Leitsatz (amtlich)
Ein medizinischer Fußpfleger übt keine der Tätigkeit eines Heilpraktikers ähnliche heilberufliche Tätigkeit aus1).
Normenkette
UStG 1967 § 4 Nr. 14
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte und Kläger (Kläger) übt die selbständige Tätigkeit eines medizinischen Fußpflegers aus und betreibt daneben den Verkauf von Fußpflegemitteln, orthopädischen Erzeugnissen, Schuhen, Sandalen, Einlagen usw. Im Jahre 1968 entfiel etwa je die Hälfte seines Umsatzes auf die medizinische Fußpflege und auf den Verkauf. Seine Kenntnisse auf dem Gebiet der medizinischen Fußpflege hat der Kläger durch eine Fachausbildung mit Abschlußprüfung beim Lehrinstitut für Fußpflege der S-Werke GmbH und bei weiteren Kursen des Zentralverbandes der Fußpfleger Deutschlands e. V. erworben. Eine staatliche Prüfung hat er nicht abgelegt; eine solche gibt es für seinen Beruf nicht. Der Kläger behandelt erkrankte Füße; auf dem Gebiet der kosmetischen Fußpflege ist er nicht tätig. Er befaßt sich vornehmlich mit der Behandlung von Hornschichten, Hühneraugen, Schwielen und Warzen. Ferner behandelt er Nagelmißbildungen und -verwachsungen aller Art, u. a. mit Hilfe der Spangentechnik (Orthonyxie) und der Nagelprothetik. Er korrigiert verlagerte Zehen und bringt entsprechende Schutzvorrichtungen an (Orthoplastik). Außerdem wendet er physikalisch-therapeutische Verfahren im Bereich von Fuß und Bein an. Er übt seine Tätigkeit in enger Zusammenarbeit mit Ärzten aus und rechnet direkt mit den Krankenkassen ab, obwohl er keine Zulassung zu ihnen hat.
In der Umsatzsteuererklärung 1968 behandelte der Kläger seine Umsätze aus medizinischer Fußpflege als steuerfrei gemäß § 4 Nr. 14 UStG 1967. Der Revisionskläger und Beklagte (FA) unterwarf jedoch diese Umsätze der Besteuerung. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Beurteile man die Tätigkeit des Klägers nach den in § 1 Abs. 2 des Heilpraktikergesetzes - HeilprG - vom 17. Februar 1939 (RGBl I 1939, 251) enthaltenen Merkmalen, die den Begriff "Ausübung der Heilkunde" festlegen, so betreibe der Kläger auf einem medizinischen Spezialgebiet eine der Heilkunde ähnliche Tätigkeit, zumindest eine Heilhilfstätigkeit. Der Beruf des medizinischen Fußpflegers sei dem Beruf des Heilpraktikers ähnlich im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Daß der Kläger seinen Beruf ohne eine staatliche Anerkennung bzw. Erlaubnis ausübe, sei nicht entscheidungserheblich, weil es nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG auch eine erlaubnisfreie Heilhilfstätigkeit gebe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision. Zur Begründung trägt das FA vor: Das FG habe es zu Unrecht und unter Abweichung von den Urteilen des BFH vom 13. April 1951 IV 216/50 (StRK, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 84) und vom 6. Dezember 1955 I 200/54 (StRK, a. a. O., Rechtsspruch 88) für unerheblich gehalten, daß die Berufstätigkeit des Klägers einer behördlichen Erlaubnis nicht bedürfe. Ferner sei darauf abzustellen, daß der Beruf des Fußpflegers von den zuständigen Behörden bisher nicht als Medizinalhilfsberuf anerkannt sei. Demzufolge unterlägen Fußpfleger keiner Aufsicht durch Gesundheitsbehörden und bestehe insbesondere keine gesetzliche Möglichkeit, die Geschäftsräume in hygienischer Hinsicht zu überprüfen. Da ein Heilpraktiker einer solchen Aufsicht unterworfen sei, sei die Berufsausübung des Fußpflegers mit der Berufstätigkeit eines Heilpraktikers nicht vergleichbar. Im übrigen habe der Kläger als Handeltreibender das Feld einer freiberuflichen Tätigkeit ohnehin verlassen und übe insgesamt eine gewerbliche Tätigkeit aus.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Nach § 4 Nr. 14 UStG 1967 sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Dentist, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerfrei. Nach der Rechtsprechung des BFH reicht es zur Anerkennung einer Ähnlichkeit im Sinne dieser Vorschrift nicht aus, daß die zu beurteilende Tätigkeit gewisse allgemeine Merkmale aufweist, die den besonders aufgeführten Berufen gemeinsam sind. Die Tätigkeit muß vielmehr die typischen Merkmale eines oder mehrerer dieser einzeln genannten Berufe enthalten (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 1972 VIII R 18/67, BFHE 108, 26, BStBl II 1973, 183, mit weiteren Nachweisen). Entsprechendes gilt für die Frage, ob eine bestimmte Berufstätigkeit die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 UStG 1967 erfüllt. Die zu beurteilende Tätigkeit ist daher nicht schon dann tatbestandsmäßig, wenn sie einer der verschiedenen Definitionen des Begriffs "Ausübung der Heilkunde" entspricht.
Außerdem ist die vom FG herangezogene Definition in § 1 Abs. 2 HeilprG für eine Abgrenzung der unter § 4 Nr. 14 UStG 1967 fallenden Berufe nicht voll geeignet. Denn neben den Heilberufen sind durch § 4 Nr. 14 UStG 1967 auch die Heilhilfsberufe begünstigt - so ausdrücklich die Krankengymnasten, ferner die ihnen nach der Rechtsprechung des BFH ähnlichen Heilmasseure (vgl. Urteile vom 26. November 1970 IV 60/55, BFHE 101, 115, BStBl II 1971, 249, und vom 21. Oktober 1971 V R 19/71, BFHE 103, 289, BStBl II 1972, 78) -, obwohl die Heilhilfstätigkeit (z. B. diejenige eines medizinischen Masseurs) keine Ausübung der Heilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 HeilprG ist (vgl. zu den Unterscheidungsmerkmalen zwischen den Heilhilfstätigkeiten und der Ausübung der Heilkunde BVerwG-Urteil vom 25. Juni 1970 I C 53.66, BVerwGE 35, 308).
Entgegen der Auffassung des FG besteht zwischen den Berufen des medizinischen Fußpflegers und des Heilpraktikers keine Ähnlichkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 EStG: Zum Wesen der Tätigkeit des Heilpraktikers gehört es - wegen ihres inneren Zusammenhangs mit der durch Berufsordnungen abschließend geregelten ärztlichen Tätigkeit -, daß sie als Ausübung der Heilkunde einer Erlaubnis bedarf und der Überwachung durch die Gesundheitsämter unterliegt. Der Heilpraktikertätigkeit ähnlich kann daher nur eine Berufsausübung sein, die ebenfalls von diesen Voraussetzungen abhängig ist (vgl. BFH-Urteil I 200/54, auf dessen Grundsätze im BFH-Urteil vom 26. Oktober 1967 IV 246/63, BFHE 90, 326, BStBl II 1968, 77, erneut verwiesen wurde). Die Tätigkeit des Klägers beruht jedoch nicht auf einer besonderen Erlaubnis und unterliegt auch nicht der Aufsicht durch die Gesundheitsbehörde. Zu Unrecht hat deshalb das FG die Steuerfreiheit schon aus dem Gesichtspunkt bejaht, daß der Kläger ebenso wie ein Heilpraktiker bei kranken Menschen Heilbehandlungen durchführe, und daß die Ähnlichkeit der beiden Berufe bereits auf Grund dieser Übereinstimmung gegeben sei.
Das FG konnte die Ähnlichkeit der Tätigkeiten eines medizinischen Fußpflegers und eines Heilpraktikers auch nicht mit der Begründung anerkennen, daß nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG Heilhilfstätigkeiten erlaubnisfrei ausgeübt werden könnten und daß es deshalb nicht darauf ankomme, ob die Berufsausübung eines medizinischen Fußpflegers von einer Erlaubnis abhängig sei. Denn die für die Ähnlichkeitsprüfung erforderlichen Vergleichsmaßstäbe müssen demjenigen im gesetzlichen Katalog aufgeführten Beruf entnommen werden, dem der zu beurteilende Beruf ähnlich sein soll. Anders als bei den Heilhilfsberufen gehört es aber beim Heilpraktiker zu den charakteristischen Merkmalen der Tätigkeit, daß die auf Ausübung der Heilkunde ausgerichtete Berufstätigkeit der Erlaubnis bedarf, wobei diese grundsätzlich nicht unter Beschränkung auf ein Spezialgebiet erteilt werden darf (BVerwG-Urteil I C 53.66, welches das Spezialgebiet der Chiropraktik betrifft).
Die Sache ist nicht spruchreif. Denn die fehlende Ähnlichkeit zwischen dem Beruf des Klägers und dem eines Heilpraktikers schließt es nicht aus, daß dem Kläger die Steuerbefreiung - ganz oder teilweise - gewährt werden kann, wenn er - wie z. B. der Heilmasseur - einen dem Krankengymnasten ähnlichen Heilhilfsberuf ausübt. Dazu hat das FG keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen. Zwar enthält die Vorentscheidung gewisse Anhaltspunkte, die für die Einordnung des medizinischen Fußpflegers unter die nach § 4 Nr. 14 UStG 1967 steuerbefreiten Heilhilfsberufe sprechen könnten. Der Senat hält es jedoch zur abschließenden Beurteilung für erforderlich, daß sich das FG die für die Prüfung der Ähnlichkeit erforderliche Fachkunde in geeigneter Weise (z. B. durch Einholung von Gutachten oder weitere Anfragen bei Gesundheitsbehörden, Krankenversicherungsträgern und/oder einschlägigen Fachverbänden) verschafft. Falls es nach erneuter Verhandlung zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger ausschließlich oder überwiegend eine unter § 4 Nr. 14 UStG 1967 fallende Heilhilfstätigkeit ausübt und daß die Verkaufstätigkeit der Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit nicht entgegensteht (zu dieser Frage enthält die Vorentscheidung bisher weder Tatsachenfeststellungen noch Rechtsausführungen), so wird es noch zum Umfang der steuerfreien Leistungen Stellung nehmen müssen (vgl. dazu Weiß, Umsatzsteuer-Rundschau 1972 S. 327).
1) siehe auch BFH-Urteil vom 30. Januar 1975 V R 102/74, BStBl II 1975, 523
Fundstellen
Haufe-Index 71393 |
BStBl II 1975, 522 |
BFHE 1974, 66 |