Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Darlegungspflicht bei Divergenz
Leitsatz (NV)
Divergenz i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist nur dann hinlänglich dargetan (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO), wenn abstrakte Rechtssätze des erstinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze der Divergenzentscheidung(en) so genau bezeichnet werden, daß eine Abweichung erkennbar ist.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 3
Tatbestand
Vor dem FG stritten die Beteiligten um die einkommensteuerrechtliche Würdigung des Vertrages, auf Grund dessen der inzwischen verstorbene Ehemann der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), der einen Einzelhandel mit Reifen betrieben hatte und außerdem als Vulkaniseur tätig gewesen war, seinem Sohn das Betriebsgrundstück geschenkt und außerdem für 175 000 DM den Gewerbebetrieb einschließlich Inventar und Betriebsanlagen verkauft hatte.
Das FG stellte sich im Gegensatz zum Beklagten und Beschwerdeführer (dem FA) in seinem klagestattgebenden Urteil auf den Standpunkt, es sei unzutreffend, in Fällen der hier streitigen Art eine Betriebsübertragung in einen voll entgeltlichen und in einen voll unentgeltlichen Teil aufzuspalten. Es liege vielmehr auch dann ein Fall des § 16 Abs. 1 EStG vor, wenn der Kaufpreis unter dem gemeinen Wert oder gar unter dem Buchwert liege und wenn sich Veräußerer wie Erwerber der teilweisen Unentgeltlichkeit des Geschäfts bewußt gewesen seien. Ob ein Veräußerungsgewinn entstehe, richte sich - ebenso wie in allen anderen Fällen der Betriebsübertragung - nach § 16 Abs. 2 EStG. Zur Begründung dieser Ansicht berief sich das FG u. a. (vgl. im übrigen S. 6 f. des Urteils) auf das BFH-Urteil vom 10. Juli 1986 IV R 12/81 (BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811).
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich das FA unter Berufung auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Es macht geltend, das FG-Urteil weiche sowohl von dem vorgenannten als auch von dem BFH-Urteil vom 19. Februar 1981 IV R 116/77 (BFHE 133, 176, BStBl II 1981, 566) ab. Das angefochtene Urteil lasse erkennen, daß es den Kaufvertrag als einheitlichen Vorgang (gemischte Schenkung) ansehe. Dabei sei übersehen worden, daß dies einen einheitlichen Vertrag und eine unteilbare Leistung voraussetze. Im Streitfall aber lägen zwei voneinander unabhängige Verträge mit teilbarer Leistung vor, nämlich eine unentgeltliche Betriebsübertragung und der Verkauf von Wirtschaftsgütern, die keine wesentliche Betriebsgrundlage darstellten, weswegen insoweit ein laufender Gewinn anzunehmen sei. Aber auch dann, wenn man den Verkauf von Wirtschaftsgütern als Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlage qualifiziere, ergäbe sich ein höherer Veräußerungsgewinn, als ihn das FG errechnet habe. Jedenfalls sei dessen Überlegungen die Grundlage entzogen. Das Urteil in BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811 trage die angefochtene Entscheidung nicht, weil dort der Sachverhalt einer gemischten Schenkung angenommen worden sei. Aus dieser falschen rechtlichen Beurteilung des Rechtsgeschäfts resultiere auch die Abweichung von dem Urteil in BFHE 133, 176, BStBl II 1981, 566.
Das FA beantragt, die Revision gegen das FG-Urteil zuzulassen.
Die Klägerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Der Zulassungsgrund, auf den sich das FA beruft, muß im Falle der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Weise dargetan werden, daß der Rechtsuchende die Entscheidung des BFH, von der Abweichung behauptet wird, bezeichnet. Das bedeutet, daß kenntlich gemacht werden muß, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegen soll. Dem ist nur genügt, wenn abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze der Divergenzentscheidung (en) des BFH so genau bezeichnet werden, daß eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, 480 m.w.N.). Dies ist im Rahmen des Begründungszwangs Sache des Beschwerdeführers. Es reicht im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht aus, daß der BFH Umstände erkennt, aus denen sich eine Begründung i. S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO herleiten ließe.
Dieser Darlegungspflicht ist das FA nicht nachgekommen. Es hat sich vielmehr auf Angriffe gegen die Richtigkeit des FG-Urteils beschränkt. Die sind recht detailliert. Doch darauf kommt es im Hinblick auf die unterschiedliche Zielrichtung von Revision und Nichtzulassungsbeschwerde nicht an. Statt die vermeintlich unzutreffende Qualifizierung des Vertrages vom 3. März 1980 durch das FG oder dessen Rechtsanwendung überhaupt anzugreifen, hätte das FA in seiner Beschwerdebegründung die dem Urteil zugrundeliegenden generellen rechtlichen Aussagen herausarbeiten und denjenigen der beiden BFH-Urteile gegenüberstellen müssen, von denen angeblich abgewichen wurde. Beides ist hier nicht geschehen. Daher war die Beschwerde ohne Sachprüfung zu verwerfen.
Fundstellen
Haufe-Index 415193 |
BFH/NV 1988, 239 |