge erhoben und hilfsweise Gegenvorstellung eingelegt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das FG habe den verfassungsrechtlich durch Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Insbesondere habe es keine Akteneinsicht in das Fallheft des Außenprüfers gewährt. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) habe dem Antragsteller umfassende Akteneinsicht verweigert, obwohl davon die substantiierte Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde abhänge.
Der Antragsteller beantragt, das Verfahren gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) fortzuführen.
Entscheidungsgründe
II. Die Anhörungsrüge ist --bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Satz 2 FGO), denn der vermeintliche Verfahrensverstoß liegt nicht vor.
1. Nach § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn
- ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Ent
scheidung nicht gegeben ist und
- das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches
Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen (§ 133a Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO genannten Voraussetzungen darlegen (§ 133a Abs. 2 Satz 6 FGO).
a) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO kann mit der Anhörungsrüge nur vorgebracht werden, das Gericht --im Streitfall der beschließende Senat-- habe im Rahmen der angegriffenen Entscheidung gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Juni 2005 VI S 3/05, BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614, m.w.N.). Mit seinem Vorbringen, das FG habe seinen Gehörsanspruch verletzt, kann der Antragsteller somit nicht durchdringen.
b) Auch soweit der Antragsteller eine Gehörsverletzung durch den Senat rügt, kann die Anhörungsrüge keinen Erfolg haben. Da die Beschwerde unzulässig und der erkennende Senat damit gehindert war, eine Sachentscheidung zu treffen, waren die --dem BFH ausschließlich vorliegenden-- Prozessakten nicht geeignet, dem Rechtsschutz des Antragstellers in der Beschwerdesache zu dienen. Das Gericht hat seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
2. Der Senat kann offenlassen, ob eine Gegenvorstellung gegen Gerichtsentscheidungen, die --wie beispielsweise die Zurückweisung oder Verwerfung einer Nichtzulassungsbeschwerde-- in materielle Rechtskraft erwachsen, neben der gesetzlich geregelten Anhörungsrüge (§ 133a FGO) noch statthaft ist (zustimmend z.B. BFH-Beschluss vom 14. September 2005 VII S 47/05, BFH/NV 2006, 104; ablehnend z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Vor § 115 Rz 29, m.w.N.). Hierauf ist vorliegend deshalb nicht einzugehen, weil jedenfalls kein Streit darüber besteht, dass ein solcher außerordentlicher Rechtsbehelf nur auf schwerwiegende Rechtsverstöße, also darauf gestützt werden kann, dass die angegriffene Entscheidung auf einer gravierenden Verletzung von Grundrechten beruhe oder jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehre (BFH-Beschluss vom 13. Oktober 2005 IV S 10/05, BFHE 211, 13, BStBl II 2006, 76).
Die Gegenvorstellung des Antragstellers ist hiernach zu verwerfen, da sich --abgesehen von dem Vortrag, der beschließende Senat habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (s. oben zu II.1. des Beschlusses)-- der Begründung der Antragsschrift keine Rügen schwerwiegender Rechtsverstöße entnehmen lassen.
3. Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 50 € erhoben (vgl. Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.d.F. des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004, BGBl I 2004, 3220, Teil 6 Gebühr Nr. 6400).
Fundstellen
Haufe-Index 1612021 |
BFH/NV 2006, 2304 |