Leitsatz (amtlich)
Die Gewährung eines Freibetrags nach § 33a Abs. 2 EStG setzt voraus, daß die "auswärtige Unterbringung" des Kindes auf eine gewisse Dauer angelegt ist.
Normenkette
EStG § 33a Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der im Jahre 1959 geborene Sohn der Kläger und Revisionskläger (Kläger) besuchte im Streitjahr 1975 eine Hauptschule. In der Zeit vom 24. bis 29. November 1975 nahm er innerhalb des politisch-sozialwissenschaftlichen Unterrichts an einer Klassenfahrt nach Berlin teil. Hierfür machten die Kläger in ihrem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich einen Freibetrag von 100 DM wegen auswärtiger Unterbringung zur Berufsausbildung nach § 33a Abs. 2 i. V. m. § 33a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG) geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem Antrag nicht.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Sinn und Zweck des § 33a Abs. 2 EStG sei es, die durch eine ständige auswärtige Unterbringung belasteten Steuerpflichtigen, bei denen die Ausbildung der Kinder nicht von der elterlichen Wohnung aus erfolgen könne, steuerlich zu entlasten. Daher setze die genannte Vorschrift eine auswärtige Unterbringung von gewisser Dauer voraus. Klassenreisen, die von Schulklassen regelmäßig durchgeführt würden und die Eltern von auswärts wie nicht auswärts untergebrachten Kindern gleichmäßig belasteten, genügten demnach nicht.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Sie machen insbesondere geltend, FA und FG hätten die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten. Der Wortlaut des § 33a Abs. 2 EStG erfasse eindeutig jede Unterbringung außerhalb des Elternhauses und biete keinen Anhalt für eine Beschränkung auf ein auswärtiges Wohnen von gewisser Dauer. Im übrigen komme durch das Abstellen auf eine "gewisse Dauer" ein Unsicherheitselement in die Vorschrift hinein, das der Gesetzgeber -- wie sich auch aus § 33a Abs. 4 EStG ergebe -- gerade habe vermeiden wollen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 33a Abs. 2 EStG wird bei einem Steuerpflichtigen, dem Aufwendungen für die auswärtige Unterbringung eines in der Berufsausbildung befindlichen Kindes erwachsen, für das er Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) oder auf andere Leistungen für Kinder hat (§ 8 Abs. 1 BKGG), auf Antrag ein Betrag von 1 200 DM im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen. Die streitige Klassenfahrt nach Berlin bedeutete nicht einen Fall von auswärtiger Unterbringung eines in Ausbildung befindlichen Kindes i. S. der genannten Vorschrift.
Eine auswärtige Unterbringung liegt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats dann vor, wenn das Kind außerhalb des Haushalts der Eltern wohnt (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. Oktober 1957 VI 175/56 U, BFHE 65, 546, BStBl III 1957, 444; vom 8. Februar 1974 VI R 322/69, BFHE 111, 413, BStBl II 1974, 299). Soweit das FA und das FG für das Vorliegen einer "auswärtigen Unterbringung" i. S. der Vorschrift darüber hinaus ein auf "bestimmte Dauer abgestelltes Wohnen" außerhalb des elterlichen Haushalts bzw. ein auswärtiges Wohnen von "gewisser Dauerhaftigkeit" verlangt haben, befinden sie sich in Übereinstimmung mit den Ausführungen in dem BFH-Urteil vom 26. Mai 1971 VI R 203/68 (BFHE 102, 385, BStBl II 1971, 627). Der erkennende Senat hat dort -- ohne daß es in dem entschiedenen Fall darauf angekommen wäre -- ausgesprochen, eine auswärtige Unterbringung i. S. des § 33a Abs. 2 EStG erfordere, daß für das Kind ständig eine Wohngelegenheit außerhalb des elterlichen Haushalts bereitgehalten werde. An dieser Auslegung hält der Senat fest.
Entgegen der Auffassung der Kläger umfaßt der Wortlaut der Vorschrift nicht jede Unterbringung außerhalb des Elternhauses. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird vielmehr eine "auswärtige Unterbringung" erst angenommen, wenn der Unterbringung außerhalb des elterlichen Haushalts eine gewisse Dauer innewohnt (vgl. Urteil des FA Berlin vom 4. September 1981 III 63/81, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1982, 190, letzter Absatz). § 33 a Abs. 4 EStG steht dieser Auslegung nicht entgegen, sondern bestätigt sie. Der dort vorgesehenen Ermäßigung der Freibeträge für jeden Monat, in dem die in § 33a Abs. 1 bis 3 EStG bezeichneten Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, entnimmt der Senat, daß der Gesetzgeber in den Vorschriften des § 33a Abs. 1 bis 3 EStG Belastungen begünstigen wollte, die durch auf Dauer angelegte Umstände hervorgerufen werden. Die Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 33a Abs. 2 EStG auf die Fälle einer auf eine gewisse Dauer angelegten auswärtigen Unterbringung entspricht auch der der Vorschrift innewohnenden Zielsetzung. Nach § 33a Abs. 2 EStG sollen nicht die Kosten für die Ausbildung des Kindes des Steuerpflichtigen begünstigt werden. Solche Aufwendungen sind, jedenfalls bei zusammenveranlagten Eltern wie hier, grundsätzlich durch die Gewährung von Kindergeld abgegolten (vgl. zum Kinderfreibetrag: BFH-Urteil vom 1. Dezember 1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78 und die dort angegebene Rechtsprechung). Dabei spielt es keine Rolle, ob im Einzelfall die Ausbildung selbst aufwendig ist oder nicht. Deshalb kann es auch nicht entscheidend sein, ob Ausbildungskosten dadurch entstehen, daß den Schülern neben den Unterrichtsstunden, aber im Rahmen und im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausbildung, zusätzliche Lehrveranstaltungen angeboten werden und die Eltern ihre Kinder daran teilnehmen lassen. Damit zusammenhängende Kosten können als Ausbildungskosten nicht mehr berücksichtigt werden, und zwar ohne Unterschied, ob es sich etwa um Kosten für Vortragsveranstaltungen oder von Exkursionen handelt.
Unerheblich ist, ob solche zusätzliche Kosten auf alle Eltern zukommen oder nur auf einen Teil von ihnen und ob und inwieweit die Eltern sich ihnen entziehen können. Kennzeichnend für den Maßstab, den der BFH anlegt, ist auch insoweit das Urteil in BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78. Dort hat der BFH entschieden, daß zu den durch die steuerliche Kinderentlastung abgegoltenen Aufwendungen erhöhte Ausbildungskosten selbst dann gehören, wenn sie auf einer krankheitsbedingten Lernbehinderung beruhen (im damaligen Fall: Privatschulkosten). Erst recht muß dies für Aufwendungen für Klassenfahrten der hier vorliegenden Art gelten.
Solche Aufwendungen teilen steuerrechtlich das Schicksal der Aufwendungen für die gesamte Ausbildung, zu denen sie gehören. Eine auswärtige Unterbringung eines in der Berufsausbildung befindlichen Kindes ist demnach nur gegeben, wenn es sich um eine Unterbringung handelt, die darauf angelegt ist, die räumliche Selbständigkeit des Kindes Während einer ganzen Ausbildung (etwa eines Studiums) oder eines bestimmten Ausbildungsabschnittes (etwa eines Studiensemesters oder -trimesters) zu gewährleisten.
Diesem Ergebnis entspricht auch die Entstehungsgeschichte des § 33a Abs. 2 EStG. Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl I 1954, 373, BStBl I 1954, 575) in das EStG 1955 eingefügt. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs dieses Gesetzes war bezweckt, "die besonderen Aufwendungen, die sich bei auswärtiger Berufsausbildung" regelmäßig ergeben, auch gesondert zu berücksichtigen (BT- Drucks. 2/481, S. 92f.). Da aber eine "auswärtige Berufsausbildung" im allgemeinen von einer gewissen Dauer zu sein pflegt, wollte der Gesetzgeber bei der Schaffung der Vorschrift nur Kosten einer auswärtigen Unterbringung steuerrechtlich berücksichtigen, die durch einen nicht ganz kurzen Ausbildungsgang erforderlich geworden sind. Diese Annahme wird durch den Hinweis in der Begründung des Regierungsentwurfs bestätigt, wonach die in Rede stehende Vorschrift gegenüber dem bis dahin bestehenden Rechtszustand keine Veränderung enthalte (BT-Drucks. 2/481, S. 92f.). Dieser Rechtszustand war aber geprägt von Abschn. 28 der Einkommensteuer-Ergänzungsrichtlinien 1952 zu Abschn. 209 der Einkommensteuer-Richtlinien 1951 und von dem BFH-Urteil vom 1. Juli 1954 IV 459/53 U (BFHE 59, 261, BStBl III 1954, 312). In diesem Urteil hatte der BFH entschieden, daß eine außergewöhnliche Belastung dann gegeben sei, wenn die Aufwendungen durch eine auswärtige Unterbringung, im entschiedenen Fall veranlaßt durch ein regelmäßig nicht nur kurzfristiges Hochschulstudium, entstanden waren.
Daraus läßt sich entnehmen, daß nach dem Vorverständnis, das sich dem Gesetzgeber bot, eine auswärtige Unterbringung von in der Berufsausbildung befindlichen Kindern i. S. der Vorschrift nur dann vorliegt, wenn es sich um einen außergewöhnlichen Fall der Unterbringung handelt. Ein solcher Fall wurde aber nur dann angenommen, wenn die Unterbringung auf eine gewisse Zeit angelegt war. Nicht gemeint waren dagegen Fälle der Unterbringung bei nur wenige Tage dauernden Exkursionen.
Daran hat die Neufassung des EStG 1975 durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 (BGBl I 1974, 1769, BStBl I 1974, 530) nichts geändert. Jedenfalls läßt sich dem Regierungsentwurf eines 3. Steuerreformgesetzes (BT-Drucks. 7/1470, S. 53) und der Begründung hierzu (BT-Drucks. 7/1470, S. 282) nicht entnehmen, daß sich das Verständnis von dem Begriff der auswärtigen Unterbrinung i. S. des § 33a Abs. 2 EStG gewandelt hätte.
Fundstellen
Haufe-Index 74490 |
BStBl II 1983, 109 |
BFHE 1982, 42 |