Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Grundsätze über den Verkauf im eigenen Laden gelten nicht für den Verkauf in einer Gastwirtschaft.
Werden in einer Gastwirtschaft Tabakwaren durch Angestellte eines Tabakwarenhändlers zum Verkauf angeboten, so ist der Gastwirt nur mit der von ihm vereinnahmten Provision umsatzsteuerpflichtig.
Bei der Entscheidung über die Frage, ob eine Verkäuferin, die Tabakwaren eines Tabakwarenhändlers in der Gastwirtschaft verkauft, Angestellte des Tabakwarenhändlers oder des Gastwirts ist, kommt es auf das Auftreten nach außen nicht an.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1, § 2/2/1
Tatbestand
Der Steuerpflichtige betreibt eine Gastwirtschaft. Streitig ist, ob er mit den Erlösen aus Verkäufen von Tabakwaren einer Tabakwarengroßhandlung M. durch Verkäuferinnen in seinen Räumen oder nur mit den von dieser Firma erhaltenen Provisionseinnahmen umsatzsteuerpflichtig ist.
Dem Finanzamt war bekanntgeworden, daß der Steuerpflichtige in seinen Steuererklärungen für 1950 bis 1953 lediglich die Provisionen aus diesen Verkäufen versteuert hatte. Es führte daraufhin Berichtigungsveranlagungen durch und zog den Steuerpflichtigen mit den gesamten Verkaufserlösen zur Umsatzsteuer heran. Der dagegen eingelegte Einspruch war ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung wurde vom Finanzamt die Auffassung vertreten, daß es nicht darauf ankomme, ob die Verkäuferinnen Angestellte des Steuerpflichtigen oder der Firma M. seien. Nach den Grundsätzen über den Verkauf im eigenen Laden sei der Steuerpflichtige als Verkäufer anzusehen und deshalb auch mit den Einnahmen aus den Verkäufen steuerpflichtig. Auf den Einwand des Steuerpflichtigen, daß diese Frage bei der Schlußbesprechung zu der im Jahre 1952 stattgefundenen Betriebsprüfung eingehend erörtert worden sei, ging das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung nicht ein.
Der dagegen eingelegten Berufung wurde vom Finanzgericht stattgegeben. Es nahm unter Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V 133/40 vom 23. Oktober 1942 (RStBl 1943 S. 53) an, daß die Grundsätze über den Verkauf im eigenen Laden für Verkäufe in einer Gastwirtschaft nur gälten, soweit Leistungen in Frage stehen, die in der Regel nur der Gastwirt erbringe, also von Speisen und Getränken. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seien die Zigarettenverkäuferinnen nicht Angestellte des Steuerpflichtigen gewesen. Die Umsätze aus diesen Verkäufen seien sonach dem Steuerpflichtigen nicht zuzurechnen. Ob Berichtigungsveranlagungen schon mangels neuer Tatsachen ausgeschlossen gewesen seien, könne bei dieser Beurteilung dahingestellt bleiben.
Entscheidungsgründe
Die gegen dieses Urteil eingelegte Rb. des Vorstehers des Finanzamts kann keinen Erfolg haben.
Der Auffassung des Finanzamts, daß die Grundsätze über den Verkauf im eigenen Laden (Urteil des Bundesfinanzhofs V 28/51 U vom 2. Oktober 1952, BStBl 1952 III S. 294, Slg. Bd. 56 S. 765) auch auf Tabakwarenverkäufe in Gastwirtschaften anzuwenden seien, falls für den Gast nicht ohne weiteres offensichtlich ist, daß zwei Unternehmer innerhalb der Gastwirtschaft tätig sind, kann nicht beigetreten werden. Wie der Reichsfinanzhof in seiner Entscheidung V 133/40 vom 23. Oktober 1942 (a. a. O.) ausgesprochen hat, ist der Gastwirt, soweit die Tabakwaren von Angestellten des Tabakwarenhändlers verkauft werden, nur mit dem ihm von diesem gewährten Gewinnanteil umsatzsteuerpflichtig. Dieser Auffassung tritt der Senat bei. Den Ausgangspunkt für die Beurteilung der Verkäufe im eigenen Laden bildet die Frage, ob die Käufer zu dem Ladeninhaber oder zu dem dahinterstehenden Auftraggeber des Ladeninhabers in Rechtsbeziehung treten. Da die Geschäfte über den Ladentisch den Käufern gegenüber in der Regel in gleicher Weise abgewickelt werden, ist in diesen Fällen die Annahme berechtigt, daß der Käufer im allgemeinen den Ladeninhaber als den Verkäufer ansieht. Es macht dabei keinen Unterschied, ob der Ladeninhaber oder seine Angestellten den Kunden bedienen. Trotzdem können diese Grundsätze nach der Rechtsprechung nicht für alle Ladengeschäfte ausnahmslos angewendet werden. Es gibt auch Fälle, in denen besondere Verhältnisse zu einer anderen Beurteilung führen können, obwohl das Geschäft im Laden betätigt wurde. Ein Verkauf im Laden durch Angestellte eines anderen Unternehmers wird normalerweise nicht vorkommen. Insoweit unterscheidet sich aber der Verkauf im Laden vom Verkauf in einer Gaststätte. Bei einer Gaststätte kommt es immer wieder vor, daß andere Unternehmer, denen der Gastwirt den Verkauf in seiner Gastwirtschaft erlaubt hat, selbst oder durch ihre Angestellten ihre Ware in der Gaststätte zum Verkauf anbieten. Werden z. B. Blumen oder Zeitungen angeboten, so weiß der Gast in der Regel, daß er diese nicht vom Gastwirt kauft. Das kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß in diesen Fällen Zug um Zug an den Verkäufer bezahlt und nicht über die Bedienung abgerechnet wird. In anderen Fällen, wie z. B. bei Verkäufen von Postkarten oder Eßwaren (Brezeln, Salzstangen, Süßwaren usw.) wird es dem Gast oft zweifelhaft sein, ob ihm diese vom Gastwirt bzw. dessen Angestellten oder von einem anderen Unternehmer angeboten werden. Auch bei diesen Verkäufen wird vom Gast unmittelbar an den anbietenden Verkäufer bezahlt. Die Verhältnisse liegen deshalb nicht wesentlich anders als beim Verkauf der Blumen und der Zeitungen. Aus diesen Gründen kann auch nicht ohne weiteres angenommen werden, daß in allen diesen Fällen der Gastwirt der Verkäufer ist. Beim Verkauf der Tabakwaren durch umhergehende Verkäufer oder Verkäuferinnen liegen die Verhältnisse nicht anders. Der Gast, der Zigaretten von den Verkäufern oder Verkäuferinnen kauft und an diese sofort bezahlt, kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß er die Ware vom Gastwirt gekauft hat. Die Rechtslage ist einfach, wenn die Zigarettenverkäufer Angestellte des Gastwirts sind. In diesen Fällen ist der Gastwirt der Verkäufer und er muß die Verkaufserlöse versteuern. Sind die Zigarettenverkäufer aber Angestellte des Tabakwarenhändlers, so müssen die Verkäufe dem zugerechnet werden, für den die Angestellten tätig sind, d. h. den Tabakwarenhändler. Es muß deshalb zwischen dem Verkauf durch Angestellte des Gastwirts und dem Verkauf durch Angestellte des Tabakwarenhändlers unterschieden werden.
Das Finanzgericht hat im vorliegenden Falle die Verkäuferinnen der Tabakwaren als Angestellte der Firma M. angesehen. Nach seinen Feststellungen wurden die Zigarettenverkäuferinnen im Einverständnis mit dem Steuerpflichtigen von der Firma M. angestellt. Sie erhielten die Tabakwaren von dieser Firma und rechneten mit dieser unmittelbar ab. Die Bestände, die allein unter Verschluß der Verkäuferinnen standen, wurden einmal im Monat von einem Angestellten der Firma M. für die Abrechnung aufgenommen. Bei Beginn ihrer Tätigkeit mußten die Verkäuferinnen an die Firma M. eine Kaution geben. M. schuldete auch das Urlaubsgeld und war für die Beschaffung einer Ersatzkraft verantwortlich. Das Finanzgericht hat diese Feststellungen nach Einvernahme einer Anzahl von Auskunftspersonen getroffen und daraus ohne Rechtsirrtum gefolgert, daß die Verkäuferinnen keine Angestellten des Gastwirts, sondern Angestellte der Firma M. waren. Es konnte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu diesem Ergebnis kommen. Ein Verstoß gegen den Inhalt der Akten ist nicht feststellbar. Der Senat ist deshalb an die Feststellungen gebunden.
Wenn das Finanzgericht den Umständen, daß die Lohnlisten und die Lohnkarten der Verkäuferinnen bei dem Steuerpflichtigen geführt wurden, die Verkäuferinnen die auf ihr Bedienungsgeld entfallende Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an den Steuerpflichtigen abführten und die Anmeldung der Verkäuferinnen zu den gesetzlichen Versicherungen durch den Steuerpflichtigen vorgenommen wurde, keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat, so ist das nicht zu beanstanden. Es brauchte auch wegen der Vorschriften über die Lohnsteuerhaftung und der Bindung der Verkäufer hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsweise zu keinem anderen Ergebnis zu kommen. Angestellte, die außerhalb der Arbeitsstätte ihres Arbeitgebers arbeiten, müssen sich bei ihrer Arbeit stets nach den Verhältnissen richten, unter denen sie ihre Arbeit verrichten. Auch die Ausnützung der Konzession des Steuerpflichtigen zum Verkaufe von Tabakwaren und die Umgehung der Einzelhandelsbestimmungen waren noch keine zwingenden Gründe, die Verkäuferinnen deshalb als Angestellte des Steuerpflichtigen zu betrachten. Schließlich hat das Finanzgericht den Sachverhalt auch nicht wirtschaftlich unzutreffend beurteilt. Die Erwägung, daß der Tabakwarenverkauf für die Firma M. bei einem Steuersatz von 4 % ein Verlustgeschäft wäre, muß für die Beurteilung der zu entscheidenden Frage schon deshalb außer Betracht bleiben, weil die Firma M. offenbar von einer anderen umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung ausging; es kann angenommen werden, daß sie bei Kenntnis der höheren Steuerbelastung eine geringere Provision vereinbart hätte. Der Beschriftung des Trageladens kommt unter den gegebenen Verhältnissen eine besondere Bedeutung nicht zu.
Die Rb. war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410491 |
BStBl III 1962, 361 |
BFHE 75, 262 |