Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspätungszuschlag trotz Vollverzinsung
Leitsatz (NV)
- Ein Verspätungszuschlag kann auch nach der Einführung der Vollverzinsung noch festgesetzt werden; er ist grundsätzlich sogar dann nicht ausgeschlossen, wenn der Zinsvorteil durch die Nachzahlungszinsen bereits abgeschöpft sein sollte.
- Der Verspätungszuschlag ist keine Strafe, sondern ein besonderes Druckmittel der Steuerverwaltung zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Veranlagungsverfahrens.
- Das FA kann bei seiner Ermessensentscheidung darauf abstellen, ob der Steuerpflichtige die Frist zur Abgabe von Steuererklärungen bereits mehrfach erheblich überschritten hat. Nicht erforderlich ist es, den einzelnen Ermessenskriterien des § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 einen bestimmten Teilbetrag des Verspätungszuschlages zuzuordnen.
Normenkette
AO 1977 §§ 152, 233a; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die in der Beschwerdeschrift geltend gemachte Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung ―FGO― in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung) liegt schon deshalb nicht vor, weil nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (vgl. z.B. Beschluss des erkennenden Senats vom 14. April 1998 IV B 3/97, BFH/NV 1998, 1243) ein Verspätungszuschlag auch dann festgesetzt werden kann, wenn das Finanzamt entsprechend der eingereichten Steuererklärung einen Teil der vorausbezahlten Steuer erstatten muss. Damit ist zugleich geklärt, dass die Festsetzung eines Verspätungszuschlages durch die Einführung der Vollverzinsung nicht ausgeschlossen, sondern sogar auch dann zulässig ist, wenn der Zinsvorteil schon nach § 233a der Abgabenordnung (AO 1977) abgeschöpft sein sollte (BFH-Urteil vom 14. Juni 2000 X R 56/98, BFHE 192, 213, BStBl II 2001, 60). Ohnehin ist darauf hinzuweisen, dass der Zinslauf in der Regel erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Steuer entsteht (§ 233a Abs. 2 AO 1977); die Steuererklärungen grundsätzlich aber bereits 5 Monate, ausnahmsweise 9 Monate nach Ablauf dieses Kalenderjahres einzureichen sind.
2. Unter diesen Umständen haben die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), worauf der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) zu Recht hinweist, auch den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2, 1. Alternative FGO) nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt. Zu Unrecht behaupten die Kläger, § 152 AO 1977 sei mit der Einführung der Vollverzinsung verfassungswidrig geworden, weil diese Sanktion zu einer "Doppelbestrafung" führe und damit jedenfalls unverhältnismäßig sei. Das Argument von der angeblichen Doppelbestrafung trifft nicht zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf seinen Beschluss vom 22. Dezember 2000 IV B 5/00 (BFH/NV 2001, 746) Bezug. Aus denselben Gründen kommt auch dem Vorwurf keine grundsätzliche Bedeutung zu, § 152 AO 1977 verstoße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. Denn der Verspätungszuschlag ist keine Strafe, sondern ein besonderes Druckmittel der Steuerverwaltung zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Veranlagungsverfahrens (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22. Januar 1993 III R 92/89, BFH/NV 1993, 455, und vom 18. August 1988 V R 19/83, BFHE 154, 23, BStBl II 1988, 929).
Die Rechtssache ist auch nicht etwa deshalb von allgemeinem Interesse, weil das FA im Streitfall in der Einspruchsentscheidung darauf abgestellt hat, dass die Kläger die Frist zur Abgabe der Steuererklärungen mehrfach erheblich überschritten haben; das ist möglich (vgl. Urteil in BFHE 192, 213, BStBl II 2001, 60). Geklärt ist weiter die Rechtsfrage, ob bei der Bemessung der Höhe eines Verspätungszuschlags von der Finanzbehörde alle in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 bezeichneten Ermessenskriterien zu berücksichtigen sind. Das macht es aber nicht erforderlich, jedem Kriterium einen bestimmten Teilbetrag des Zuschlags zuzuordnen (s. z.B. Senatsbeschluss vom 10. August 2000 IV B 130/99, BFH/NV 2001, 146).
3. Die Kläger haben schließlich nicht ausreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), dass das angefochtene Urteil auf einem Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beruhe. Das FG ist nach seiner hier maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung davon ausgegangen, dass das FA für die Bemessung der Höhe des Verspätungszuschlages im Wesentlichen auf die erhebliche Fristüberschreitung, und zwar im Wiederholungsfall, und auf die damit verbundene erhebliche Mehrbelastung für die Finanzverwaltung abgestellt hatte. Daran gemessen spielte die von den Klägern angestrebte geringfügige Minderung der Einkommensteuer 1997 keine Rolle mehr. Das FG war daher weder gehalten, das Verfahren auszusetzen noch die genaue Höhe der angestrebten Minderung genau zu ermitteln; es hatte eine solche Minderung vielmehr als gegeben unterstellt.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen
Haufe-Index 682568 |
BFH/NV 2002, 475 |