Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlrecht zur Gewinnermittlung bei gewerblichem Grundstückshandel
Leitsatz (NV)
1. Wird der gewerbliche Grundstückshandel minderkaufmännisch ausgeübt, so kann der Steuerpflichtige den Gewinn nur dann im Wege einer Einnahme-Überschuß-Rechnung ermitteln, wenn er das ihm zustehende Wahlrecht zu Beginn des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums ordnungsgemäß in diesem Sinne ausgeübt hat. Lediglich die Mitteilung der getroffenen Wahl darf noch später, nämlich noch bei der Abgabe der Steuererklärung oder sogar noch im finanzgerichtlichen Verfahren, erfolgen.
2. Die Ausübung des Wahlrechts setzt voraus, daß sich der Steuerpflichtige bewußt ist, nicht nur überhaupt steuerpflichtige Einkünfte, sondern zu den Gewinneinkünften gehörende gewerbliche Einkünfte zu erzielen. Insbesondere setzt sie den Willen und das Bewußtsein voraus, eine Wahl zu treffen, auch wenn die Wahl regelmäßig durch schlüssiges Verhalten getroffen wird.
Normenkette
AO 1977 §§ 140, 141 Abs. 1-2; EStG § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 4 Abs. 1, 3 S. 1, § 5 Abs. 1, § 15 Abs. 2 S. 1; HGB § 1 Abs. 2, §§ 2, 4 Abs. 1, § 38 a. F
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine aus den Gesellschaftern Rechtsanwalt X und dessen Ehefrau bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die seit 1983 einen gewerblichen Grundstückshandel betreibt.
Die GbR hatte 1983 zum Preis von 1,1 Mio. DM einen bereits in 18 Eigentumswohnungen aufgeteiltes, jedoch erst teilweise modernisiertes Mietwohnhaus erworben, zusätzlich das Dachgeschoß ausgebaut und in den Streitjahren 1983 bis 1985 14 Eigentumswohnungen veräußert. Hinsichtlich weiterer vier Eigentumswohnungen, die bereits verkauft, jedoch noch nicht aufgelassen worden waren, traten die Veräußerer die Rechte und Pflichten aus den jeweiligen Kaufverträgen an die Klägerin ab.
Die Klägerin erklärte für die Jahre 1983 und 1984 entsprechend ihrer ursprünglichen Rechtsauffassung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung Verluste aus Ver mietung und Verpachtung sowie Spekulationsgeschäften. Mangels Abgabe einer Feststellungserklärung ermittelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) für 1985 die gewerblichen Einkünfte im Schätzungswege. Zur Begründung ihres Einspruchs reichte die Klägerin eine Feststellungserklärung für 1985 über Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ein, welcher eine Einnahme-Überschuß-Rechnung über Mieteinnahmen und Werbungskosten beigefügt war.
Im Anschluß an eine im Januar 1988 für die Streitjahre durchgeführten Außenprüfung beurteilten die Beteiligten die Tätigkeit der GbR übereinstimmend als gewerblichen Grundstückshandel. Der Prüfer vertrat außerdem die Auffassung, die Klägerin sei gemäß § 2 des Handelsgesetzbuches (HGB), § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) buchführungspflichtig, weil ihr Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert habe. Mangels einer entsprechenden Buchführung ermittelte der Prüfer die gewerblichen Einkünfte im Schätzungswege unter Anwendung des Bestandsvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG.
Die gegen die nach § 164 Abs. 2 der Ab gabenordnung (AO 1977) geänderten Feststellungsbescheide mit dem Begehren, die Einkünfte nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln, eingelegten Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 148 veröffentlichten Urteil statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Abs. 1 und Abs. 3 EStG).
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält -- ohne weitere Begründung -- das angefochtene Urteil für rechtsfehlerfrei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Das FG ist rechtsfehlerhaft und in Abweichung von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung im Streitfall von der Ausübung des Wahlrechts nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG durch die Klägerin zugunsten einer Gewinnermittlung für ihren gewerblichen Grundstückshandel in den Streitjahren 1983 bis 1985 durch Einnahme-Überschuß- Rechnung ausgegangen.
1. Die Voraussetzungen für einen durch die Klägerin in den Streitjahren ausgeübten gewerblichen Grundstückshandel nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1983 hat das FG in Übereinstimmung mit der gemeinsamen Rechtsauffassung der Beteiligten ohne Rechtsfehler bejaht (vgl. zu den Voraussetzungen u. a. Urteil des erkennenden Senats vom 21. Mai 1993 VIII R 10/92, BFH/NV 1994, 94, m. w. N.).
2. Das FG hat die Voraussetzungen einer Buchführungspflicht der Klägerin in den Streitjahren verneint (vgl. §§ 140, 141 AO 1977). Das FA hat sich dieser rechtlichen Würdigung im Revisionsverfahren angeschlossen. Der erkennende Senat braucht die Rechtsfrage indessen nicht abschließend zu entscheiden.
Steuerpflichtige, die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, können als Gewinn den Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG).
a) Die Klägerin hat nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) weder freiwillig Bücher geführt und Abschlüsse gemacht noch hat das FA der Klägerin unbeschadet des Vorliegens der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale gemäß § 141 Abs. 1 und 2 AO 1977 die Verpflichtung zur Buchführung mitgeteilt.
b) Eine Buchführungspflicht der Klägerin konnte sich allein aus § 2 i. V. m. § 38 Abs. 1 HGB in der für die Streitjahre noch geltenden alten Fassung ergeben. Bei der Auslegung der Merkmale des § 2 HGB ist streitig, ob ein sonstiges gewerbliches Unternehmen, welches -- wie der gewerbliche Grundstückshandel -- kein Grundhandelsgewerbe nach § 1 Abs. 2 HGB betreibt (vgl. insbesondere Nr. 1; dazu Jehner, Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1991, 1408, 1411; Schmidt-Liebig, Steuerliche Betriebsprüfung 1996, 81, 82) zumindest der Art nach typischerweise einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (für eine konkrete Prüfung sprechen sich das FG Münster vom 24. April 1995 11 K 4912/91 F, EFG 1996, 423, 424, rechtskräftig; FG Nürnberg vom 22. Juni 1992 V 166/88, EFG 1992, 705, rechtskräftig, m. w. N.; für eine Typisierung: Mahlow, Der Betrieb -- DB -- 1991, 1189, 1193; Schmidt-Liebig, a. a. O., 81, 83 bezüglich der Art des Unternehmens, bezüglich des Umfangs des Geschäftsbetriebs tritt er für eine konkrete Prüfung bei Projekten bis zu zehn Wohnungen ein; generell für ein Wahlrecht Ehlers, Harzburger Steuerprotokoll 1994, 83, 125; derselbe, DStR 1989, 687, 733).
Die Frage bedarf indes im Streitfall keiner abschließenden Klärung; denn selbst wenn die Klägerin von Gesetzes wegen als Minderkaufmann (vgl. § 4 Abs. 1 HGB) nicht buchführungspflichtig gewesen ist, hat sie jedenfalls ein dann bestehendes Wahlrecht zwischen einer Ermittlung ihres Gewinns nach § 4 Abs. 3 EStG oder nach den Grundsätzen des Vermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1 EStG) im maßgebenden Zeitpunkt, nämlich zum Beginn des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums, nicht ordnungsgemäß zugunsten einer Einnahme-Überschuß-Rechnung ausgeübt. Liegt -- wie im Streitfall -- keine Buchführung vor, ist der Gewinn zu schätzen. Die Schätzungsmethode richtet sich grundsätzlich nach der Gewinnermittlungsart des Betriebes. Die bei einem Minderkaufmann (§ 4 HGB; Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. Oktober 1989 III R 30--31/85, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, 288) an sich mögliche Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG kommt im Streitfall jedoch mangels einer Ausübung des Wahlrechts nicht in Betracht.
Die Ausübung des Wahlrechts setzt voraus, daß sich der Steuerpflichtige bewußt ist, nicht nur überhaupt steuerpflichtige Einkünfte, sondern gewerbliche Einkünfte zu erzielen, die zu den sog. Gewinneinkünften gehören (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG; BFH- Urteile vom 11. August 1992 VII R 90/91, BFH/NV 1993, 346, 348; vom 20. Mai 1988 III R 217/84, BFH/NV 1990, 17, 18; vom 8. März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714, 715; vom 11. Dezember 1987 III R 204/84, BFH/NV 1988, 296; vom 29. August 1985 IV R 111/83, BFH/NV 1986, 158, 159; vom 30. September 1980 VIII R 201/78, BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301, 302 -- betreffend gewerblichen Grundstückshandel und ausdrücklich für den Fall Bestreitens, gewerblich tätig geworden zu sein; in -- nicht entscheidungserheblicher Weise -- offengelassen im BFH-Urteil vom 21. August 1994 X R 110/90, BFH/NV 1995, 390, 391 -- es war unstreitig, daß der Steuerpflichtige überhaupt gewerbliche Einkünfte erzielt hatte --; FG Münster EFG 1996, 423, 424, rechtskräftig; Urteil des Niedersächsischen FG vom 20. April 1988 VII 505/84, EFG 1988, 578, 580; FG Rheinland-Pfalz vom 2. Juli 1987 3 K 113/86, EFG 1987, 607, rechtskräftig; zustimmend im Schrifttum Littmann/Bitz/Hellwig, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., §§ 4, 5 Rz. 44; Weber- Grellet in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. D 31 und 33).
Die Ausübung des Wahlrechts setzt den Willen und das Bewußtsein voraus, überhaupt eine Wahl zu treffen. Die Wahl wird zwar regelmäßig durch schlüssiges Verhalten ausgeübt. Dies kann durch Aufzeichnungen nur der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben oder durch das ordnungsgemäße Erstellen und Sammeln der Einnahme- und Ausgabebelege erfolgen (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1994 X R 192/93, BFH/NV 1995, 587). Auch im BFH-Urteil in BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, 289, auf welches sich das FG in dem angefochtenen Urteil bezieht, war dem Steuerpflichtigen bekannt, daß er als Handelsvertreter gewerbliche Einkünfte erzielte. Der BFH hat insoweit lediglich zur Beweislage angemerkt, der Steuerpflichtige könne sich nach den gesamten Umständen nicht etwa darauf berufen, sich nicht bewußt gewesen zu sein, überhaupt steuerpflichtige Einkünfte erzielt zu haben. Ist aber -- wie im Streitfall -- die Klägerin davon ausgegangen, gar nicht gewerblich tätig und demgemäß auch gar nicht verpflichtet gewesen zu sein, für Zwecke der Besteuerung ihren Gewinn zu ermitteln und zu erklären, ist eine Wahl zwischen verschiedenen Gewinnermittlungsarten gar nicht denkbar.
Die Klägerin hat erst im Zuge der im Januar 1988 bei ihr durchgeführten Außenprüfung sich über die Einordnung der von ihr erzielten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb mit der Finanzverwaltung verständigt.
Läßt sich dementsprechend eine von der Klägerin getroffene Wahl für die Gewinn ermittlung durch Einnahme-Überschuß- Rechnung nicht feststellen, so muß der Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt werden (BFH in BFH/NV 1995, 587, 588; in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714, 715; in BFH/NV 1988, 296; in BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301, 303; vom 2. März 1982 VIII R 225/80, BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504).
Die Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist nicht deshalb als Wahl der Gewinnermittlungsart des § 4 Abs. 3 EStG anzusehen, weil sowohl Überschußeinkünfte (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) als auch der Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG nach Zu- und Abflußgesichtspunkten (vgl. § 11 EStG) ermittelt werden.
Das Wahlrecht ist zu Beginn eines Gewinn ermittlungszeitraums auszuüben (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 390, 391; Beschluß vom 23. August 1995 IV B 78/94, BFH/NV 1996, 119; BFH/NV 1995, 587, 589; Urteil vom 13. Dezember 1990 IV R 87/88, BFH/NV 1992, 12, 13; vom 29. August 1985 IV R 238/83, BFH/NV 1987, 504, 505; vom 2. März 1978 IV R 45/73, BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431, 433). Lediglich die Offenlegung bzw. Mitteilung dieser Wahl kann noch später im Rahmen der Abgabe der Steuererklärung oder noch im Klageverfahren erfolgen (vgl. BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431, 433; Weber- Grellet, a. a. O., § 4 D 31, D 38; Schmidt- Liebig, a. a. O., 81, 83).
c) Der Senat braucht insoweit auch nicht zu entscheiden, ob der Betriebsvermögensvergleich -- wie bei Gewerbetreibenden üblich -- nach § 5 EStG oder ausnahmsweise nach § 4 Abs. 1 EStG durchzuführen ist.
Sollte eine gesetzliche Verpflichtung zur Bilanzerstellung auch nicht nach Handelsrecht bestanden haben, wäre § 5 EStG nicht anzuwenden. Im Streitfall ist indessen unerheblich, ob die von der Betriebsprüfung gefertigte Prüferbilanz als eine solche nach § 5 oder nach § 4 Abs. 1 EStG zu beurteilen ist. Sowohl die Fragen der Gewinnrealisierung als auch der Ansatz der im Streitfall angesprochenen Bilanzpositionen richten sich in beiden Fällen nach denselben Grundsätzen (vgl. auch BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714, 715; zu den sachlichen Unterschieden der Gewinnermittlungsarten vgl. Mathiak in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 5 Anm. a 36 f.).
3. Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Klägerin hat gegen die nach Maßgabe eines Vermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG durchgeführte Schätzung im übrigen keine substantiierten Einwendungen erhoben.
Fundstellen