Leitsatz (amtlich)
Der Gewinn aus der Veräußerung einer das gesamte Nennkapital umfassenden Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG) unterliegt der Gewerbesteuer, es sei denn, daß mit der Veräußerung der Gewerbebetrieb des Veräußerers eingestellt wird.
Normenkette
GewStG §§ 7, 9 Nr. 2a; EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Nach den Feststellungen des FG besaß die Revisionsklägerin (die Steuerpflichtige) - eine KG - bis zum Jahre 1966 sämtliche Anteile an der W-GmbH. Am 14. Februar 1966 veräußerte sie diese Anteile; gleichzeitig stellte sie ihren Betrieb ein.
Der Revisionsbeklagte (das FA) betrachtete den Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligungen als gewerbesteuerpflichtig. Mit Gewerbesteuermeßbescheid vom 4. Oktober 1968 setzte er den Gewerbesteuermeßbetrag 1966 unter Einbeziehung des Veräußerungsgewinns fest.
Die Sprungklage, mit der sich die Steuerpflichtige gegen die Heranziehung des Veräußerungsgewinns zur Gewerbesteuer wendete, hatte keinen Erfolg. Das FG führte aus: Erträge, die anläßlich der Einstellung eines Betriebs anfielen, blieben zwar gewerbesteuerfrei, da die Gewerbesteuer nur die Gewinne aus der laufenden gewerblichen Tätigkeit erfasse. Der Gewinn aus der Veräußerung einer zum Betriebsvermögen gehörenden Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft falle aber in den Rahmen der werbenden Tätigkeit und könne nicht als Vorgang "nach Beendigung des Gewerbebetriebs" angesehen werden. Er müsse deshalb von der Gewerbesteuer erfaßt werden.
Mit ihrer Revision beantragt die Steuerpflichtige, das Urteil des FG aufzuheben und den Gewerbesteuermeßbescheid 1966 dahin zu ändern, daß der Gewinn aus der Aufgabe der Beteiligung in Höhe von 1 449 470,43 DM nicht zum Gewerbeertrag gerechnet wird. Die Steuerpflichtige rügt, daß das FG den Sachverhalt unzureichend ermittelt habe. Das FG habe bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, daß zwischen ihr - der Steuerpflichtigen - und der W-GmbH eine Betriebsaufspaltung bestanden habe. Sie sei die Besitzgesellschaft gewesen und habe deshalb selbst keine werbende Tätigkeit ausgeübt; ihr Gewerbebetrieb sei vielmehr in vollem Umfang an die W-GmbH verpachtet gewesen. Sie sei nur deshalb gewerbesteuerpflichtig gewesen, weil sie sich über das Betriebsunternehmen - die W-GmbH - am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt habe. Die Aufgabe der Beteiligung an dieser GmbH habe zugleich die Aufgabe ihrer eigenen gewerblichen Tätigkeit zur Folge gehabt. Der hierbei erzielte Gewinn sei mithin Betriebsaufgabegewinn. Er sei nach Einstellung der gewerblichen Tätigkeit erzielt worden und könne deshalb nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Die Erfassung des bei der Veräußerung der Anteile erzielten Gewinns durch die Gewerbesteuer verstoße auch gegen § 16 EStG. Durch das StÄndG 1965 (BGBl I, 377, BStBl I 1965, 217) habe der Gesetzgeber § 16 EStG dahin ergänzt, daß die Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die das gesamte Nennkapital umfasse, wie die Veräußerung eines Teilbetriebs behandelt werden solle. Das sei auch für die Gewerbesteuer von Bedeutung. Da Gewinne aus der Veräußerung von Teilbetrieben nicht der Gewerbesteuer unterlägen, könne auch die Veräußerung der das gesamte Nennkapital umfassenden Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft nicht von der Gewerbesteuer erfaßt werden.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Nach § 7 GewStG ist Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge.
Der Gewinn aus Gewerbebetrieb, der der Veranlagung zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer zugrunde gelegt wird, ist allerdings nicht in allen Fällen für die Ermittlung des Gewerbeertrags maßgebend. Das folgt aus dem Wesen der Gewerbesteuer als einer auf den tätigen Betrieb bezogenen Sachsteuer. Die Vorgänge vor Beginn und nach Beendigung der werbenden Tätigkeit können den Gewerbeertrag nicht beeinflussen. Das ist insbesondere für Betriebsveräußerungen von Bedeutung. Während bei der Einkommensteuer der Gewinn aus Gewerbebetrieb auch den Gewinn aus der Veräußerung eines Betriebes umfaßt, kommt eine Erfassung dieses Gewinns bei der Gewerbesteuer nicht in Betracht, da es insoweit an dem - für die Gewerbesteuerpflicht entscheidenden - Bestehen eines Gewerbebetriebs fehlen würde. Bei der gewerbesteuerlichen Beurteilung ist davon auszugehen, daß der zu besteuernde Betrieb durch den Veräußerungsvorgang weggefallen ist (Urteile des BFH I 78/61 S vom 25. Mai 1962, BFH 75, 467, BStBl III 1962, 438; VI 336/62 U vom 20. Dezember 1963, BFH 79, 42, BStBl III 1964, 248; VI 154/65 U vom 20. August 1965, BFH 84, 258, BStBl III 1966, 94).
2. Gehören zum Betriebsvermögen Anteile an Kapitalgesellschaften und werden bei der Veräußerung dieser Anteile Gewinne erzielt, so handelt es sich hierbei in der Regel um Erträge des bestehenden (tätigen) Gewerbebetriebs. Diese Erträge unterliegen der Gewerbesteuer selbst dann, wenn die Veräußerung sämtliche Anteile an der Kapitalgesellschaft zum Gegenstand hat (vgl. BFH-Urteil I 162/60 U vom 27. September 1960, BFH 71, 594, BStBl III 1960, 471; FG Hamburg, Urteil III 108/68 vom 4. August 1970, EFG 1970, 573; Niedersächsisches FG, Urteil IV 62/68 vom 22. Juli 1970, EFG 1970, 620; Schmidt, Der Betrieb, 1969 S. 9; Steinberg, FR 1965, 511). Der Auffassung der Steuerpflichtigen, die Veräußerung sämtlicher Anteile an einer Kapitalgesellschaft komme einer Teilbetriebsveräußerung gleich und die hierbei erzielten Gewinne dürften deshalb nicht der Gewerbesteuer unterliegen, kann nicht gefolgt werden.
Der Gesetzgeber hat zwar zur Ergänzung der für die Einkommensteuer geltenden Regelung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wonach zu den (steuerbegünstigten) Einkünften aus Gewerbebetrieb auch die Gewinne aus der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs gehören, noch den Halbsatz eingefügt: "als Teilbetrieb gilt auch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wenn die Beteiligung das gesamte Nennkapital der Gesellschaft oder alle Kuxe der bergrechtlichen Gewerkschaft umfaßt;" (Art. 1 Nr. 7 StÄndG 1965). Durch diese Einfügung sollte jedoch lediglich der Anwendungsbereich des § 16 EStG erweitert werden. Bei der Einfügung des erwähnten Halbsatzes in § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG ging der Gesetzgeber davon aus, daß eine Beteiligung, die das gesamte Nennkapital einer Kapitalgesellschaft umfaßt, wirtschaftlich einem Teilbetrieb gleichkommt (vgl. den zweiten schriftlichen Bericht des Finanzausschusses zu Bundestags-Drucksache IV 3189 S. 6). Um für die Einkommensteuer die Gewinne aus der Veräußerung einer solchen Beteiligung ebenso zu stellen wie die Gewinne aus der Veräußerung eines Teilbetriebs, wurde bestimmt, daß eine solche Beteiligung als Teilbetrieb gilt. Diese Regelung geht von der rechtlichen Erkenntnis aus, daß die Beteiligung nach einkommensteuerlicher Betrachtung ohne solche Regelung kein Teilbetrieb sein würde (BFH-Urteil VI 117/63 U vom 12. Februar 1965, BFH 82, 194, BStBl III 1965, 316). Erst durch die gesetzgeberische Fiktion werden beide Tatbestände für die Einkommensteuer gleichbehandelt.
Für das Gewerbesteuerrecht hat diese Gesetzesergänzung keine Bedeutung. § 16 EStG gehört zu den Vorschriften, die ihrer Natur nach im Bereiche der Gewerbesteuer nicht angewendet werden können (Urteil des RFH I 132/40 vom 21. Mai 1940, RStBl 1940, 667; BFH-Urteile IV 582/56 U vom 28. November 1957, BFH 66, 100, BStBl III 1958, 40; VI 336/62 U, a. a. O.; I R 116/69 vom 18. November 1970, BFH 101, 112, BStBl II 1971, 182). Das ergibt sich schon daraus, daß der Zweck des § 16 EStG ausschließlich der einkommensteuerlichen Abgrenzung des (tarifbegünstigten) Veräußerungsgewinns gegenüber dem laufenden Gewinn dient. Auf ganz anderen Erwägungen beruht es dagegen, daß Gewinne aus der Veräußerung von Betrieben vom Gewerbeertrag ausgenommen sind (vgl. oben zu 1.).
Bei den im Einkommensteuerrecht als Veräußerungsgewinn geltenden Gewinnen bleibt somit stets zu prüfen, ob sie nicht gewerbesteuerlich als - voll zu versteuernder - Gewerbeertrag anzusehen sind. Wenn bei der Veräußerung von Anteilen, die das gesamte Nennkapital einer Kapitalgesellschaft umfassen, Gewinne erzielt werden, so können diese nur dann von der Gewerbebesteuerung ausgenommen sein, wenn sie auch nach gewerbesteuerlicher Betrachtung nicht zum laufenden Ertrag des Gewerbebetriebs gehören. Dies verkennen Böttcher-Krahmer (DB 1968, 1372) mit ihrer Ansicht, die im Einkommensteuerrecht als Betriebsveräußerung geltenden Vorgänge müßten in jedem Fall im Rahmen der Gewerbesteuer begünstigt sein.
3. Der aus der Veräußerung sämtlicher Anteile an einer Kapitalgesellschaft erwachsende Gewinn ist auch nicht auf Grund der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG von der Gewerbesteuer befreit. Nach dieser Bestimmung ist zwar der nach den Vorschriften des EStG ermittelte Gewinn zu kürzen um "die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG, an der das Unternehmen zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens zu einem Viertel des Grund- oder Stammkapitals beteiligt ist". Mit "Gewinn aus Anteilen" im Sinne dieser Bestimmung ist jedoch nur der Ausgeschüttete, nicht der bei der Veräußerung der Anteile erzielte Gewinn gemeint. Das ergibt sich sowohl aus dem Wortsinn der Vorschrift als auch aus dem Zweck der Regelung. Die Einfügung der Nr. 2a in § 9 GewStG durch GewStÄndG vom 30. Juli 1963 (BGBl I, 563, BStBl I 1963, 557) und ihre Neufassung durch Art. 3 Nr. 4 StÄndG 1965 hatten zum Ziel, Personengesellschaften, Einzelkaufleute und andere Rechtsträger hinsichtlich ihrer Gewinne aus Schachtelbeteiligungen den Kapitalgesellschaften gleichzustellen, bei denen diese Gewinnanteile von jeher nach § 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit waren und deswegen auch der Gewerbesteuer nicht unterlagen (vgl. § 7 GewStG). Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Gleichstellung mit den Kapitalgesellschaften konnte nur dazu führen, daß auch bei den nicht zu den Kapitalgesellschaften zählenden Rechtsträgern Ausschüttungen auf Anteile von der Besteuerung befreit werden; dagegen müssen Gewinne, die bei der Veräußerung der Anteile entstehen, wie bei der Gewerbebesteuerung der Kapitalgesellschaften von der Steuerbefreiaung ausgeschlossen bleiben.
4. Es bedarf allerdings im vorliegenden Fall noch der weiteren Untersuchung, ob die Veräußerung der Anteile nicht mit der Aufgabe des Betriebs der Steuerpflichtigen in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang stand und der hierbei erzielte Gewinn deshalb als - nicht der Gewerbesteuer unterliegender - Betriebsaufgabegewinn der Steuerpflichtigen angesehen werden muß. Treffen die Darlegungen der Steuerpflichtigen zu, nach der sie nur eine Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung (vgl. BFH-Urteil I 101/69 vom 11. November 1970, BFH 100, 411, BStBl II 1971, 61) gewesen sei und deshalb nur über die W-GmbH am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen habe, so könnte mit der Veräußerung sämtlicher Anteile an der GmbH auch die Teilnahme der Steuerpflichtigen am wirtschaftlichen Verkehr geendet und dies zugleich die Einstellung des Betriebs der Steuerpflichtigen bedeutet haben.
Die vom FG getroffenen Sachverhaltsfeststellungen reichen für eine abschließende Würdigung der Sache nicht aus. Das Urteil des FG wird deshalb aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 413134 |
BStBl II 1972, 470 |
BFHE 1972, 35 |