Leitsatz (amtlich)
Die Auseinandersetzung hinsichtlich eines zum Nachlaß gehörenden, nach dem Tode des Erblassers fortgeführten Gewerbebetriebes gehört dann noch zum Erbfall und ist deshalb dem außerbetrieblichen Bereich zuzuordnen, wenn sich die Miterben in der Zeit zwischen dem Erbfall und der Auseinandersetzung nicht so verhalten haben, daß sie sämtlich als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Nr. 2 EStG beurteilt werden müssen. Die Auseinandersetzung vollzieht sich jedoch dann im betrieblichen Bereich und führt zur Entstehung eines Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG, wenn die Miterben alsbald nach dem Erbfall im Grundsätzlichen übereinstimmend und äußerlich erkennbar davon ausgegangen sind, daß das Unternehmen gemeinsam fortgeführt wird.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2
Gründe
Gehört zum Nachlaß ein gewerbliches Unternehmen und wird dieses nach dem Tode des Erblassers fortgeführt, so sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH die seit dem Erbfall erwirtschafteten Betriebsergebnisse einkommensteuerrechtlich grundsätzlich anteilig allen Miterben als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zuzurechnen, weil die Miterben in die Rechtsstellung des Erblassers eintreten und ihnen die Früchte des Nachlasses in der bisherigen einkommensteuerrechtlichen Qualifikation nach dem Verhältnis ihrer Erbteile zustehen. Hieraus folgt aber nicht, daß eine Erbauseinandersetzung, die einen zum Nachlaß gehörigen Gewerbebetrieb erfaßt, stets ein betrieblicher Vorgang ist und zur Entstehung eines Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG bei demjenigen Miterben führt, der seine Beteiligung an dem Gewerbebetrieb an den oder die anderen Miterben abgibt. Wie der BFH mehrfach entschieden hat, ist für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung entgegen der zivilrechtlichen Rechtslage davon auszugehen, daß der Gewerbebetrieb unmittelbar vom Erblasser auf denjenigen oder diejenigen Miterben übergegangen ist, denen der Gewerbebetrieb im Rahmen der Erbauseinandersetzung zugeteilt wird mit der Folge, daß die Erbauseinandersetzung noch zum Erbfall gehört und deshalb wie dieser dem außerbetrieblichen Bereich zuzuordnen ist, sofern sich die Miterben in der Zeit zwischen dem Erbfall und der Auseinandersetzung nicht so verhalten haben, daß sie sämtlich als Mitunternehmer i. S. des § 15 Nr. 2 EStG beurteilt werden müssen (vgl. die BFH-Urteile vom 26. Juli 1963 VI 334/61 U, BFHE 77, 435, BStBl III 1963, 480; vom 17. Februar 1965 I 400/62 U, BFHE 82, 296, BStBl III 1965, 354; vom 8. September 1971 I R 191/69, BFHE 103, 175, BStBl II 1972, 12; vom 9. August 1973 IV R 133/68, BFHE 110, 509, BStBl II 1974, 84; vom 4. Dezember 1974 I R 149/72, BFHE 114, 364, BStBl II 1975, 295; vom 15. Oktober 1975 I R 146/73, BFHE 117, 169, BStBl II 1976, 191; vom 10. Dezember 1975 I R 133/73, BFHE 118, 304, BStBl II 1976, 368).
Danach vollzieht sich die Auseinandersetzung hinsichtlich eines zum Nachlaß gehörenden Gewerbebetriebs z. B. dann noch im außerbetrieblichen Bereich, wenn sich die Miterben von vornherein darin einig waren, daß der Betrieb nur von einem (oder einigen) der Miterben allein fortgeführt werden soll. Entsprechendes gilt, wenn sich einer der Miterben so verhalten hat, als ob er alleiniger Inhaber des Betriebs wäre, er also den anderen Miterben jegliche Unternehmerstellung streitig gemacht hat. Die Auseinandersetzung kann auch dann noch als Teil des Erbfalles und damit als privater Vorgang beurteilt werden, wenn zwischen den Erben zunächst unklar war, was mit dem Gewerbebetrieb geschehen soll, insbesondere wenn einer der Miterben zunächst aus bestimmten anerkennenswerten Gründen dem oder den anderen Miterben gegenüber erklärt, er könne sich gegenwärtig noch keine Meinung darüber bilden, ob er den Betrieb zusammen mit den übrigen Miterben fortführen oder diesen dem oder den anderen Miterben allein zur Fortführung oder Aufgabe überlassen wolle, und wenn dieser Miterbe dann alsbald die zunächst offengebliebene Entscheidung in dem Sinne trifft, daß er den Betrieb dem oder den anderen Miterben überläßt.
Hingegen müssen die Miterben dann sämtlich als Mitunternehmer i. S. des § 15 Nr. 2 EStG qualifiziert werden, wenn sie alsbald nach dem Erbfall übereinstimmend und äußerlich erkennbar davon ausgegangen sind, daß das Unternehmen gemeinsam fortgeführt wird und lediglich bestimmte Einzelheiten dieser Fortführung einer klarstellenden Regelung bedürfen (z. B. Rechtsform der OHG oder der KG, Einzelheiten des Gesellschaftsvertrags), einer der Miterben aber später aufgrund irgendwelcher Ereignisse oder Erkenntnisse anderen Sinnes wird und deshalb hinsichtlich des Gewerbebetriebs die Auseinandersetzung in dem Sinne betreibt, daß der Gewerbebetrieb nur von dem oder den anderen Miterben fortgeführt wird und er statt dessen eine Abfindung erhält. In diesem Fall ist die nunmehr durchgeführte Auseinandersetzung ein betrieblicher Vorgang, der nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG zur Entstehung eines Veräußerungsgewinns bei dem ausscheidenden Miterben führt.
Fundstellen
Haufe-Index 72192 |
BStBl II 1977, 209 |
BFHE 1977, 39 |