Leitsatz (amtlich)
Reiheneinfamilienhäuser bilden jedes für sich eine selbständige wirtschaftliche Einheit, wenn sie nach ihrer baulichen Gestaltung und Einrichtung unabhängig voneinander veräußert werden können. Das gilt auch dann, wenn diese Häuser nach einem einheitlichen Finanzierungsplan mit öffentlichen Mitteln errichtet wurden und für eine bestimmte Zeit nur an öffentlich Bedienstete vermietet werden dürfen.
Normenkette
BewG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger errichtete in den Jahren 1961/62 auf einem ihm gehörenden Grundstück 27 Einfamilien-Reihenhäuser. Nach den Feststellungen des FG sind diese Häuser in drei Wohnblöcken zu je fünf und drei Wohnblöcken zu je vier Häusern zusammengefaßt. 18 der Häuser sind von der A-Straße, neun von der B-Straße, die das Grundstück durchschneidet, zu erreichen. Die einzelnen Häuser gleichen sich. 12 Endhäuser der Blöcke gehören zur sogenannten Haustype C, die übrigen 15 Häuser zur Haustype B. Jedes Haus ist mit einer Brandmauer vom anderen getrennt und hat keinen Zugang zum Nebenhaus. Es besitzt eigene Versorgungsanschlüsse und eine eigene Hausnummer. Die hinter den Häusern liegenden Gärten sind mit niedrigen Drahtzäunen eingefaßt. An Gemeinschaftseinrichtungen sind vorhanden: Wohnwege, Grünanlagen, Sammelgaragen und Abwässeranlagen. Das gesamte Bauvorhaben ist einheitlich geplant und finanziert worden. Die Bundesrepublik Deutschland hat ein Darlehen gegeben, das auf dem Grundstück durch eine Hypothek gesichert ist. In Abteilung II Nr. 1 des Grundbuches ist zugunsten der Bundesrepublik Deutschland eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit eingetragen, nach der die 27. Häuser für die Dauer des Bestehens der Hypothek, mindestens aber auf die Dauer von 20 Jahren nur von Personen als Mieter benutzt werden dürfen, die von der Berechtigten benannt sind. Außerdem ist in Abteilung II Nr. 2 des Grundbuches ein Verkaufsrecht zugunsten der Bundesrepublik Deutschland eingetragen. Die Häuser sind an Angehörige der Bundeswehr vermietet. Diese sind nach den Mietverträgen nicht befugt, Um-, An- oder Zubauten vorzunehmen.
Das FA hat mit Bescheiden vom 4. Oktober 1963 im Wege der Nachfeststellung auf den 1. Januar 1963 jedes der 27 Häuser als selbständige wirtschaftliche Einheit, und zwar als Einfamilienhaus, bewertet und für jedes der 27 Häuser dementsprechend einen Einheitswert festgestellt. Außerdem hat es durch Bescheid vom gleichen Tag, ebenfalls im Wege der Nachfeststellung, für das als Grünanlage vor den Grundstücken an der A-Straße hergerichtete Flurstück als unbebautes Grundstück einen Einheitswert festgestellt.
Mit den Einsprüchen erstrebte der Kläger die Bewertung aller dieser Grundstücke als eine wirtschaftliche Einheit. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Die Berufung, die vom FG nach Inkrafttreten der FGO als Klage behandelt wurde, wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das FG führte im wesentlichen aus: Es folge entgegen seiner früheren Entscheidung II 169-176/59 vom 27. August 1959 nunmehr der Rechtsprechung des BFH, wie sie insbesondere in dem Urteil III 230/61 U vom 7. Februar 1964 (BFH 78, 465, BStBl III 1964, 180) zum Ausdruck komme. Bei Anwendung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze müßten die vom Kläger errichteten Einfamilien-Reihenhäuser als mehrere wirtschaftliche Einheiten angesehen werden. Jedes Haus sei vom Nachbarhaus abgegrenzt und für sich zu veräußern. Es sei in sich abgeschlossen, besitze eine eigene Brandmauer sowie eine eigene Hausnummer. Es enthalte darüber hinaus einen eigenen Versorgungsanschluß und einen eingezäunten Garten. Demgegenüber träten die verbindenden Merkmale zurück. Sie ständen auch einer getrennten Veräußerung nicht entgegen. Das Belegungsrecht der Bundesrepublik Deutschland könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Eine getrennte Veräußerung der einzelnen Häuser bleibe trotzdem möglich. Das zeige auch das zusätzlich eingetragene Vorkaufsrecht. Unbeachtlich sei, daß die Gebäude aufgrund eines einheitlichen Finanzierungsplans auf einem einheitlichen BGB-Grundstück errichtet worden seien. Die Ansicht des Klägers, das BFH-Urteil III 230/61 U (a. a. O.) sei in seinem Fall nicht einschlägig, sei unzutreffend.
Mit der Revision beantragt der Kläger die 28 Einheitswertbescheide aufzuheben. Die Revision wird mit unzutreffender Auslegung des § 2 Abs. 1 BewG begründet. Der Kläger ist nach wie vor der Auffassung, daß die einheitlich vermieteten Wohnungen als eine wirtschaftliche Einheit zu erfassen seien. Die im BFH-Urteil III 230/61 U (a. a. O.) gemachten Rechtsausführungen zur Frage der wirtschaftlichen Einheit seien bei den tatsächlichen Gegebenheiten im vorliegenden Fall sowie bei der Entwicklung der Wohnungswirtschaft auf dem Gebiet der Errichtung von Wohnungen einschließlich Einfamilien-Reihenhäusern bei einheitlicher Vermietung unzutreffend.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 50 Abs. 1 Satz 3 BewG in der Fassung vor dem BewG 1965 (im folgenden: BewG) bildet jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ein selbständiges Grundstück im Sinne des BewG, für das ein Einheitswert festzustellen ist. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bestimmt sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. In § 2 Abs. 1 BewG sind einige Auslegungsregeln gegeben. Danach ist in erster Linie nach den Anschauungen des Verkehrs zu entscheiden, was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat. Zu berücksichtigen sind dabei die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter. Der Senat hat bereits in dem Urteil III 184/54 U vom 15. Oktober 1954 (BFH 60, 1, BStBl III 1955, 2) hervorgehoben, daß danach neben rein objektiven Merkmalen auch subjektive Merkmale maßgebend seien. Zu den subjektiven Merkmalen gehöre vor allem die Zweckbestimmung, die vom Willen des Eigentümers abhänge. Dabei komme es nicht auf die innere Willensbildung des Eigentümers, sondern darauf an, wie er seinen Willen in die Tat umsetze. Wenn der Wille des Eigentümers mit der Verkehrsauffassung nicht vereinbar sei, sei die Verkehrsauffassung als objektives Merkmal ausschlaggebend. Von diesen Grundsätzen ist der Senat in dem Urteil III 230/61 U (a. a. O.) und seither in ständiger Rechtsprechung auch bei der Frage der Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit für mehrere Wohngrundstücke desselben Eigentümers, die in Baublöcken zusammengefaßt sind und räumlich nebeneinander liegen, ausgegangen. Er hat dabei als entscheidendes Merkmal auf die bauliche Gestaltung und Einrichtung dieser Wohngrundstücke abgestellt und entschieden, daß jedes dieser Wohngrundstücke eine wirtschaftliche Einheit bilde, wenn sie unabhängig voneinander veräußert werden könnten.
Das FG ist zu Recht auch im Streitfall von dieser Rechtsprechung ausgegangen. Es ist zwar richtig, daß im damals entschiedenen Fall die einzelnen Wohngrundstücke Mietwohngrundstücke waren, während es sich im Streitfall, wenn man die einzelnen Gebäude jedes für sich betrachtet, um Einfamilienhäuser handelt. Dieser Unterschied rechtfertigt es aber nicht, bei der Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheiten von anderen Grundsätzen auszugehen. Abgesehen davon, daß diese Grundsätze bei Einfamilienhäusern noch viel stärkeres Gewicht haben, hat es der Senat bereits im Urteil III 148/54 U (a. a. O.) abgelehnt, den Begriff der wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens nach § 32 BewDV zu beurteilen, weil in dieser Bestimmung lediglich die bebauten Grundstücke in fünf Grundstückshauptgruppen eingeteilt und die Merkmale angegeben werden, nach denen die bebauten Grundstücke in ihre maßgebende Hauptgruppe einzureihen sind. An dieser Auffassung hält der Senat auch für den Streitfall fest.
Die Einwendungen, die der Kläger gegen die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall erhebt, geben dem Senat ebenfalls keine Veranlassung zur Änderung dieser Rechtsprechung. Der Haupteinwand des Klägers geht dahin, daß der Senat die bauliche Gestaltung und Einrichtung der Wohngrundstücke überbetone und damit insbesondere die Verkehrsauffassung der beteiligten Wirtschaftskreise, die sich in Übereinstimmung mit der modernen Entwicklung des Wohnungsbau-und Mietpreisbindungsrechts gebildet habe, unberücksichtigt lasse. Der Kläger geht dabei davon aus, daß als Verkehrsauffassung der Standpunkt der beteiligten Wirtschaftskreise maßgebend sein müsse. Diese Auffassung, die er auf die BFH-Urteile Vz 150/52 S vom 25. Juni 1953 (BFH 57, 668, BStBl III 1953, 254), V 120/54 U vom 20. Januar 1955 (BFH 60, 239, BStBl III 1955, 93) und Vz 119/54 U vom 3. März 1955 (BFH 60, 471, BStBl III 1955, 179) und auf entsprechende Ausführungen im Schrifttum stützt, ist jedoch nur in den Fällen richtig, in denen der anzuwendende Begriff dem Wirtschaftsverkehr entnommen ist. Denn in solchen Fällen muß regelmäßig davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber dem Begriff den Inhalt gegeben hat, der ihm im Wirtschaftsverkehr von den beteiligten Wirtschaftskreisen beigelegt wird. Diese Voraussetzung liegt bei der Einheitsbewertung des Grundbesitzes in der Regel nicht vor. Deshalb ist die Verkehrsauffassung nach der Rechtsprechung des Senats auf diesem Gebiet von der Auffassung der Allgemeinheit vernünftig denkender Menschen abzuleiten (vgl. BFH-Urteil III 206/55 U vom 3. Febraur 1956, BFH 62, 205, BStBl III 1956, 78). Diese Auffassung hat der Senat bei der Abgrenzung der Gebäude von den Betriebsvorrichtungen bestätigt (vgl. BFH-Urteil III R 132/67 vom 13. Juni 1969, BFH 96, 365, BStBl II 1969, 612). Er hält daran auch im Streitfall fest. Die Frage, ob eine oder mehrere wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens vorhanden sind, ist allein nach dem Bewertungsrecht zu entscheiden. Die Entwicklung auf anderen Rechtsgebieten, so auf den Gebieten des Wohnungsbauwesens, der Mietpreisbindung und der Gebäude- und Wohnungszählung, deren Zweckbestimmung eine ganz andere ist, kann dabei nicht berücksichtigt werden. Der Kläger weist selbst darauf hin, daß schon die Begriffsbestimmungen der Gebäudearten auf diesen Gebieten ganz andere sind als im Bewertungsrecht. Es geht nicht an, die vom Bewertungsrecht verschiedenen Begriffsbestimmungen anderer Rechtsgebiete auf dem Umweg einer sich auf Grund dieser anderen Begriffsbestimmungen gebildeten Verkehrsauffassung der beteiligten Wirtschaftskreise bei der Entscheidung über den Umfang der wirtschaftlichen Einheit eines Grundstücks zu berücksichtigen. Geht man aber von der Anschauung der Allgemeinheit vernünftig denkender Menschen aus, so ist es nach Auffassung des Senats folgerichtig, bei aneinander gebauten Wohnhäusern auf die in § 2 Abs. 1 BewG genannten Merkmale der baulichen Gestaltung und Einrichtung der einzelnen Wohnhäuser abzustellen. Denn diese Merkmale sind eindeutig feststellbar. Ergibt sich, daß die einzelnen Wohnhäuser baulich voneinander getrennt sind oder wenigstens leicht voneinander getrennt werden können und daß sie deshalb auch einzeln veräußert werden können, so wird jeder vernünftig denkende Mensch die einzelnen Wohnhäuser auch als selbständige wirtschaftliche Einheiten ansehen. Es ist oben bereits dargetan, daß dann ein entgengenstehender Wille des Eigentümers unbeachtet bleiben muß. Es ist nach den obigen Ausführungen auch unbeachtlich, daß die Wohnungsfürsorgebehörde nach den Grundsätzen des Wohnungsbaurechts und des Mietpreisbindungsrechts die 27 Wohnhäuser als eine Einheit behandelt. Diese Auffassung führt entgegen der Meinung des Klägers auch nicht dazu, daß z. B. wegen der bei allen Mietwohngrundstücken theoretisch bestehenden Möglichkeit der Schaffung von Eigentumsrechten an den einzelnen Wohnungen, bei allen Mietwohngrundstücken mehrere wirtschaftliche Einheiten angenommen werden müßten. Gerade weil die Schaffung von Eigentumsrechten an den einzelnen Wohnungen theoretisch bei allen Wohnungen ohne Rücksicht auf ihre bauliche Gestaltung und Einrichtung möglich ist, kann die Frage der wirtschaftlichen Einheit bei Mietwohngrundstücken nicht allein von der baulichen Gestaltung und Einrichtung abhängen. Bei ihnen kommt es entscheidend darauf an, daß der Eigentümer die besonderen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, die das Wohnungseigentumsgesetz in rechtlicher Beziehung als Voraussetzung für die Entstehung von Wohnungseigentumsrechten verlangt.
Die Aufteilung in mehrere wirtschaftliche Einheiten kann ferner entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deswegen unterbleiben, weil dadurch die Verwaltungsarbeit sowohl der Finanzverwaltung als auch des Steuerpflichtigen erschwert wird. Praktikabilitätserwägungen können, wenn überhaupt, so nur dann eine Rolle spielen, wenn die zu treffende Entscheidung praktisch undurchführbar wäre. Davon kann jedoch im Streitfall keine Rede sein.
Der Senat braucht zu dem Einwand des Klägers, die bisherige Rechtsprechung des Senats sei durch die Fortentwicklung des Bewertungsrechts im BewG 1965 überholt, nicht Stellung zu nehmen, weil es sich im Streitfall noch um eine Einheitswertfeststellung nach altem Recht handelt.
Der Senat teilt schließlich nicht die Auffassung des Klägers, daß durch die Anwendung der Rechtsprechung auch auf den vorliegenden Fall der Grundsatz der steuerlichen Gleichmäßigkeit verletzt werde. Ein Steuerpflichtiger, der eine Reihe von Einfamilienhäusern in einem Baublock zusammenfaßt, sie aber baulich so gestaltet, daß sie jederzeit leicht wieder voneinander getrennt und dann einzeln veräußert werden können, kann steuerlich nicht ebenso behandelt werden wie ein Steuerpflichtiger, der ein Mietwohngrundstück errichtet, ohne darin Eigentumsrechte in den einzelnen Wohnungen zu schaffen.
Das FG ist bei Anwendung der Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung des Senats im Streitfall mit zutreffender Begründung zu der Auffassung gelangt, daß die einzelnen Wohngrundstücke so gestaltet und eingerichtet sind, daß sie selbständig veräußert werden können und deshalb selbständige wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens sind. Es hat auch mit Recht dem Umstand keine entscheidende Bedeutung beigemessen, daß der Eigentümer in der Vermietung der einzelnen Mietwohngrundstücke durch die persönliche Dienstbarkeit für längere Zeit eingeschränkt ist. Durch diese Einschränkung soll nur der Zweck, den die öffentliche Hand mit der Hingabe eines Baudarlehens erreichen wollte, nämlich für ihre Bediensteten Wohnräume zu schaffen, gesichert werden. Sie besagt jedoch nichts darüber, ob das einzelne Haus veräußert werden kann, wenn dabei die Sicherung der Belegung erhalten bleibt. Das ergibt sich schon daraus, daß die gleiche Einschränkung in der Regel auch dann besteht, wenn das Baudarlehen zur Errichtung eines einzelnen Wohngebäudes gegeben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 69154 |
BStBl II 1970, 822 |
BFHE 1971, 213 |