Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgsaussichten bei Prozeßkostenhilfe; Kosten des Beschwerdeverfahrens
Leitsatz (NV)
1. Die Erfolgsaussichten einer Klage sind als hinreichend i. S. des § 114 Satz 1 ZPO anzusehen, wenn die Gründe für und gegen einen Erfolg als gleichwertig zu bewerten sind.
2. Beruht der Erfolg einer Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozeßkostenhilfe durch das FG darauf, daß Unterlagen vorgelegt wurden, die bereits im finanzgerichtlichen Verfahren hätten vorgelegt werden können und müssen, so trägt der Antragsteller die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Normenkette
FGO §§ 137, 142; ZPO §§ 114, 115 Abs. 1, 4, § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Bauarbeiter. Das Finanzamt (FA) erließ gegenüber dem Antragsteller für die Jahre 1979 bis 1981 geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es die bisher der Besteuerung zugrunde gelegten Bruttolöhne um etwa 60 000 DM im Jahre 1979, 56 000 DM im Jahre 1980 und 10 000 DM im Jahre 1981 erhöhte. Die Änderungen beruhen auf einer Mitteilung des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen X. Die Mitteilung wird auf nachträglich gefertigte Aufzeichnungen des Geschäftsführers der früheren Arbeitgeberin des Antragstellers gestützt, nach denen diese Beträge dem Antragsteller zugewendet worden sein sollen. Der Antragsteller bestreitet, von dem Geschäftsführer sog. Schwarzgeldzahlungen erhalten zu haben.
Den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für die Klage gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide für 1979 bis 1981 hat das Finanzgericht (FG) mit Beschluß abgelehnt.
Das FG hat seine Entscheidung damit begründet, der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, daß er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht tragen könne. Denn der Antragsteller sei rechtsschutzversichert und habe trotz zweimaliger Aufforderung den Versicherungsschein nicht vorgelegt. Er habe auch die angekündigte Bescheinigung der Rechtsschutzversicherung nicht vorgelegt. Es könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, daß der Antragsteller die Kosten der Prozeßführung tragen könne, weil die Rechtsschutzversicherung für die Kosten des Klageverfahrens aufkommen müsse.
Der Antragsteller hat dagegen Beschwerde eingelegt und im Laufe des Verfahrens eine Bescheinigung seiner Rechtsschutzversicherung vorgelegt, aus der hervorgeht, daß für die Klage gegen die Einkommensteuerbescheide für 1979 bis 1981 kein Rechtsschutz gewährt wird.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet.
Gemäß § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht oder nur zum Teil aufbringen kann, PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall mit der Maßgabe erfüllt, daß dem Antragsteller PKH gegen Ratenzahlung zu bewilligen ist.
1. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers im Klageverfahren hat hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach den vorliegenden Akten ist bisher für den Antragsteller keine Vermögenszuwachsrechnung aufgestellt worden, die eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen des vom FA behaupteten Sachverhalts ergeben könnte. Da das FA die objektive Feststellungslast für die Richtigkeit seiner Behauptung trägt, der Antragsteller habe sog. Schwarzgeldzahlungen erhalten, und da sich insoweit die Behauptungen des Antragstellers und des Geschäftsführers des früheren Arbeitgebers des Antragstellers entgegenstehen, erscheint dem Senat der Ausgang des Klageverfahrens als offen. Dies reicht für die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht aus (vgl. dazu Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. September 1992 VII B 62/92, BFH/NV 1994, 149, 150).
2. Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren glaubhaft gemacht (§ 142 FGO i. V. m. § 118 Abs. 2 ZPO), daß er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nur zum Teil tragen kann.
Nach der im Beschwerdeverfahren eingereichten Bescheinigung tritt die Rechtsschutzversicherung nicht für die Kosten des Klageverfahrens ein, so daß die PKH nicht mehr wegen des Bestehens einer Rechtsschutzversicherung versagt werden kann.
a) Bei der gemäß § 115 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Ermittlung des Einkommens sind lediglich die eigenen Einkünfte des Antragstellers zu berücksichtigen. Dabei ist nicht ausschließlich die zuletzt eingereichte nichtdatierte Gehaltsbescheinigung über ein Nettogehalt von ca. 2 300 DM zugrunde zu legen. Denn als "Zeitraum" des bescheinigten Bruttogehalts ist "ab 14. 6. 94" eingetragen. Aus weiteren Eintragungen folgt, daß sich die Bescheinigung auf 17 Kalendertage bezieht. Der Bescheinigung ist danach nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, daß sie sich auf ein Monatsgehalt bezieht. Aus der im finanzgerichtlichen Verfahren eingereichten Gehaltsbescheinigung ergab sich ein Nettogehalt des Antragstellers für Januar 1993 in Höhe von 2 798,32 DM. Außerdem war dort angegeben, daß die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht immer gleich seien. Der Stundenlohn betrug nach der Gehaltsbescheinigung für Januar 1993 damals 25 DM. Er beträgt nach der nunmehr eingereichten Bescheinigung 28 DM, ist also um 12 v. H. höher. Wegen der Erhöhung des Stundenlohnes und der nach eigenen Angaben schwankenden Höhe des Monatsgehalts erscheint es dem Senat angemessen, von einem durchschnittlichen monatlichen Nettogehalt des Antragstellers von etwa 3 100 DM auszugehen. Insgesamt belaufen sich damit die Einnahmen des Antragstellers unter Einbeziehung des Kindergeldes auf 3 170 DM.
Davon sind nachgewiesene monatliche Ausgaben in Höhe von
Unfallversicherung 58 DM
Krankenversicherung 191 DM
Kredit A-Bank 869 DM
1 118 DM abzuziehen.
Die behaupteten Mietzahlungen an die Ehefrau und die Aufwendungen für die Gebäudeversicherung sind nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO als besondere Bela stung (vgl. dazu Zöller, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., § 115 Rdnr. 31) des Antragstellers anzuerkennen, da sie auf einer freiwilligen Grundlage geleistet worden sind.
Bei dem verbleibenden Betrag von 2 052 DM und einer unterhaltsberechtigten Person (ein Sohn) ergibt sich nach der Tabelle in Anlage 1 zu § 114 ZPO eine monatliche Rate von 300 DM.
b) Die Ehefrau ist gemäß § 115 Abs. 4 Satz 1 ZPO bei der Anwendung der Tabelle nicht als Unterhaltsberechtigte zu berücksichtigen, weil sie eigenes Einkommen hat. Denn sie erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1 700 DM.
Sie ist gemäß § 115 Abs. 4 Satz 2 ZPO bei Anwendung der Tabelle aber dann zu berücksichtigen, wenn bei einer Zusammenrechnung der Einkommen der Partei (des Antragstellers) und des Unterhaltsberechtigten eine geringere oder keine Monatsrate zu zahlen ist.
Bei einer Zusammenrechnung stehen den gesamten Einkünften der Eheleute in Höhe von 4 870 DM (3 100 DM + 1 700 DM + 70 DM) abziehbare Ausgaben des Antragstellers von 1 118 DM zuzüglich eines Betrages von monatlich 112 DM für die Gebäudeversicherung, also ingesamt 1 230 DM gegenüber. Die abziehbaren Ausgaben der Ehefrau betragen 1 250 DM. Der Antragsteller hat die erklärte Belastung in Höhe von monatlich 2 516,75 DM trotz der Aufforderung zu einem lückenlosen Nachweis nicht glaubhaft gemacht (§ 142 FGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Aus den im finanzgerichtlichen Verfahren eingereichten Unterlagen ergibt sich lediglich eine monatliche Zinsbelastung von 1 250 DM. Der sich nach Abzug dieser Ausgaben ergebende Überschuß von 2 390 DM führt nach der Tabelle in Anlage 1 zu § 114 ZPO bei zwei unterhaltsberechtigten Personen ebenfalls zu einer monatlichen Rate von 300 DM.
Von dem Betrag von 2 390 DM sind im Streitfall auch keine weiteren besonderen Belastungen im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO wegen des Ansteigens der Mietkosten seit Einführung der Tabelle in Anlage 1 zu § 114 ZPO abzuziehen (vgl. dazu Zöller, a.a.O., § 115 Rdnr. 31). Denn der Antragsteller und seine Ehefrau zahlen keine Miete, sondern wohnen im eigenen Haus. Die Zinsaufwendungen für das Haus einschließlich der Kosten für die Gebäudeversicherung in Höhe von monatlich insgesamt 1 362 DM sind bereits als besondere Belastung i. S. des § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO vor Anwendung der Tabelle als Ausgaben der Ehefrau abgezogen worden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 137 FGO. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren dem Antragsteller aufzuerlegen, da er im Verfahren vor dem FG seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist und den erforderlichen Nachweis über den Umfang der Rechtsschutzversicherung trotz entsprechender Aufforderungen durch das FG erst im Beschwerdeverfahren erbracht hat.
Fundstellen
Haufe-Index 420282 |
BFH/NV 1995, 153 |