Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung von Prozesshandlungen
Leitsatz (NV)
Legt ein Angehöriger der rechts- oder steuerberatenden Berufe Revision ein, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ihm die unterschiedlichen Rechtsschutzziele von Revision und Nichtzulassungsbeschwerde bekannt sind und deshalb dieses Rechtsmittel eingelegt ist.
Normenkette
FGO § 115
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Das Urteil ist dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 1. Oktober 1999 zugestellt worden.
Hiergegen hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 8. November 1999 "Revision, hilfsweise Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision oder ein sonstiges zulässiges Rechtsmittel" eingelegt; er rügt als Verfahrensmangel, das FG habe zu Unrecht keine Wiedereinsetzung hinsichtlich der versäumten Klagefrist gewährt. Das FG hat das Rechtsmittel als Beschwerde beurteilt. Es hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Durch Schreiben vom 17. Dezember 1999 (zugestellt am 23. Dezember 1999) hat die Geschäftsstelle des erkennenden Senats den Kläger darauf hingewiesen, dass die Beschwerdefrist am 2. November 1999 abgelaufen und deshalb die Beschwerde verspätet erhoben worden sei. Gleichzeitig wurde der Kläger auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen. Hierauf hat er nicht reagiert.
Entscheidungsgründe
II. 1. Zu Recht hat das FG das Rechtsmittel als Beschwerde gedeutet.
Als Prozesshandlung ist das Anbringen eines Rechtsbehelfs in gleicher Weise wie bürgerlich-rechtliche Willenserklärungen der Auslegung zugänglich, wobei nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille anhand der erkennbaren Umstände zu ermitteln ist; auf die korrekte Bezeichnung des Rechtsbehelfs kommt es daher nicht an. Darüber hinaus ist nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige den Rechtsbehelf einlegen wollte, der seinen Belangen entspricht und zu dem von ihm angestrebten Erfolg führen kann (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 18. Dezember 1985 I R 30/85, BFH/NV 1986, 675, m.w.N.). Von einem rechtskundigen Berufsangehörigen kann zwar erwartet werden, dass diesem die unterschiedlichen Rechtsschutzziele, die durch Revision einerseits und Beschwerde andererseits erreicht werden können, geläufig sind (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 9. Februar 1997 I B 3/94, BFH/NV 1997, 590, m.w.N.). Aus dem vom Prozessbevollmächtigten des Klägers erstellten Schriftsatz ergibt sich jedoch ohne weiteres, dass der Kläger mit dem hierfür zulässigen Rechtsmittel eine Überprüfung des angefochtenen Urteils wegen des behaupteten ―offensichtlich nicht zu den Verfahrensmängeln i.S. des § 116 FGO gehörenden― Verfahrensmangels anstrebt und hierfür ggf. die Zulassung der Revision begehrt.
2. Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie verspätet eingelegt worden ist.
Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO kann die Nichtzulassung der Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils angefochten werden. Nachdem das Urteil des FG dem Kläger am 1. Oktober 1999 zugestellt worden war, lief die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung, § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches am 2. November 1999 ab. Die am 8. November 1999 erhobene Beschwerde war deshalb verspätet. Gleiches gälte im Übrigen wegen Ablaufes der einmonatigen Revisionsfrist (§ 120 Abs. 1 FGO) auch für die Revision. Gründe für eine Wiedereinsetzung sind weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.
Fundstellen