Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwendung des Geschäftsguthabens einer Genossenschaft zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken als Voraussetzung der Förderung nach § 17 EigZulG
Leitsatz (NV)
Es ist zweifelhaft, ob die Finanzverwaltung (im BMF-Schreiben vom 21. Dezember 2004, BStBl I 2005, 305, Tz. 79) die Eigenheimzulage bei Anschaffung von Genossenschaftsanteilen davon abhängig machen kann, dass mehr als zwei Drittel des Geschäftsguthabens der Genossen und der aufgenommenen Kreditmittel zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken verwandt werden (Anschluss an BFH-Beschluss vom 25. Juni 2007 IX B 55/07, BFH/NV 2007, 1637).
Normenkette
EigZulG § 17; FGO § 69
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine seit Januar 1998 im Genossenschaftsregister eingetragene Genossenschaft, deren Zweck nach § 2 Abs. 1 ihrer Satzung "die Förderung ihrer Mitglieder vorrangig durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung und die Ermöglichung des Erwerbs von Wohneigentum" ist. Nach ihrer Satzung räumt sie ihren Mitgliedern, die eine Förderung nach § 17 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) erhalten, unwiderruflich das vererbliche Recht auf Erwerb des Eigentums an der von ihnen zu Wohnzwecken genutzten Wohnung für den Fall ein, dass die Mehrheit der in einem Objekt wohnenden Genossenschaftsmitglieder der Begründung von Wohneigentum und Veräußerung der Wohnungen schriftlich zugestimmt hat (§ 14a Abs. 1 der Satzung).
Die Antragstellerin plante zunächst, zur Bereitstellung des erforderlichen Kapitals für die vorgesehenen Investitionen eine Vielzahl von Genossen zu werben, ohne allen Genossen die tatsächliche Nutzung einer genossenschaftlichen Wohnung einzuräumen. Nachdem sie dieses Vorhaben nach eigenen Angaben zwischenzeitlich aufgrund der im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 10. Februar 1998 (BStBl I 1998, 190, Teilziffer -Tz.- 108) vertretenen Rechtsauffassung, dass die Selbstnutzung der Wohnung durch das Genossenschaftsmitglied Voraussetzung für die Gewährung der Eigenheimzulage sei, vorübergehend nicht mehr weiter verfolgt hatte, nahm sie ihren Geschäftsbetrieb im Jahre 2002 wieder auf. Grund dafür war nach dem Vortrag der Antragstellerin die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 15. Januar 2002 IX R 55/00 (BFHE 197, 507, BStBl II 2002, 274), dass eine Nutzung der genossenschaftlichen Wohnung durch die Anspruchsberechtigten nicht erforderlich sei. Sie schloss im Mai 2002 einen notariellen Kaufvertrag über den Erwerb von 16 Eigentumswohnungen (ETW) zum Preis von 805 558 € unter einer aufschiebenden und in der Folgezeit nicht eingetretenen Bedingung.
Ebenso schloss sie im Dezember 2003 drei notarielle Grundstückskaufverträge über den Erwerb von Mietwohngrundstücken (1. Objekt: sieben Wohnungen, Kaufpreis: 646 100 €; 2. Objekt: zwei Gewerbe- und fünf Wohneinheiten, Kaufpreis: 1 324 474 €; 3. Objekt: zehn Gewerbe- und acht Wohneinheiten, Kaufpreis: 2 578 900 €) unter der aufschiebenden Bedingung der Genehmigung einer Schuldübernahme durch die Antragstellerin, die durch die Gläubiger des Verkäufers nicht erteilt wurde. Nach dem infolgedessen erklärten Rücktritt der Antragstellerin von den Kaufverträgen wurde der Kaufvertrag über das 1. Objekt erneut im November 2004 --zu geänderten Bedingungen-- abgeschlossen. Auf die vereinbarte Kaufpreisverpflichtung zahlte die Antragstellerin im Jahr 2005 acht Teilkaufpreisraten zu jeweils 22 432 € (d.h. insgesamt 179 456 €) an den Verkäufer. Auch die notariellen Grundstückskaufverträge über die Objekte 2 und 3 wurden im November 2004 erneut abgeschlossen.
Aufgrund einer Sonderprüfung der Eigenheimzulage für Genossenschaftsanteile bei der Antragstellerin stellte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) vom 1. März 2005 fest, dass die Antragstellerin nicht die Anforderungen für eine begünstigte Genossenschaft i.S. des § 17 EigZulG erfülle, da nicht unmittelbar mit einer Investitionstätigkeit begonnen worden sei und nicht mehr als zwei Drittel des Geschäftsguthabens der Genossen zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken verwendet worden seien. Die Antragstellerin sei aus von ihr zu vertretenden Gründen bis Ende 2003 weder wirtschaftliche noch zivilrechtliche Eigentümerin der Grundstücke geworden; den in den Jahren 2002 und 2003 eingezahlten Geschäftsguthaben (1 223 236 €) stünden Provisionszahlungen von insgesamt 655 000 € gegenüber. Dagegen haben die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat.
Nachdem das FA den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids abgelehnt hatte, hat die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung durch das FG beantragt. Diesen Antrag hat das FG als unbegründet mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 558 zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen.
Mit ihrer Beschwerde trägt die Antragstellerin vor, ihr Bemühen um den Abschluss der Grundstückskaufverträge dokumentiere in ausreichendem Umfang ein Tätigwerden i.S. der Tz. 107 des BMF-Schreibens vom 10. Februar 1998 (BStBl I 1998, 190). Die Zweifel des FG an der dauerhaften Sicherung der vereinbarten Kaufpreiszahlungen seien nicht nachvollziehbar; sie, die Antragstellerin, habe neben den bereits nachgewiesenen acht Teilzahlungen weitere Zahlungen im Umfang von 67 296 € und damit insgesamt bereits 40 v.H. des Gesamtkaufpreises geleistet. Im Übrigen hänge die Frage, ob die Antragstellerin ihr Geschäftsguthaben "maßgebend für wohnungswirtschaftliche Zwecke verwendet habe", entgegen der Ansicht des FG nicht davon ab, dass dieses Erfordernis ("Verwendung zu mehr als Zweidrittel") zu jedem beliebigen Zeitpunkt des Förderzeitraums erfüllt werde. Vielmehr müsse auf den gesamten Förderzeitraum abgestellt werden.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss auszusetzen und die Vollziehung des Bescheids über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Voraussetzungen des § 17 EigZulG vom 1. März 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
In keinem Jahr habe die Antragstellerin bisher das Erfordernis, mehr als zwei Drittel ihres Geschäftsguthabens zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken zu verwenden, erfüllt. Bis zum Kalenderjahr 2004 habe sie keinen Wohnungsbestand geschaffen. Provisions- und Vertriebszahlungen stellten keine wohnungswirtschaftliche Verwendung des Geschäftsguthabens dar. Selbst bei einem Ruhen der Geschäftstätigkeit bis zum Jahre 2002 hätte die Antragstellerin mit der Investitionstätigkeit zum Ende jenes Jahres beginnen müssen; indessen sei der Kaufvertrag vom 14. Mai 2002 über die Anschaffung eines Grundstücks in Eberswalde nicht zum Abschluss gebracht worden. Die Gründe für die Rückabwicklung habe die Antragstellerin zu vertreten. Auch seien mit dem Erwerb des Objekts 1 nur sieben Wohnungen angeschafft worden. Angesichts von mehr als 2000 Genossen der Antragstellerin sei deshalb ein genossenschaftliches Wohnen nicht gegeben.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet; die Vollziehung des angefochtenen Feststellungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist wegen ernstlicher Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.
1. Nach § 69 Abs. 2 und 3 FGO kann die Vollziehung eines Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Das ist der Fall, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluss vom 14. September 1994 IX B 142/93, BFHE 175, 421, BStBl II 1995, 778, m.w.N.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juli 1994 IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116).
2. Der BFH hat mit dem Beschluss vom 25. Juni 2007 IX B 55/07 entschieden, dass angesichts noch fehlender höchstrichterlicher Entscheidung zur Frage,
in welchem Umfang die --unabdingbare (vgl. BFH-Urteil vom 29. März 2007 IX R 28/06)-- wohnungswirtschaftliche Verwendung eines Geschäftsguthabens von Genossenschaften gegeben sein muss, um eine Förderung ihrer Genossen nach § 17 EigzulG zu ermöglichen und inwieweit dabei die bislang von der Finanzverwaltung zugrunde gelegte sog. Zweidrittel-Grenze von Bedeutung sein kann,
ernstliche Zweifel gegen Bescheide der Finanzverwaltung bestehen, die auf diese Zweidrittel-Grenze --wie die streitbefangene Feststellung-- gegründet sind.
Die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage ist entgegen der Auffassung des FG nach dem im Aussetzungsverfahren festgestellten Sachverhalt auch im Streitfall gegeben, weil im Zeitpunkt der angefochtenen Feststellung wohnungswirtschaftliche Aktivitäten der Antragstellerin vorlagen und damit auch für diesen Fall das --für die Anwendbarkeit des § 17 EigZulG erforderliche-- Maß dieser wohnungswirtschaftlichen Aktivitäten einer rechtlichen Beurteilung im Hauptsacheverfahren bedarf.
Fundstellen
Haufe-Index 1799050 |
BFH/NV 2007, 2081 |