Leitsatz (amtlich)
1. Die Schenkung eines Betriebsgrundstücks aus privaten Gründen setzt dessen Entnahme voraus. Behält sich der Eigentümer den Nießbrauch an dem Grundstück vor, dann wird der Nießbrauch als Einlage dem Betrieb zugeführt, in dem der Eigentümer das Grundstück weiter betrieblich nutzt (Anschluß an BFH-Urteil vom 28. Februar 1974 IV R 60/69, BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481).
2. Das eingelegte Nießbrauchsrecht ist auf die voraussichtliche Dauer des Nießbrauchs abzuschreiben.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 4-5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber eines Schreinereibetriebs. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 18. Dezember 1973 schenkte er die ihm gehörende Miteigentumshälfte an einem Grundstück, das mit einer Werkstatt, einer Garage und einem Holzlager bebaut war, unter Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs seinen beiden Kindern. Der Nießbrauch wurde im Grundbuch eingetragen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) ging entgegen der Einkommensteuererklärung 1973 des Klägers davon aus, daß der Grundstücksanteil mit der Schenkung dem Betriebsvermögen entnommen worden sei, und ermittelte einen Entnahmegewinn von 73 326 DM.
Einspruch und Klage, mit denen der Kläger geltend machte, er sei wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks geblieben, waren ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) begründete seine Entscheidung wie folgt:
Der Kläger sei entsprechend dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. März 1977 VIII R 180/74 (BFHE 122, 64, BStBl II 1977, 629) nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks geblieben. Mit der Schenkung sei der Grundstücksanteil vielmehr mit dem Teilwert dem Betriebsvermögen entnommen worden (Hinweis auf die BFH-Urteile vom 14. April 1967 VI 9/65, BFHE 88, 331, BStBl III 1967, 391; vom 28. Februar 1974 IV R 60/69, BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481, und vom 12. Oktober 1977 I R 248/74, BFHE 123, 478, BStBl II 1978, 191). Das Nießbrauchsrecht, aufgrund dessen der Kläger nunmehr das Werkstattgebäude und den Schuppen betrieblich nutze, sei als neu geschaffenes Wirtschaftsgut in das Betriebsvermögen einzulegen gewesen.
Mit der dagegen eingelegten Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Das FG habe festgestellt, daß der Kläger nach der Übertragung des Grundstücks eine den Klägern der Entscheidung in BFHE 122, 64, BStBl II 1977, 629 entsprechende Stellung gehabt habe. Er müsse daher wie diese als wirtschaftlicher Eigentümer behandelt werden. Zumindest müsse bei der Entnahme der Wert des Nießbrauchs abgezogen werden.
Der Kläger beantragt, das finanzgerichtliche Urteil, den geänderten Einkommensteuerbescheid 1973 vom 21. Dezember 1976 und die Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 1977 aufzuheben, und hilfsweise, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und unter Änderung der Einspruchsentscheidung und des geänderten Einkommensteuerbescheids 1973 neben dem laufenden Gewinn einen Entnahmegewinn von 45 160 DM anzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Das FG ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger einen Entnahmegewinn zu versteuern hat.
Mit der Schenkung seines Miteigentumsanteils an dem Grundstück hat der Kläger den entsprechenden Grundstücksteil aus dem Betriebsvermögen entnommen (§ 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --), denn die Schenkung ist ein privater Vorgang, der nur im außerbetrieblichen Bereich vollzogen werden kann (Urteil in BFHE 88, 331, BStBl III 1967, 391).
2. Der Kläger ist nach der Schenkung nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücksteils geblieben. Das FG hat keine Anhaltspunkte dafür festgestellt, daß die rechtliche und tatsächliche Stellung des Klägers gegenüber den Eigentümern des Grundstücks sich von der normalen Stellung eines Nießbrauchers unterschied. Der Umstand, daß der Kläger Schuldner der mit dem Grundstück gesicherten Darlehen geblieben ist, verstärkte seine Stellung gegenüber seinen Kindern nicht.
3. Der Vorbehalt des Nießbrauchs hat nicht zur Folge, daß nur ein Teil der ideellen Grundstückshälfte aus dem Betriebsvermögen entnommen worden ist (Urteil in BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481). Das Eigentum und der Nießbrauch sind auch nicht teilweise identisch. Das Nießbrauchsrecht ist vielmehr mit der Bestellung neu entstanden (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 1980 VIII R 55/77, BFHE 132, 414, 417, BStBl II 1981, 396), und zwar im privaten Vermögensbereich des Klägers.
Aus dem Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 35/79 (BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380), das den Vorbehaltsnießbrauch an einem Grundstück im Privatvermögen behandelt, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dort ist zwar ausgeführt, daß Gegenstand der Absetzung für Abnutzung (AfA) das Gebäude auf dem nießbrauchsbelasteten Grundstück sei. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß dem Vorbehaltsnießbraucher das Grundstück oder Gebäude nach wie vor ganz oder z. T. zuzurechnen ist. Entscheidend für die AfA-Berechtigung des Vorbehaltsnießbrauchers an einem Grundstück, das er zur Erzielung von Überschußeinkünften (§§ 2 Abs. 4 Nr. 2; 8, 9 f. EStG) nutzt, ist die Tatsache, daß er die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes auf diesem Grundstück getragen hat. AfA auf das Gebäude bedeutet daher in diesem Zusammenhang AfA von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes. Demgegenüber kann der Kläger, der seinen Gewinn durch Vermögensvergleich (§§ 4 ff. EStG) ermittelt, die AfA nur auf solche Wirtschaftsgüter in Anspruch nehmen, die zu seinem Betriebsvermögen gehören. Daher stellt sich hier auch die Frage, welches Wirtschaftsgut der Kläger nach der Veräußerung des Grundstücks in sein Betriebsvermögen eingelegt hat.
4. Das neuentstandene Nießbrauchsrecht (§ 1066 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --), welches beim Kläger an die Stelle des Eigentums getreten ist, wurde als immaterielles Wirtschaftsgut von ihm dadurch in sein Betriebsvermögen eingelegt, daß er das nießbrauchsbelastete Grundstück wie bisher betrieblich nutzte (vgl. BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481). Das Nießbrauchsrecht war mit dem Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) einzulegen und auf die voraussichtliche Dauer des Nießbrauchs abzuschreiben. Der IV. Senat des BFH hat zwar die Abschreibung des Nießbrauchsrechts in dem Urteil in BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481 nicht zugelassen. Die Entscheidung ist aber insoweit durch die neuere Rechtsprechung des BFH, auch des IV. Senats, überholt (vgl. Urteile vom 16. November 1977 I R 83/75, BFHE 124, 501, BStBl II 1978, 386; vom 27. Juni 1978 VIII R 12/72, BFHE 125, 528, 530, BStBl II 1979, 38; zuletzt vom 2. August 1983 VIII R 57/80, BStBl II 1983, 739). Der IV. Senat vertritt im Urteil vom 20. November 1980 IV R 117/79 (BFHE 131, 516, BStBl II 1981, 68) die Auffassung, daß auch ein schuldrechtlich eingeräumtes Nutzungsrecht abzuschreiben sei.
Der Teilwert des eingelegten Nießbrauchsrechts entspricht höchstens dem Betrag, den der Kläger hätte aufwenden müssen, wenn ihm das Nießbrauchsrecht entgeltlich von einem Dritten eingeräumt worden wäre; der Ansatz eines Ertragswerts des Nutzungsrechts kommt nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 22. Januar 1980 VIII R 74/77, BFHE 129, 485, 489, BStBl II 1980, 244). Dabei ist nicht wie im Urteil in BFHE 131, 516, BStBl II 1981, 68 eine Begrenzung auf die Summe von AfA-Beträgen an einem Gebäude vorzunehmen. Anders als dort ist im Streitfall das Nießbrauchsrecht eingelegt worden, nachdem der Miteigentumsanteil des Klägers zuvor entnommen und sämtliche stillen Reserven dabei aufgedeckt und der Besteuerung unterworfen worden sind. Der Streitfall ist insofern nicht mit dem vom IV. Senat entschiedenen Fall vergleichbar. Die dort aufgestellten Grundsätze können nicht uneingeschränkt gelten. Eine Begrenzung für den Teilwert des Nießbrauchsrechts tritt auch nicht dadurch ein, daß das genutzte Wirtschaftsgut zum Teil aus Grund und Boden besteht. Nach Entnahme des Grundstücks und Begründung des Nießbrauchsrechts besteht das Nießbrauchsrecht als selbständiges Wirtschaftsgut, das hinsichtlich des Teilwerts und der AfA unabhängig von den mit dem Nießbrauch belasteten Wirtschaftsgütern ist.
5. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welcher Höhe die anteilige AfA im Streitjahr bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb beim Kläger berücksichtigt wurde. Das Revisionsgericht kann diese tatsächlichen Feststellungen nicht nachholen. Die Sache geht daher an das FG zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 74750 |
BStBl II 1983, 735 |
BFHE 1984, 76 |