Entscheidungsstichwort (Thema)
Mandatsniederlegung durch den Prozessbevollmächtigten nach Tod des Beschwerdeführers; keine Unterbrechung des Beschwerdeverfahrens
Leitsatz (NV)
Stirbt der Beschwerdeführer, nachdem sein Prozessbevollmächtigter Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt hat, wird das Verfahren nicht unterbrochen, auch wenn der Prozessbevollmächtigte später das Mandat niederlegt. Die Niederlegung wird erst wirksam mit der Anzeige eines anderen Bevollmächtigten.
Normenkette
BGB § 188 Abs. 2; FGO § 54 Abs. 2, §§ 56, 62a, 116 Abs. 3, § 155; ZPO § 87 Abs. 1, §§ 222, 239 Abs. 1, § 246 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 20.05.2005; Aktenzeichen 8 K 2071/98 E) |
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wegen Einkommensteuer 1995 mit Urteil vom 20. Mai 2005, das am 27. Mai 2005 zugestellt wurde, als unbegründet abgewiesen. Die Revision ließ das FG nicht zu. Dem Urteil ist eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung beigefügt.
Mit ihrer fristgerecht durch eine Steuerberaterin eingelegten Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision kündigten die Kläger die Nachreichung einer Begründung an.
Mit Schreiben vom 9. August 2005, welches der Prozessbevollmächtigten am 11. August 2005 zugestellt worden ist, wies die Senatsvorsitzende auf den Ablauf der Begründungsfrist am 27. Juli 2005 sowie auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hin.
Die Prozessbevollmächtigte der Kläger teilte in ihrer schriftlichen Antwort vom 8. September 2005 mit, der Kläger sei im August 2005 verstorben. Auf ihre Bitte, die notwendigen Unterlagen zur Fertigung der Beschwerdebegründung zu übermitteln, habe die Klägerin nicht reagiert. Das Mandat werde daher niedergelegt. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat die Prozessbevollmächtigte nicht gestellt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
1. Das Verfahren ist durch das Ableben des Klägers während des Beschwerdeverfahrens nicht gemäß § 239 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO unterbrochen; denn der Kläger war im Zeitpunkt seines Todes durch eine ausdrücklich bevollmächtigte und vor dem Bundesfinanzhof (BFH) postulationsfähige Prozessbevollmächtigte vertreten (§ 246 Abs. 1 erster Halbsatz ZPO i.V.m. § 155 FGO; BFH-Beschlüsse vom 14. Juli 1987 VII R 81/83, BFH/NV 1988, 164, und vom 16. Mai 1989 V B 5/89, BFH/NV 1990, 796).
Die mit Schriftsatz vom 8. September 2005 erklärte Mandatsniederlegung durch die Prozessbevollmächtigte der Kläger war unwirksam, da vor dem BFH Vertretungszwang besteht (§ 62a FGO), und die Niederlegung nach § 155 FGO i.V.m. § 87 Abs. 1 ZPO erst wirksam wird mit der Anzeige der Bestellung eines anderen Bevollmächtigten (BFH-Urteil vom 13. Januar 1977 V R 87/76, BFHE 121, 20, BStBl II 1977, 238; Beschluss vom 20. Dezember 1985 VI B 53/85, BFH/NV 1986, 689; vgl. auch BFH-Beschluss vom 23. Februar 2004 XI B 164/02, BFH/NV 2004, 969).
2. Die Kläger haben innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist keine Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO entsprechend den gesetzlichen Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen.
Die Frist für die Begründung der Beschwerde lief gemäß § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 ZPO und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 27. Juli 2005 ab.
Eine Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.
3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Begründungsfrist ist den Klägern nicht zu gewähren.
a) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 Abs. 1 FGO ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Einen solchen Antrag haben die Kläger trotz des Hinweises der Senatsvorsitzenden in dem ihrer Prozessvertreterin am 11. August 2005 zugestellten Schreiben auf die Versäumung der Begründungsfrist und auf § 56 FGO nicht gestellt.
b) Auch die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO kommt nicht in Betracht, da die versäumte Rechtshandlung --hier die Beschwerdebegründung-- nicht innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1460436 |
BFH/NV 2006, 314 |