Leitsatz (amtlich)
1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Schenkung einer vollwertigen Forderung mit der (unverzüglich erfüllten) Auflage, für diese einen Kommanditanteil zu erwerben, der gemäß § 23 Abs. 6 und 2 ErbStG als überschuldet erscheint, mit dem Nennwert der Forderung angesetzt werden darf, selbst wenn der gemeine Wert der Kommanditanteile höher ist als der Wert der geschenkten Forderung.
2. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob eine etwa verfassungswidrige Ungleichheit zwischen der Bewertung von Grundstücken nach Einheitswerten und der Bewertung anderer Gegenstände nach gemeinen Werten oder vergleichbaren Werten dazu berechtigen würde, bei der Erbschaftsbesteuerung (Schenkungsteuer) Grundstücke schlechthin mit den gemeinen Werten zu bewerten.
Normenkette
ErbStG 1959 § 23 Abs. 6, 2, 1, § 24 Abs. 1 S. 1, Abs. 8; BewG 1965 § 9 Abs. 1, § 12 Abs. 1, §§ 19-20; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, 3; AO § 1 Abs. 1 S. 1; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Berichtigung: Im Bundessteuerblatt Nr. 12 vom 11. Mai 1971 ist auf Seite 271, linke Spalte Abs. 2 die Zeile 14 nochmals als Zeile 17 abgedruckt worden. Dafür fehlen jedoch die Worte: "-abgesehen (Unterschied: §§ 528, 530, 531 BGB) - auf"...
Der Großvater der Kläger war persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft gewesen. Durch notariell beurkundeten Vertrag trat er von seiner Darlehnsforderung gegen die Gesellschaft in Höhe von 1 000 000 DM an jeden der Kläger einen Teilbetrag von 200 000 DM (nebst den darauf entfallenden, noch nicht fälligen Zinsen seit Jahresbeginn) schenkungsweise ab mit der Auflage, daß die Kläger unter Einlage dieser Beträge als Kommanditisten in die Gesellschaft einträten. Die damals zwischen eineinhalb Monaten und dreieinhalb Jahren alten Kläger waren beim Vertragsschluß durch einen eigens für diesen bestellten Pfleger vertreten.
Persönlich haftende Gesellschafter der Kommanditgesellschaft waren zu diesem Zeitpunkt die Tochter des Schenkers (Mutter der beiden Klägerinnen) und dessen Sohn (Vater des Klägers); Kommanditistin war die Frau des Schenkers. Die Vermögensanteile der Gesellschafter waren gleich und je zum Nominalbetrag von 400 000 DM angesetzt.
Die Gesellschafter waren bereits zuvor übereingekommen, die Kläger als Kommanditisten aufzunehmen. Darauf war in dem Schenkungsvertrag hingewiesen. Nach dem Vertrag der Parteien sollten die Kläger im Verhältnis ihrer Einlagen zum sogenannten Gesamtnennkapital an dem Vermögen der Gesellschaft beteiligt werden. Ein entsprechender Vertrag wurde vier Monate nach dem Schenkungsvertrage geschlossen.
Der gemeine Wert der von den Klägern erworbenen Anteile überstieg den Wert ihrer Einlagen erheblich. Nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien ergibt sich jedoch bei Ansatz der Einheitswerte für die Betriebsgrundstücke eine bewertungsrechtliche Überschuldung der Kommanditgesellschaft in Höhe von rund zwei Millionen Deutscher Mark. Den Einheitswerten von 1 414 329 DM steht ein Ertragsteuerbilanzansatz von 5 757 986,49 DM gegenüber; der gemeine Wert der Grundstücke ist nicht festgestellt.
Das FA (Beklagter) hat gegen jeden der Kläger aus einem Betrag von 201 529 DM eine Schenkungsteuer von 19 965 DM festgesetzt. Die Kläger sind der Ansicht, ihr Großvater habe ihnen die Beteiligungen an der Kommanditgesellschaft geschenkt; die Besteuerung müsse wegen derer bewertungsrechtlichen Überschuldung entfallen. Ihre Einsprüche und ihre Anfechtungsklagen hatten keinen Erfolg.
Mit ihren Revisionen rügen die Kläger unter Hinweis auf das Urteil des BFH II 259/57 S vom 19. August 1959 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 69 S. 420 - BFH 69, 420 -, BStBl III 1959, 417) Verletzung der §§ 3 und 23 ErbStG. Sie begehren Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Sie haben beantragt, zunächst deren Vollziehung auszusetzen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide war auszusetzen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 FGO). An deren Rechtmäßigkeit bestehen ernstliche Zweifel (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Nicht gefolgt werden kann allerdings der Ansicht der Revisionen, für den Gegenstand der Schenkungen komme es entscheidend allein darauf an, was die Beschenkten schließlich erhalten hätten, und überhaupt nicht darauf, auf welche Weise es der Schenker ihnen verschafft hatte (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 167 S. 199 [202 f.] - RGZ 167, 199 [202 f.] -). Der Gegenstand der Schenkung wird vielmehr durch die Einigung über die unentgeltliche Zuwendung und nicht durch deren Motiv bestimmt.
Der Wortlaut des Schenkungsvertrags spricht somit gegen den Standpunkt der Kläger. Denn die Auflage, daß die Kläger "sich mit den erworbenen Beträgen an der Kommanditgesellschaft" als Kommanditisten beteiligen, konnte erst wirksam werden, nachdem der Schenker seinerseits geleistet (§ 525 Abs. 1 BGB), also die Teile der Darlehnsforderungen abgetreten hatte. Deren Zuwendung ist dem Wortlaut des Vertrages nach Gegenstand der Schenkungen.
Zwar muß jede Vertragspartei im Verhältnis zur anderen diejenige Auslegung gegen sich gelten lassen, die nach der Verkehrsauffassung die gewöhnliche und regelmäßige ist (RGZ 117, 102 [105]; nicht der gedachte, sondern der kundgegebene Wille ist maßgebend (RGZ 67, 431 [433]). Bei dessen Würdigung ist aber gemäß §§ 133, 157 BGB das gesamte Verhalten der Vertragschließenden zu berücksichtigen (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 47 S. 75 [78] - BGHZ 47, 75 [78] -) und auf deren etwa übereinstimmende Vorstellungen abzustellen (BGHZ 20, 109 [110]). Von bewußt falschen Erklärungen abgesehen (vgl. RGZ 104, 296 [298]) kann selbst ein beurkundungsbedürftiger Vertrag (RGZ 109, 334) statt mit dem scheinbar erklärten mit dem übereinstimmend gewollten Inhalt zustande kommen (RGZ 99, 147).
§ 516 Abs. 1 BGB fordert nicht, daß der Gegenstand, der als unentgeltliche Bereicherung in das Vermögen des Beschenkten gelangt, sich vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden haben muß (RGZ 167, 199 [201]; vgl. Entscheidung des BGH Monatsschrift für Deutsches Recht 1955 S. 283 [284] - MDR 1955, 283 [284] -). Die Bereicherung aus dem Vermögen des Schenkers kann vielmehr darin liegen, daß dieser einem anderen mit seinen Mitteln einen Gegenstand von einem Dritten verschafft, ohne daß der Schenker selbst zunächst Eigentümer geworden ist (BGH, Neue Juristische Wochenschrift 1952 S. 1171 - NJW 1952, 1171 -; vgl. BFH-Urteil II 259/57 S, a. a. O.). Dabei ist zu berücksichtigen, daß auch die Schenkung von Kommanditanteilen durch die Gesellschafter selbst in aller Regel nicht durch Abtretung (§§ 413, 398 BGB) bewirkt werden kann (BFH-Urteil II 131/63 vom 25. Juni 1969, BFH 96, 416 [419], BStBl II 1969, 653).
Was daraus für die Revisionsentscheidung folgt, kann dahingestellt bleiben. Denn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide ist auch dann ernstlich zweifelhaft (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO), wenn man mit dem Wortlaut des Schenkungsvertrags davon ausgeht, daß den Klägern Geldforderungen zugewandt wurden mit der Auflage, für diese Kommanditanteile zu erwerben, welche - wovon in diesem Verfahren (§ 69 Abs. 3 Satz 1 FGO) auszugehen ist - auf Grund der in § 23 ErbStG in Bezug genommenen Vorschriften des BewG als Gegenstände unmittelbarer Zuwendungen "wertlos" gewesen wären.
Vermögensanfall im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist - möglicherweise abweichend von dem sonstigen Sprachgebrauch (vgl. Kipp, Kommentar zum ErbStG, 1927, § 23 Anm. 3) - nicht die Summe des erworbenen Aktivvermögens, sondern - wie aus dem Bereicherungsprinzip des ErbStG folgt (Kipp, a. a. O., § 23 Anm. 1) - dieses abzüglich der Lasten. Die folgenden Vorschriften erläutern und modifizieren diesen Grundsatz. In diesem Zusammenhang ist auch die hier maßgebende Vorschrift des § 24 Abs. 8 ErbStG zu sehen. Auch sie unterstellt nicht, Vermögensanfall im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sei der ungekürzte Gegenstand der Zuwendung; sie geht vielmehr - wie alle anderen Vorschriften des § 24 ErbStG - davon aus, daß zwar die volle steuerbare und nicht befreite Bereicherung zur Steuer heranzuziehen ist, aber auch nur diese. Nur innerhalb dieses Grundsatzes grenzt § 24 Abs. 8 ErbStG - insofern am ehesten vergleichbar der Vorschrift des § 24 Abs. 6 ErbStG - die Voraussetzungen ab, unter denen eine Auflage als bereicherungsmindernd angesehen werden kann.
Das wird bestätigt durch den klaren Wortlaut der in § 24 Abs. 8 ErbStG als Regel und Ausnahme aufgestellten Rechtsätze. "Ist eine Zuwendung unter einer Auflage gemacht, die in Geld veranschlagt werden kann", - vgl. dazu § 3 Abs. 3 ErbStG - "so ist die Zuwendung nur insoweit steuerpflichtig, als sie den Wert der Leistung des Beschwerten übersteigt", - mit der Ausnahme - "es sei denn, daß die Leistung dem Zweck der Zuwendung dient." Diese Ausnahme besagt also, daß solche Auflagen, welche den Beschwerten nicht entreichern (vgl. § 818 Abs. 3 BGB), auch dann nicht abzugsfähig sind, wenn sie Geldwert haben. Darunter fallen insbesondere Anordnungen über Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung des vererbten, vermachten oder geschenkten Gegenstandes, welche Aufwendungen nach sich ziehen, die entweder den Wert dieses Gegenstandes im Umfang der Aufwendungen erhöhen oder eine Wertminderung gleichen Umfangs verhindern. Eine solche Auflage enthält eine Belastung, "die in Geld veranschlagt werden kann" (oder kann sie zumindest enthalten); gemäß § 24 Abs. 8 ErbStG kann aber der Erwerber nicht geltend machen, er hätte diese Aufwendungen aus freien Stücken nicht gemacht oder für die Erhaltung oder Verbesserung des zugewendeten Gegenstandes, wenn er in seinen Entschlüssen frei wäre, in anderer Weise gesorgt. Dagegen nimmt § 24 Abs. 8 ErbStG dem Erwerber nicht den Einwand, er würde durch die ihm auferlegten Aufwendungen entreichert, etwa deshalb, weil die von ihm erwarteten Maßnahmen nicht geeignet seien, den Wert des unentgeltlich erworbenen Gegenstandes zu erhalten oder zu erhöhen.
Im vorliegenden Fall geht es nicht um Aufwendungen auf die geschenkten Gegenstände, sondern - sofern nicht die Kommanditanteile, sondern Darlehnsbeträge geschenkt sind - um die Verwendung des geschenkten Gegenstandes selbst. Insofern könnte kein Zweifel bestehen, daß überhaupt keine Schenkung an die Kläger vorläge, wenn die zu erwerbenden Kommanditanteile auch nach den Einlagen von dreimal 200 000 DM wertlos wären (RGZ 62, 386), und daß bei geringerem Wert der Anteile die Besteuerungsgrundlage gemäß § 24 Abs. 8 ErbStG genau in dem Umfang gemindert würde, in dem der Wert der Kommanditanteile geringer wäre als der Wert der zugewendeten Forderungen.
Hier geht es nicht darum, daß die kraft Auflage zu erwerbenden Kommanditanteile wirklich wertlos wären (im Gegenteil übersteigt ihr Wert den der aufgewendeten Forderungen bei weitem), wohl aber darum, ob § 23 ErbStG gestattet oder gebietet, diese Kommanditanteile anders zu bewerten je nachdem, ob sie selbst (bei Erlaß entsprechender Teile der Darlehnsforderungen des Schenkers) zugewandt sind (Wert: Null), oder ob die Beschenkten verpflichtet sind, unter Aufwendung der geschenkten Forderungen diese Kommanditanteile zu erwerben (wobei für dieses Verfahren davon auszugehen ist, daß auch das Einbringen der Kläger den erbschaftsteuerrechtlichen Wert der Kommanditanteile nicht über Null hebt). Es ist ernstlich zu erwägen, den Kommanditanteilen gemäß § 23 ErbStG in beiden Fällen den gleichen Wert beizumessen mit der Folge, daß hier jeweils der Schenkung einer vollwertigen Forderung die Verpflichtung (Auflage) gegenüberstünde, für diese bewertungsrechtlich "wertlose" (überschuldete) Kommanditanteile zu erwerben, so daß im Sinne der §§ 23, 24 ErbStG der Saldowert der Schenkungen wiederum Null wäre.
Für eine solche Lösung spricht: § 24 Abs. 1 Satz 1 ErbStG geht von einer Saldierung der Aktiven und Passiven aus, ohne für diese Vorschriften zu geben. Die "Wertermittlung" - so die Überschrift der §§ 22 ff. ErbStG - wird zumindest dem äußeren Anschein nach hinsichtlich der Bewertung durch § 23 ErbStG abschließend geregelt. § 23 Abs. 2 ErbStG läßt für Grundvermögen und für Betriebsgrundstücke (vgl. § 23 Abs. 6 Satz 1 ErbStG) schlechthin den Einheitswert maßgebend sein. Zwar sagt § 23 Abs. 3 ErbStG: "Gehört zum Erwerb nur ein Teil der in Absatz 2 bezeichneten wirtschaftlichen Einheiten ..."; es muß aber problematisch erscheinen, aus dieser auf den (allein gesehenen) Regelfall abgestellten Redewendung schwerwiegende Konsequenzen für die hier maßgebende Frage abzuleiten. Das gilt um so mehr, als es - von konstruierbaren Grenzfällen abgestellten Redewendung schwerwiegende Konsequen das gleiche hinausläuft, ob der Schenker für den zu Beschenkenden das Grundstück eines Dritten unmittelbar erwirbt (§ 328 Abs. 1 BGB) oder ob er ihm die Mittel für den Erwerb dieses Grundstücks schenkt mit der - von dem Beschenkten alsbald erfüllten - Auflage, dieses Grundstück mit dem geschenkten Betrage zu erwerben (vgl. § 527 Abs. 1 BGB). Insofern - wenn auch nur insofern - entspricht die Gleichstellung beider Fälle dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Sie ist in sich sinnvoll, sofern es sinnvoll ist, Grundstücke mit dem Einheitswert (§§ 19, 20 des BewG 1965) oder entsprechenden Werten (§ 23 Abs. 2 und 3 ErbStG), andere Gegenstände dagegen mit dem gemeinen Wert (§ 9 Abs. 1 BewG 1965) oder diesem annähernd entsprechenden Werten einzusetzen (§ 23 Abs. 1 ErbStG).
Demgegenüber hat der erkennende Senat in dem Beschluß II B 40-41/69 vom 9. Dezember 1969 (BFH 97, 315 [317 ff.], BStBl II 1970, 121), wenn auch zu einem besonders gelagerten Fall, für ernstlich zweifelhaft (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO) erachtet, ob die offenbare Diskrepanz zwischen der Bewertung gemäß § 23 Abs. 1 ErbStG und der Bewertung gemäß § 23 Abs. 2 ErbStG nach Einheitswerten (§§ 19 ff. BewG 1965) mit der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 des GG) zu vereinbaren ist. Dieser Zweifel ist nicht behoben. Ihm hat das FG Münster (Urteil III 321/69 vom 26. Juni 1970, EFG 1970, 505 [506]) unter Hinweis auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) 1 BvR 420/64 vom 7. Mai 1968 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 23 S. 242 - BVerfGE 23, 242 -) die Ansicht entgegengesetzt, eine etwaige Verfassungswidrigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) des Verhältnisses von § 23 Abs. 2 ErbStG zu § 23 Abs. 1 ErbStG könne allenfalls zur Folge haben, daß auch die in § 23 Abs. 2 ErbStG erwähnten Gegenstände gemäß der Regel des § 23 Abs. 1 ErbStG mit dem gemeinen Wert (§ 9 Abs. 1 BewG 1965) anzusetzen seien. Mit dieser Auffassung (die für das FG Münster nur eine Hilfserwägung ist, weil es die Gleichheitswidrigkeit verneint) wären die vorerwähnten Bedenken überwunden, wenn sie selbst außerhalb ernstlichen Zweifels stünde. Denn wenn in der Erbschaftbesteuerung stets die Allgemeinen Bewertungsvorschriften - und nur diese - Platz greifen müßten, wären die angefochtenen Steuerbescheide in jedem Falle richtig, da deren Besteuerungsgrundlage, wenn auch vermittels des § 12 Abs. 1 BewG 1965, den gemeinen Werten (§ 9 Abs. 1 BewG 1965) der unentgeltlichen Zuwendungen entspricht.
Es ist ernstlich zweifelhaft (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO), ob als Konsequenz einer etwa verfassungswidrigen (Art. 3 Abs. 1 GG) Ungleichheit der Bewertung gemäß § 23 Abs. 2 ErbStG und der Bewertung gemäß § 23 Abs. 1 ErbStG angenommen werden dürfte, daß auch in der Bundesrepublik belegene Grundstücke (vgl. § 23 Abs. 5 ErbStG) zu Lasten eines Steuerpflichtigen statt mit dem Einheitswerte (§ 23 Abs. 2 ErbStG) oder einem entsprechenden Werte (§ 23 Abs. 3 und 4 ErbStG) mit dem gemeinen Werte (§ 9 BewG 1965) anzusetzen seien. Denn die - hier zu unterstellende - Gleichheitswidrigkeit der Normen hat nicht der Steuerpflichtige, sondern der Staat zu vertreten; es muß problematisch erscheinen, einem Steuerpflichtigen wegen unvollkommener Gesetze eine höhere als die normierte Steuer (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AO Art. 2 Abs. 1 GG) aufzuerlegen. Das gilt um so mehr, als bei einer solchen Lösung eine etwaige Ungleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) nur im Raume theoretischer Dogmatik, nicht aber in der Praxis behoben wäre. Denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde die Finanzverwaltung in den Erbschaftsteuerfällen, bei denen vom Wortlaut des Gesetzes her die Bewertung gemäß § 23 Abs. 2 ErbStG unproblematisch ist, an der Wertermittlung nach Einheitswerten festhalten. Es sprechen hinreichende, im folgenden noch näher zu erörternde Gründe dafür, daß ein solches Vorgehen im Hinblick auf die bereits erwähnten Art. 2 Abs. 1 GG, § 1 Abs. 1 Satz 1 AO sowie auf Art. 20 Abs. 3 GG nicht einmal dann dem Vorwurf der Rechtswidrigkeit ausgesetzt wäre, wenn die - hier nur als ernstlich möglich zu unterstellende, aber nicht zu behauptende - ungleichartige Besteuerung gleichwertiger Bereicherungen verfassungswidrig wäre.
Es läßt sich in diesem Zusammenhang nicht nur für das in gewissen Grenzen voraussehbare Verhalten der Finanzverwaltung, sondern auch unmittelbar für die in diesem Verfahren (§ 69 Abs. 3 Satz 1 FGO) zu treffende Entscheidung immerhin erwägen: § 23 ErbStG enthält eine unter Beachtung der dort in Bezug genommenen Vorschriften abschließende Regelung der für die Erbschaftbesteuerung maßgebenden Wertansätze. Eine höhere als die sich aus diesen Vorschriften in Verbindung mit den Befreiungs- und Ermäßigungsvorschriften des Gesetzes und den dort vorgeschriebenen Steuersätzen sich ergebenden Besteuerung hat der Gesetzgeber nicht gewollt; sie ist nach Wortlaut, Sinn und Zweck des Gesetzes diesem nicht zu entnehmen. Zu Lasten des Steuerpflichtigen höhere Ansätze wären demnach durch das Gesetz nicht gedeckt (Art. 20 Abs. 3 GG) und vom Steuerpflichtigen nicht hinzunehmen (Art. 2 Abs. 1 GG); dem Umfang nach würde auf eine höhere Steuerfestsetzung nicht der Tatbestand zutreffen, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO).
Gemäß dem Vorbehalt des § 23 Abs. 1 ErbStG richtet sich die Bewertung nach den Allgemeinen Bewertungsvorschriften des Ersten Teils des BewG nur, "soweit nicht in den Absätzen 2 bis 7 etwas Besonderes vorgeschrieben ist". Damit ist ausdrücklich ausgesprochen - was ohnehin gälte -, daß die besonderen Vorschriften für die Bewertung einzelner Gegenstände der allgemeinen Bewertungsregel (§ 23 Abs. 1 ErbStG) vorgehen (vgl. § 1 BewG). Es ist nicht ohne weiteres ein Anhalt dafür zu ersehen, daß der Gesetzgeber für den Fall, daß die in § 23 Abs. 2 bis 4 und Abs. 6 ErbStG getroffenen Vorschriften problematisch würden, die Anwendung der Allgemeinen Bewertungsvorschriften gewollt hätte; verfügt hat er das jedenfalls nicht. Eine entsprechende Umdeutung muß um so problematischer erscheinen, als sie zugleich eine erhebliche Erhöhung des Gesamtsteueraufkommens zur Folge hätte (vgl. Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 a. F., Art. 125 GG; Art. 105 Abs. 2, Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 3 und 4 n. F. GG). Manches spricht dafür, daß der Gesetzgeber die vermittels § 23 ErbStG vorgeschriebene Bewertung weder ändern kann noch will (vgl. Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965, BGBl I 1965, 851), ohne zugleich die Steuersätze (§ 11 ErbStG) herabzusetzen oder die Freibeträge (§ 17 ErbStG) zu erhöhen, zumal der vorbehaltlose Ansatz gemeiner Werte die Erben sozial schwacher Grundbesitzer schwer treffen würde (vgl. auch Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 GG). Es bleibt sogar die Frage, ob der Gesetzgeber nicht gezwungen sein wird, für landwirtschaftliches Vermögen (mit Ausnahme des Großgrundbesitzes) - jedenfalls solange, als die Landwirtschaft vom Erwerber selbst betrieben oder nicht veräußert wird (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 3 letzter Satz ErbStG) - und für Wohngrundstücke (vgl. § 75 Abs. 1 BewG 1965) normaler Ausstattung (vgl. § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG 1965), solange sie nicht diesem Zweck entfremdet werden, an einem Ertragswertverfahren (§§ 36, 76 Abs. 1 BewG 1965) mit niederen Ansätzen festzuhalten, da vor allem in Ballungsgebieten der gemeine Grundstückswert den Ertragswert der bestimmungsgemäßen Nutzung bei weitem übersteigen kann.
Für das Ergebnis kann somit dahingestellt bleiben, ob die unterschiedliche Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, des Grundvermögens, der Betriebsgrundstücke und der Gewerbeberechtigungen einerseits (§ 23 Abs. 2 ErbStG), der sonstigen Erwerbe andererseits (§ 23 Abs. 1 ErbStG) gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt. Denn unbeschadet der Regel, daß gegen das Grundgesetz verstoßende Gesetze unmittelbar gebrochen werden (vgl. zu Art. 31 GG Beschluß des BVerfG 2 BvL 16/68 vom 9. Juni 1970, NJW 1970, 1592), bleibt für den Bereich des Art. 3 Abs. 1 GG die Frage, welche der untereinander abweichenden Regelungen gegen das Grundgesetz verstoße. Dabei ist für den vorliegenden Fall charakteristisch, daß Regel und Ausnahme in unabgeänderter Fassung in ein und demselben vorkonstitutionellen Gesetz enthalten sind, und daß bei Nichtigkeit der Ausnahmeregelung die durch das Gesetz auferlegte Belastung vergrößert würde.
Dieses Bedenken ist kaum durch die Erkenntnis auszuräumen, daß die Besteuerung nach gemeinen (§§ 9, 11 Abs. 2 und 3 BewG 1965) oder im wesentlichen Ergebnis gleichen (z. B. § 11 Abs. 1, § 12 Abs. 1 BewG 1965) Werten für das ErbStG (§ 23 Abs. 1) systemgerecht ist. Selbst wenn die vorerwähnten Bedenken (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG, § 1 Abs. 1 Satz 1 AO) nicht durchgreifen würden, könnte somit die in § 23 Abs. 2 ErbStG verfügte Ausnahme von der Regel des § 23 Abs. 1 ErbStG (vgl. § 1 BewG) allenfalls dann für nichtig erachtet werden, wenn der Gesetzgeber die Regelvorschrift des § 23 Abs. 1 ErbStG ohne Änderung des Steuertarifs, der Freibeträge oder der Befreiungs- und Ermäßigungstatbestände auch dann erlassen hätte, wenn er sich der Unzulässigkeit der Ausnahme bewußt gewesen und die Rechtsfolge ihrer Unwirksamkeit hingenommen hätte. Von dieser Auffassung ist auch - unter einer für die konkrete Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 GG) neuen Beurteilung der prozessualen Frage (§ 80 Abs. 2, § 82 Abs. 1, § 78 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht) - der Beschluß des BVerfG 1 BvL 17/67 vom 11. Mai 1970 (BStBl II 1970, 579, HFR 1970, 398) nicht abgegangen.
Dieser Standpunkt liegt bereits den Urteilen des BFH II 131/63 vom 25. Juni 1969 (BFH 96, 416, BStBl II 1969, 653) und II 83/62 vom 10. März 1970 (BFH 99, 133, BStBl II 1970, 562) zugrunde. Denn beide Urteile heben unter Bezugnahme auf Vorschriften des Zweiten Teils des BewG ausdrücklich hervor, daß bei der Bewertung des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft die Gewinnchancen des Unternehmens außer Betracht bleiben müssen (BFH 96, 416 [420]; BFH 99, 133 [139]). Das träfe nicht zu, wenn gemäß den Vorschriften des Ersten Teils des BewG der Betrieb im ganzen (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BewG) mit seinem gemeinen Werte (§ 9 Abs. 1 BewG 1965) anzusetzen wäre (Urteil II 95-96/64 vom 16. Juni 1970, BFH 99, 413, BStBl II 1970, 690, die Bewertung bei der Gesellschaftsteuer betreffend).
Eine solche Beurteilung könnte allerdings zur Folge haben, daß der Abzug bei dem durch eine Auflage Belasteten und die Besteuerungsgrundlage bei dem durch eine Auflage unentgeltlich Begünstigten (§ 2 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) nicht mehr korrespondieren. Entsprechendes könnte für die Pflichtteilslast des Erben einerseits und die Bewertung des Pflichtteils beim Berechtigten andererseits geboten sein (vgl. Beschluß II B 40-41/69 vom 9. Dezember 1969, BFH 97, 315, BStBl II 1970, 121). Eine solche Entsprechung ist aber nicht durch die Verfassung geboten; nicht einmal die Steuergesetze haben dieses Erfordernis ausdrücklich aufgestellt.
Schwerer wiegt das Bedenken, daß die hier für (ernstlich) möglich erachtete Lösung des vorliegenden Falles keine Antwort darauf gibt, wie eine etwa anzunehmende verfassungswidrige Ungleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) der Absätze 1 und 5 einerseits, der Absätze 2 bis 4 des § 23 ErbStG andererseits für die erstgenannten beiden Vorschriften aufzulösen wäre. Das muß hier aber dahingestellt bleiben. Denn das Gericht ist nur dazu berufen, die jeweils anstehenden Fälle zu entscheiden; wie andere Fälle zu behandeln sind, muß der Prüfung der jeweils zuständigen Stellen überlassen bleiben.
Für das Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 FGO) kommt hinzu, daß allein schon der ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts zur Aussetzung der Vollziehung verpflichtet (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 2 Satz 2 FGO). Hat das Gericht gewichtige Gründe erkannt, welche gegen die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechen und nicht durch gegenläufige Gründe bis zum Wegfall ernstlichen Zweifels ausgeräumt werden können, so kann in diesem Verfahren die Rechtsfrage nicht abschließend geprüft werden, weil es für die Aussetzungsentscheidung hierauf nicht ankommt (Beschluß III B 9/66 vom 10. Februar 1967, BFH 87, 447 [451], BStBl III 1967, 182).
Fundstellen
Haufe-Index 69201 |
BStBl II 1971, 269 |
BFHE 1971, 289 |