Leitsatz (amtlich)
Ein bewegliches Wirtschaftsgut, das der Anspruchsberechtigte selbst hergestellt hat, ist noch "neu" im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 BerlinFG, wenn der Teilwert der bei der Herstellung verwendeten gebrauchten Wirtschaftsgüter 10 v. H. des Teilwerts des hergestellten Wirtschaftsguts nicht übersteigt. Bei der Ermittlung des für die Vergleichsrechnung maßgeblichen Teilwerts des hergestellten Wirtschaftsguts bleiben die vom Anspruchsberechtigten selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter außer Ansatz.
Normenkette
BerlinFG § 19
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) befaßt sich mit der Wartung von Maschinen. Sie hat zu diesem Zweck ein Spezialfahrzeug entwickelt, mit dem sie diese Wartung an Ort und Stelle vornehmen kann. Der Bundesminister für Verkehr hat das Fahrzeug als selbstfahrende Arbeitsmaschine anerkannt. Bei der Herstellung des Fahrzeugs hat die Klägerin neben neuen Teilen eine gebrauchte Pumpe und ein gebrauchtes Fahrgestell (mit Motor) verwendet. Das Fahrgestell gehörte zu einem Möbelwagen, den die Klägerin für ... DM erworben und dessen Aufbau sie als unbrauchbar entfernt und verschrottet hatte. Nach einer Schätzung des Finanzgerichts (FG) entfiel der Anschaffungspreis für den Möbelwagen je zur Hälfte auf das Fahrgestell und den Aufbau.
In der Einspruchsentscheidung versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Berlinzulage mit der Begründung, das Fahrzeug sei nicht neu, weil die Klägerin zu 14,49 v. H. gebrauchte Teile verwendet habe. Bei dieser Berechnung ging er davon aus, daß in die erforderliche Vergleichsrechnung (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 5. Mai 1977, BStBl I 1977, 246, Tz. 27) die Anschaffungskosten für den Möbelwagen in voller Höhe einzubeziehen seien.
Das FG hat der Klage stattgegeben. Es bezog das Fahrgestell nur mit der Hälfte der Anschaffungskosten des LKW in die Vergleichsrechnung ein und kam somit zu einer Verwendung von gebrauchten Teilen von nur 9,36 v. H. Es war im übrigen der Meinung, daß bei dieser Berechnung noch nicht die mit der Konstruktion des Fahrzeugs verwirklichte neue Idee berücksichtigt sei, die als immaterielles Wirtschaftsgut beim Wert des Fahrzeugs mit anzusetzen sei.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG). Es ist nach wie vor der Auffassung, daß der Vergleichsrechnung der Teilwert des Möbelwagens vor der Demontage des Aufbaus zugrunde zu legen sei; denn mit Beginn der Demontage habe bereits die Herstellung des Wirtschaftsguts "Arbeitsmaschine" begonnen mit der Folge, daß in diesem Zeitpunkt das angeschaffte Wirtschaftsgut "LKW" untergegangen sei. Es beruft sich insoweit auf den Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Juni 1978 GrS 1/77 (BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620, Steuer- und Zollblatt Berlin - StZBl. Bln. - 1979, 423).
Aber selbst wenn der Teilwert des LKW nach der Demontage des Aufbaus zum Vergleich heranzuziehen wäre, könne dem Wertansatz des FG nicht gefolgt werden; denn auch dieser Teilwert würde den Anschaffungskosten für den Möbelwagen entsprechen. Im übrigen beruhe die Annahme des FG, daß auf den Aufbau etwa die Hälfte des für den LKW bezahlten Kaufpreises entfalle, auf einer griffweisen und deshalb nicht nachprüfbaren Schätzung.
Das FA ist ferner der Auffassung, daß mit der Herstellung der Arbeitsmaschine auch keine neue Idee verwirklicht worden sei. Der Arbeitszweck der streitbefangenen Maschine ähnele den in der Liste der anerkannten, selbstfahrenden Arbeitsmaschinen des Bundesministers für Verkehr vom 19. Oktober 1977 bereits genannten selbstfahrenden Filtriereinrichtungen zum Filtrieren von Wasser.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat sich zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. a) Ein Wirtschaftsgut ist neu, wenn es ungebraucht ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1979 III R 71/78, BFHE 127, 117, BStBl II 1979, 287). Bei der Herstellung eines Wirtschaftsguts ist dementsprechend eine Zulage nur zu gewähren, wenn hierbei grundsätzlich nur neue Teile verwendet worden sind. Der erkennende Senat hat allerdings die Einbeziehung von gebrauchten Teilen in geringem Umfang als unschädlich angesehen. Die Grenze hat er dort gezogen, wo der Teilwert der bei der Herstellung verwendeten gebrauchten Wirtschaftsgüter 10 v. H. des Teilwerts des hergestellten Wirtschaftsguts überschreitet (BFH-Urteil vom 8. Februar 1980 III R 79/78, BFHE 130, 102, BStBl II 1980, 341; vgl. auch Schreiben des BMF vom 5. Mai 1977, a. a. O.). Diese Regelung dient u. a. im Interesse der Rechtssicherheit auch dazu, es den Beteiligten zu ermöglichen, die Zulageberechtigung möglichst eindeutig feststellen zu können. Dem würde es jedoch widersprechen, selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter beim Wert des Fahrzeugs mit anzusetzen. Die Höchstgrenze für den Teilwert des hergestellten Wirtschaftsguts bildet vielmehr die nach § 19 Abs. 1 Satz 3 BerlinFG maßgebliche Bemessungsgrundlage. Dabei ist zu berücksichtigen, daß bereits die 10 v. H.-Regelung als solche der Vereinfachung dient und allein zugunsten des Steuerpflichtigen wirkt.
b) Wird nur ein Teil eines gebrauchten Gegenstands verwendet, dann ist nur der Teilwert dieses Teils (hier: Fahrgestell mit Motor) in die Vergleichsrechnung einzubeziehen; denn bei der Entscheidung darüber, in welchem Umfang ein hergestellter Gegenstand aus neuen und alten Teilen besteht, kommt es auf das Verhältnis der tatsächlich verwendeten Bestandteile an. Maßgebend ist dabei der Teilwert im Zeitpunkt des Einbaus.
2. Entgegen der Auffassung des FG betrug der Teilwert des bei der Herstellung der Arbeitsmaschine verwendeten Fahrgestells im Zeitpunkt des Einbaus nicht nur die Hälfte der LKW-Kosten; er entsprach vielmehr den Anschaffungskosten für das gesamte Fahrzeug. Unerheblich ist dabei, daß der Aufbau des LKW verschrottet worden ist.
Auch der fiktive Erwerber (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ) hätte ebenso wie die Klägerin den LKW einschließlich Aufbau erworben, um ein Fahrgestell für die Arbeitsmaschine zu erhalten. Daß es sich bei der Anschaffung des LKW einschließlich des Aufbaus um eine Fehlmaßnahme gehandelt habe, hat die Klägerin nicht behauptet. Unerheblich ist auch, ob der auf den verschrotteten LKW-Aufbau entfallende Teil des Kaufpreises als Herstellungskosten der Arbeitsmaschine anzusehen ist (vgl. Beschluß des Großen Senats in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620). Die Entscheidung darüber betrifft ein anderes Wirtschaftsgut. Sie könnte allenfalls Einfluß auf den Teilwert der Arbeitsmaschine haben. Der Teilwert des Fahrgestells wird dadurch aber nicht berührt.
Der Teilwert der in die Arbeitsmaschine eingebauten gebrauchten Teile beträgt damit mehr als 10 v. H. des maßgeblichen Teilwerts der hergestellten Maschine.
3. Auf das BFH-Urteil vom 12. Juni 1975 VIII R 38/73 (BFHE 116, 573, BStBl II 1976, 96) kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. In dem entschiedenen Fall hatte der Investor aus gebrauchten Containern Bau-, Werkzeug- und Maschinenbuden hergestellt, die der BFH aufgrund "der neuen Idee" als neue Wirtschaftsgüter anerkannte. Eine solche neue Idee liegt hier aber nicht vor. Die Annahme einer neuen Idee scheitert schon daran, daß die Klägerin aus dem gebrauchten LKW nicht einen andersartigen Gegenstand, sondern wiederum ein Fahrzeug hergestellt hat. Dabei ist es ohne Bedeutung, daß der Verwendungszweck des Fahrzeugs ein anderer ist.
4. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war nach den vorstehenden Ausführungen abzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1984, 631 |
BFHE 1985, 200 |