Leitsatz (amtlich)
Die Investitionszulage ist zurückzuzahlen, wenn der Steuerpflichtige die begünstigten Wirtschaftsgüter vor Ablauf des maßgeblichen Dreijahreszeitraums wegen einer Betriebsumstellung veräußert, und zwar selbst dann, wenn die Betriebsumstellung auf einen Brand in den Betriebsräumen zurückzuführen ist.
Normenkette
InvZulG 1969 § 3 Abs. 5
Tatbestand
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war ursprünglich die Herstellung und der Vertrieb von Druckereierzeugnissen. In den Jahren 1970 und 1971 führte sie Investitionen mit einem Gesamtaufwand von rd.... DM durch. Hierzu zählte insbesondere die Anschaffung einer automatischen Verschnürmaschine, eines Mercedes-Kastenwagens, eines IBM-Composers, einer Hochleistungs-Zweifarben-Offsetmaschine Roland-Rekord und eines Weko-Nonstop-Bestäubers. Für die Investitionen gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) antragsgemäß Investitionszulagen gemäß § 1 des Investitionszulagengesetzes 1969 (InvZulG 1969).
Am 3. Oktober 1972 brach in den Betriebsräumen der Klägerin ein Feuer aus, durch das deren Film-(Litho-)archiv und einige Maschinen vernichtet wurden. Im Anschluß daran veräußerte die Klägerin die oben genannten fünf Wirtschaftsgüter. Das FA forderte daraufhin die für diese Wirtschaftsgüter gewährten Investitionszulagen mit der Begründung zurück, sie seien nicht mindestens drei Jahre seit ihrer Anschaffung in der Betriebstätte verblieben. Für die begünstigten Wirtschaftsgüter, die bei dem Brand vernichtet worden waren, forderte das FA die gewährten Investitionszulagen nicht zurück.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit der Klage trug die Klägerin vor, die verkauften Wirtschaftsgüter seien zwar auch nach dem Brand noch verwertbar gewesen; sie hätten jedoch veräußert werden müssen, weil der Druckereibetrieb infolge des Brandes nicht mehr hätte fortgeführt werden können. Die Gesellschafterversammlung habe nämlich nach langen Beratungen beschlossen, den Betrieb nicht wiederaufzubauen, sondern einen neuen Betätigungsbereich zu suchen. Ursächlich für den Entschluß, den durch das Schadensereignis stilliegenden Betrieb nicht wieder in Gang zu setzen, sei der Umfang des Schadens für den Gesamtbetrieb gewesen. Der Betrieb sei durch die völlige Vernichtung der Druckvorbereitung und des Filmbestandes auch ohne körperliche Zerstörung der Druckmaschinen nicht mehr produktionsfähig gewesen. Maßgebend sei dabei insbesondere der Umstand gewesen, daß die Wiederherstellung des zerstörten Filmbestandes aus technischen Gründen sowie aus Zeit- und Kostengründen nicht möglich gewesen sei und der notwendige mehrmonatige Betriebsstillstand wirtschaftlich nicht zu überstehen gewesen sei. Aus diesen Überlegungen habe sich die Klägerin um eine neue geschäftliche Grundlage außerhalb des unmittelbaren Druckgewerbes bemüht. Mit Wirkung ab 31. Dezember 1975 habe sie die Firma A in X übernommen. Wegen der Stillegung des Druckereibetriebes habe man die technische Ausrüstung verkauft und nur solche Wirtschaftsgüter zurückbehalten, die der laufenden kaufmännischen Verwaltung gedient hätten.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, die Veräußerung der fraglichen Wirtschaftsgüter sei durch höhere Gewalt i. S. des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 12. Februar 1970 (BStBl I 1970, 226 ff.) veranlaßt worden. Eine mittelbare Veranlassung genüge bereits. Die Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Rücklage für Ersatzbeschaffung. Ihrer Ansicht nach ist Zweck der dreijährigen Bindung, Mißbräuche zu verhindern. Ein solcher Mißbrauch läge im Streitfall aber nicht vor. Die Entscheidung, die fraglichen Wirtschaftsgüter zu veräußern, sei vielmehr auf Umstände zurückzuführen, die unabhängig vom Willen der Klägerin eingetreten seien.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Rückforderungsbescheid des FA in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Gemäß § 3 Abs. 5 InvZulG 1969 ist die gemäß § 1 InvZulG 1969 gewährte Investitionszulage insoweit zurückzuzahlen, als Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungskosten bei der Bemessung der Investitionszulage berücksichtigt worden sind, nicht mindestens drei Jahre seit ihrer Anschaffung in der Betriebstätte verblieben sind.
Das FG hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu Recht bejaht; denn die Klägerin hat die fraglichen Wirtschaftsgüter unstreitig vor Ablauf des jeweils maßgeblichen Dreijahreszeitraums veräußert.
2. Der Senat teilt auch die Auffassung des FG, daß die Rückforderung der Investitionszulagen nicht deshalb ausgeschlossen war, weil die Veräußerung der Wirtschaftsgüter auf den Brand in den Betriebsräumen der Klägerin zurückzuführen war.
a) § 3 Abs. 5 Satz 2 - erste Alternative - InvZulG 1969 sieht entsprechend der Regelung in § 1 Abs. 5 Nr. 1 InvZulG 1969 die Rückforderung für den Fall vor, daß die begünstigten Wirtschaftsgüter nicht innerhalb des maßgeblichen Dreijahreszeitraums in der Betriebstätte verbleiben. Nach der bisherigen Rechtsprechung zu der vergleichbaren Vorschrift des § 19 des Berlinhilfegesetzes/Berlinförderungsgesetzes ist das Ausscheiden von Wirtschaftsgütern aus der Betriebstätte in den Fällen als unschädlich angesehen worden, in denen das Wirtschaftsgut technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht war oder einen Totalschaden (PKW) erlitten hatte (vgl. BFH-Urteile vom 9. März 1967 IV R 149/66, BFHE 87, 589, BStBl III 1967, 238; vom 15. Oktober 1976 III R 139/74, BFHE 120, 317, BStBl II 1977, 59, und vom 1. Juli 1977 III R 74/76, BFHE 123, 109, BStBl II 1977, 793). In allen diesen Fällen ist das vorzeitige Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus Gründen als unschädlich angesehen worden, die im Wirtschaftsgut selbst begründet lagen und nicht in der Betriebstätte. Dies entspricht nach Auffassung des Senats dem Wortsinn der maßgeblichen Vorschriften, die sowohl bei der Gewährung der Investitionszulage als auch bei deren Rückforderung auf die Verhältnisse des Wirtschaftsguts und nicht auf die der Betriebstätte abstellen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Investitionszulage jedoch zurückzufordern, wenn Wirtschaftsgüter vorzeitig aus der Betriebstätte aus Gründen ausscheiden, die lediglich in der Betriebstätte liegen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Oktober 1977 III R 111/75, BFHE 124, 122, BStBl II 1978, 204). Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, daß die dreijährige Verbleibfrist der Verhütung von Mißbräuchen dient (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache V/3890, S. 26). Dies kann jedoch nicht dahin verstanden werden, daß jede vorzeitige Veräußerung, die auf einen vom Steuerpflichtigen nicht zu vertretenden Umstand zurückzuführen ist, zulageunschädlich sei. Die Dreijahresfrist ist vielmehr im Zusammenhang mit der Zielsetzung des § 1 InvZulG 1969 zu sehen, nämlich der durchgreifenden Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, insbesondere der Schaffung zusätzlicher Dauerarbeitsplätze (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache V/3890, S. 18). Die Einhaltung der Dreijahresfrist hat der Gesetzgeber als die maßgebliche Grundlage für die Erreichung des von ihm bezweckten Erfolges angesehen.
b) Nach den unangefochtenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des FG waren die veräußerten Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung noch funktionstüchtig. Der Verkauf erfolgte nicht zum Zwecke des Verschrottens oder Ausschlachtens. Die Klägerin hat die fraglichen Wirtschaftsgüter vielmehr deshalb veräußert, weil sich mit der Änderung des Unternehmenszwecks auch die Struktur der Betriebstätte geändert hatte. Für die Veräußerung der fraglichen Wirtschaftsgüter waren daher Umstände maßgebend, die nicht in den Wirtschaftsgütern selbst begründet lagen. Dies zeigt sich auch darin, daß die Klägerin nicht alle unversehrt gebliebenen, begünstigten Wirtschaftsgüter veräußert hat. Der Umstand, daß der Brand die auslösende Ursache für die Änderung des Unternehmenszwecks war, und daß es nach dem Vorbringen der Klägerin wirtschaftlich sinnvoller gewesen sei, den Druckereibetrieb nicht weiterzuführen, steht dem Rückforderungsanspruch nach den vorstehenden Ausführungen nicht entgegen.
c) Bei der gegebenen Rechtslage braucht der Senat nicht darüber zu befinden, ob nach der Verwaltungsanweisung vom 12. Februar 1970 auch eine mittelbare Veranlassung genügt. Dies ist nicht mehr entscheidungserheblich. Die Verwaltungsanweisung wäre im übrigen für den Senat nicht bindend.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BFH zur Rücklage für Ersatzbeschaffung berufen, und zwar schon deshalb nicht, weil die Grundsätze dieser Rechtsprechung wegen der unterschiedlichen Zielsetzungen der Rücklage für Ersatzbeschaffung einerseits und der Investitionszulage andererseits auf das Investitionszulagerecht nicht anwendbar sind.
Fundstellen
Haufe-Index 73663 |
BStBl II 1980, 758 |
BFHE 1981, 419 |