Leitsatz (amtlich)
1. Eine Tochter, die in der Arbeitstätte des Vaters beschäftigt und Mitglied der häuslichen Gemeinschaft ist, gilt als "Familienangehörige" i. S. des § 2 Abs. 5a HAG auch dann, wenn sie als volle Arbeitnehmerin des Vaters, nicht nur vorübergehend gegen Taschengeld, tätig ist.
2. Wer gemäß § 2 Abs. 5 HAG als Familienangehöriger gilt, ist nicht "fremde Hilfskraft" i. S. des § 2 Abs. 6 HAG.
3. Wer außerhalb der Arbeitstätte eines Hausgewerbetreibenden für diesen tätig ist, ist nicht "fremde Hilfskraft" i. S. des § 2 Abs. 6 HAG.
4. Wer Hausgewerbetreibender i. S. des § 2 Abs. 2 HAG ist, kann außerdem Zwischenmeister i. S. des § 2 Abs. 3 HAG sein.
5. Für die Anwendung des § 44 UStDB auf einen Zwischenmeister ist nicht unbedingte Voraussetzung, daß er gemäß § 2 Abs. 2d HAG den in Heimarbeit Beschäftigten (§ 1 Abs. 1 HAG) wegen Schutzbedürftigkeit "gleichgestellt" ist.
6. Zur Frage der Schutzbedürftigkeit bei Hausgewerbetreibenden, die auch Zwischenmeister sind.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 18; UStDB 1951 § 44; HAG § 2
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist nur für die Firma X, Bunt- und Gardinenweberei, tätig. Einen Teil der Arbeiten führt er in eigener Betriebstätte aus. Den übrigen Teil der Aufträge gibt er an mehrere Lohnweber weiter. Der Bf. hat für 1952 einen Umsatz von 8097 DM, für 1953 einen Umsatz von 25 051 DM erklärt und Steuerfreiheit gemäß § 4 Ziff. 18 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) begehrt.
Das Finanzamt hat auf Grund einer Betriebsprüfung die ursprünglichen Veranlagungen 1952 und 1953 berichtigt und die vom Bf. beantragte Steuerfreiheit versagt.
Der Einspruch und die Berufung waren erfolglos.
Das Finanzgericht hat die Steuervergünstigung gemäß § 4 Ziff. 18 UStG, § 44 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 versagt, weil der Bf. nicht Hausgewerbetreibender im Sinne des Heimarbeitsgesetzes (HAG) vom 14. März 1951 sei, da er mit seiner Tochter und zwei weiteren Hilfskräften Waren herstelle. Die Tochter werde nach den eigenen Angaben des Bf. als Arbeitnehmerin geführt, müsse daher als fremde Hilfskraft im Sinne des § 2 HAG angesehen werden. Die Vergünstigung des § 44 UStDB in Verbindung mit § 2 HAG könne nur so verstanden werden, daß Familienmitglieder (z. B. Ehefrau und Kinder) nicht als volle Arbeitskraft anstelle einer fremden eingesetzt, sondern nur zu gelegentlichen Hilfeleistungen herangezogen würden, mit denen jedenfalls kein Arbeitsvertrag bestehe, so daß sie keinen angemessenen Lohn, sondern höchstens Taschengeld erhielten. Der Bf. arbeite also mit mehr als zwei fremden Hilfskräften. Es könne daher im Streitfall dahingestellt bleiben, ob die Steuerbegünstigung gemäß § 4 Ziff. 18 UStG, § 44 UStDB nicht schon darum zu versagen sei, weil der Bf. die Übernahme von Aufträgen dadurch verstärke, daß er gleichzeitig als Zwischenmeister Aufträge an Lohnweber weitergebe.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) hat Erfolg.
Unklar ist zunächst, ob der Bf. außer seiner Tochter in den Streitjahren 1952 und 1953 zwei weitere Hilfskräfte in seiner Arbeitstätte beschäftigt hat, wie das Finanzgericht annimmt. Aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Betriebsprüfungsbericht vom 12. Oktober 1954, ist das nicht zu entnehmen. Auch der Bevollmächtigte des Bf. hat in seiner Berufungsbegründung vom 7. Juni 1955 nur die Tochter des Bf. als Arbeitnehmerin erwähnt (Ziff. 1 a. a. O.), während der Bf. die anderen Arbeiten an selbständige Lohnweber weitergebe (Ziff. 2 a. a. O.). Aber auch wenn die Annahme des Finanzgerichts richtig wäre, würde der Bf. nicht mit mehr als zwei fremden Hilfskräften arbeiten; denn seine Tochter ist keine fremde Hilfskraft im Sinne des § 2 Abs. 6 HAG. Nach Abs. 6 a. a. O. ist fremde Hilfskraft im Sinne des HAG, "wer als Arbeitnehmer eines Hausgewerbetreibenden oder ...... Gleichgestellten in deren Arbeitstätte beschäftigt ist". Da die tochter des Bf. nach der unbestrittenen Feststellung des Finanzgerichts in einem vertraglichen Arbeitsverhältnis zu dem Bf. steht, also als sein Arbeitnehmer in der Arbeitstätte des Bf. beschäftigt ist, könnte zwar nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 6 HAG angenommen werden, daß die Tochter eine "fremde Hilfskraft" des Bf. sei. Dies ist jedoch sinngemäß abzulehnen. Aus dem Aufbau des § 2 HAG, insbesondere der Stellung der Absätze 5 und 6 zueinander, ergibt sich, daß als fremde Hilfskraft im Sinne des Absatz 6 nur eine Person anzusehen ist, die nicht schon als Familienangehöriger unter die Vorschrift des Absatz 5 fällt. In diesem Sinne äußert sich auch der Kommentar zum Heimarbeitsgesetz vom 14. März 1951 von Fitting und Karpf auf S. 58 Anm. 21:
"Die Eigenschaft als Familienangehöriger ist von Bedeutung für die Abgrenzung von den fremden Hilfskräften. Wer nicht zu dem oben dargestellten Personenkreis gehört und bei dem Beschäftigten in einem Arbeitsverhältnis ..... arbeitet, ist fremde Hilfskraft (Abs. 6). Wer dagegen zu diesem Personenkreis gehört, ist niemals fremde Hilfskraft; dabei ist es unerheblich, ob die Arbeitsleistung auf Grund familienrechtlicher Verpflichtung und familiärer Bindung oder auf Grund eines Arbeitsvertrages erfolgt."
Die Auffassung des Finanzgerichts, daß Familienangehörige im Sinne der Befreiungsvorschrift nur solche seien, die nicht als volle Arbeitskraft, sondern nur aushilfsweise und höchstens gegen Taschengeld beschäftigt seien, findet im Gesetz ebenfalls keine Stütze. Da die Tochter nach Feststellung des Finanzgerichts im Haushalt des Bf. lebt, also Mitglied der häuslichen Gemeinschaft des Bf. ist, gilt sie gemäß § 2 Abs. 5a HAG als Familienangehörige und daher nicht als fremde Hilfskraft des Bf. Die Eigenschaft des Bf. als Hausgewerbetreibender ist daher gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 HAG zu bejahen, soweit der Bf. die ihm von der Firma X übertragenen Arbeiten mit seiner Tochter -- und etwaigen zwei fremden Hilfskräften -- in seiner eigenen Arbeitstätte (eigene Wohnung oder Betriebstätte) ausführt. Daß der Bf. einen Teil der ihm übertragenen Arbeiten nicht in eigener Arbeitstätte ausgeführt, sondern anderen Lohnwebern übertragen hat, beeinträchtigt seine Eigenschaft als Hausgewerbetreibender nicht, weil diese Lohnweber nicht in der Arbeitstätte des Bf. beschäftigt sind und daher nicht als fremde Hilfskräfte im Sinne des § 2 Abs. 2 und 6 HAG gelten (vgl. Fitting-Karpf, Kommentar zum Heimarbeitsgesetz vom 14. März 1951 S. 59 Anm. 24 zu § 2 HAG).
Es fragt sich, ob jemand, der nach § 2 Abs. 2 HAG als Hausgewerbetreibender tätig ist, nach § 2 Abs. 3 HAG außerdem Zwischenmeister sein kann. Dies könnte zweifelhaft erscheinen, weil Absatz 3 a. a. O. sagt, daß "Zwischenmeister ... ist, wer ... die ihm ... übertragene Arbeit ... weitergibt." Es könnten die Wörtchen "die ihm übertragene Arbeit" ausgelegt werden in dem Sinne "alle ihm übertragene Arbeit". Der Senat teilt jedoch eine solche mögliche Auffassung nicht, ist vielmehr der Meinung, daß die Bestimmungen des § 2 Abs. 2 und 3 HAG nicht ausschließen, daß jemand Hausgewerbetreibender und Zwischenmeister ist (ebenso Kommentar Fitting-Karpf S. 56 Anm. 18 zu § 2 HAG). Während nun das HAG die Zwischenmeister nur dann seines Schutzes teilhaftig werden läßt, wenn sie den in Heimarbeit Beschäftigten (Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden) gleichgestellt sind (§ 1 Abs. 2d HAG, und Fitting-Karpf a. a. O. Anm. 18), ist für die Umsatzsteuerbegünstigung im § 44 UStDB 1951 eine solche Voraussetzung nicht vorgeschrieben. Nach § 44 UStDB sind vielmehr außer den Hausgewerbetreibenden auch Zwischenmeister im Sinne des HAG, die überwiegend mit bestimmten Unternehmern in festem Geschäftsverkehr stehen, insoweit umsatzsteuerfrei, als sie Umsätze an diese bestimmten Unternehmer bewirken. Der Begriff Zwischenmeister bestimmt sich lediglich nach § 2 Abs. 3 HAG. Danach ist Zwischenmeister, wer, ohne Arbeitnehmer zu sein, die ihm von Gewerbetreibenden übertragene Arbeit an Heimarbeiter oder Hausgewerbetreibende weitergibt. Auf die Zahl der von ihm außerhalb beschäftigten Heimarbeiter oder Hausgewerbetreibenden kommt es dabei nicht an, auch nicht darauf, ob er den Hausgewerbetreibenden gleichgestellt (§ 1 Abs. 2d HAG) ist. -- Da dem Bf. nach der Feststellung des Finanzgerichts nur von einem Auftraggeber Arbeiten übertragen worden sind, ist die Voraussetzung des überwiegenden festen Geschäftsverkehrs mit bestimmten Unternehmern im Sinne des § 44 UStDB beim Bf. (auch als Zwischenmeister) erfüllt. Nicht geklärt erscheint es jedoch, ob der Bf. die nicht selbst durchgeführten Aufträge "an Heimarbeiter oder Hausgewerbetreibende" weitergegeben hat und ob er auch insoweit die Voraussetzungen des Begriffs Zwischenmeister gemäß § 2 Abs. 3 HAG erfüllt hat. Die Vorentscheidung sagt hierzu lediglich, daß der Bf. "im übrigen die erhaltenen Aufträge als Zwischenmeister an mehrere Lohnweber weitergibt", ohne daß daraus zu ersehen wäre, ob diese Lohnweber Heimarbeiter oder Hausgewerbetreibende im Sinne des § 2 HAG sind, und ob daher das Finanzgericht den Bf. mit Recht als Zwischenmeister bezeichnet hat.
Auch wenn hiernach alle Voraussetzungen zur Bejahung der Eigenschaft des Bf. als Zwischenmeister erfüllt sein sollten, wäre noch zu prüfen, ob eine Schutzbedürftigkeit, die nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des erkennenden Senats (Urteil des Reichsfinanzhofs V A 263/36 vom 21. Dezember 1936, Slg. Bd. 40 S. 257 = Reichssteuerblatt 1937 S. 326; Urteil des Bundesfinanzhofs V 26/54 U vom 21. Dezember 1954, Slg. Bd. 60 S. 207, Bundessteuerblatt 1955 III S. 79) Voraussetzung für die Gewährung der Steuerfreiheit gemäß § 4 Ziff. 18 UStG, § 44 UStDB 1951 ist, beim Bf. vorliegt. Vgl. auch das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Bundesfinanzhofs V 15/56 U vom 30. August 1956. Diese Prüfung der Schutzbedürftigkeit erscheint besonders erforderlich in Fällen, in denen ein Hausgewerbetreibender zugleich als Zwischenmeister tätig ist; sie ist in solchen Fällen sowohl auf die Hausgewerbe- als auch auf die Zwischenmeister-Tätigkeit zu beziehen. Ist ein solcher Unternehmer in Ansehung seiner Zwischenmeistereigenschaft einem in Heimarbeit Beschäftigten wegen Schutzbedürftigkeit gemäß § 1 Abs. 2d HAG "gleichgestellt" worden, so ist seine Schutzbedürftigkeit auch in Ansehung seiner Eigenschaft als Hausgewerbetreibender anzunehmen. Liegt aber im Streitfall eine solche Gleichstellung als Zwischenmeister nicht vor, so bleibt die Frage der Schutzbedürftigkeit des Bf. von den Finanzbehörden für beide Beschäftigungen (Heimgewerbetreibender und Zwischenmeister) noch zu prüfen. Dafür wäre zweckmäßigerweise eine Stellungnahme derjenigen arbeitsbehördlichen Dienststelle herbeizuführen, die für eine Gleichstellung des Bf. gemäß § 1 Abs. 2b bis d HAG zuständig wäre.
Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Dieses wird im Sinne der vorstehenden Ausführungen zu prüfen haben, ob der Bf. für seine Entgelte als Hausgewerbetreibender und für seine Entgelte als Zwischenmeister gemäß § 44 UStDB steuerfrei zu stellen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 408585 |
BStBl III 1956, 343 |
BFHE 1957, 383 |