Leitsatz (amtlich)
Zur Berechnung von Garantlerückstellungen bei mehrjähriger Garantiefrist.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Die Klägerin stellt nach einem besonderen Verfahren begeh- und befahrbare Beläge für Bauten her. Auf ihre Arbeiten gewährt sie für 10 Jahre Garantie. Wegen der Garantieverpflichtungen bildet sie für jedes noch in der Garantiefrist liegende Leistungsjahr Rückstellungen, die sie anschließend zu einer einheitlichen Garantierückstellung zusammenfaßt. Für die einzelnen Jahresrückstellungen legte sie 5 v. H. des jeweiligen Jahresumsatzes zugrunde. Diesen Rückstellungsbetrag löste sie in den folgenden fünf Jahren mit jeweils 8 v. H. und in den nächsten fünf Jahren mit jeweils 12 v. H. auf; die Kosten der einzelnen Garantieleistungen verbuchte sie gewinnmindernd.
Nach einer Betriebsprüfung für die Jahre 1971 bis 1973 legte das Finanzamt -- FA -- den Jahresrückstellungen nur 3 v. H. des Jahresumsatzes zugrunde; außerdem löste das FA den Rückstellungsbetrag mit 25 v. H. im ersten Jahr, 20 v. H. im zweiten Jahr, 10 v.H. im dritten bis fünften Jahr und 5 v. H. im sechsten bis zehnten Jahr auf. Zusätzlich bildete es für einen Großschaden im Jahre 1973 eine Einzelrückstellung. In der Einspruchsentscheidung ging das FA nach vorherigem Hinweis von dieser Rechnungsweise ab. Nunmehr bildete es die Rückstellungen mit 2,65 v. H. der Jahresumsätze und verrechnete sie in den Folgejahren mit den tatsächlich erbrachten Leistungen.
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt Pauschalrückstellungen in Höhe von 3 v. H. des Jahresumsatzes für erforderlich, die in den Folgejahren mit den tatsächlich erbrachten Leistungen zu verrechnen seien; zum 31. Dezember 1973 müsse zusätzlich die zuvor bereits vom FA zugebilligte Einzelrückstellung für besondere Belastungen aus einem einzelnen Bauvorhaben gebildet werden. Das FG hob die Gewinnfeststellungsbescheide 1971 bis 1973 auf und verpflichtete das FA gemäß Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungsund Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 -- VGFGEntlG -- (BGBl I, 446), die Rückstellungen nach diesen Maßstäben neu zu berechnen und den geänderten Gewinn auf die Gesellschafter der Klägerin zu verteilen.
Die Klägerin rügt in der Revisionsinstanz die Verletzung materiellen Rechts. Sie meint, daß die Berechnungen des FG nicht den Erfordernissen einer Garantierückstellung für eine mehrjährige Garantiezusage entsprächen. Nach ihren schon dem FG vorgelegten Aufzeichnungen für abgelaufene Garantiezeiträume seien die jeweiligen Umsätze der Jahre 1958 bis 1969 in folgender Höhe aus späteren Garantieleistungen belastet worden:
1958 4,4 v. H. 1964 2,0 v. H.
1959 7,7 v. H. 1965 1,3 v. H.
1960 5,0 v. H. 1966 1,7 v. H.
1961 4,9 v. H. 1967 2,2 v. H.
1962 3,1 v. H. 1968 6,4 v. H.
1963 2,1 v. H. 1969 7,6 v. H.
Nach diesem Zahlenbild sei der von ihr zugrunde gelegte Rückstellungssatz von 5 v. H. des Umsatzes nicht überhöht. Der Gesamtumsatz der Jahre 1960 bis 1969 sei zu 3,6 v. H. mit späteren Garantieleistungen belastet gewesen. Die Grundsätze vorsichtiger Bilanzierung verlangten eine Erhöhung dieses Durchschnittsatzes. Hierbei müßten auch die zu erwartenden Kostensteigerungen für künftige Garantieleistungen berücksichtigt werden. Die so für jedes Leistungsjahr ermittelte Rückstellung könne nicht mit dem tatsächlichen Garantieaufwand verrechnet werden. In diesem Fall wären die Garantierückstellungen vielfach bereits vor Ablauf der Garantiefrist verbraucht, so daß für Garantieleistungen in den folgenden Jahren keine Rückstellungen mehr vorhanden seien. Das werde durch die von der Klägerin gewählte ratenweise Auflösung der Rückstellungen vermieden.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Die Klägerin mußte für die von ihr übernommenen Garantieverpflichtungen in ihrer Handels- und Steuerbilanz nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung Rückstellungen bilden (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. Dezember 1972 I R 7-8/70, BFHE 107, 521, BStBl II 1973, 217). Dies hatte nach Ausführung der garantiebelasteten Umsätze zu geschehen, weil damit der Tatbestand für die spätere Garantieleistung im wesentlichen erfüllt war (BFH-Urteil vom 20. März 1980 IV R 89/79, BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297). Die erforderlichen Rückstellungen konnten, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, in der Weise gebildet werden, daß für bereits erkennbar drohende Garantieleistungen größeren Umfangs aus bestimmten Aufträgen Einzelrückstellungen, für weitere erfahrungsgemäß zu erbringende Leistungen aber pauschale Rückstellungen gebildet wurden (BFH-Urteil vom 1. April 1958 I 60/57 U, BFHE 67, 47, BStBl III 1958, 291).
2. Für die Höhe der in der Revisionsinstanz allein noch streitigen Pauschalrückstellungen sind in erster Linie die Erfahrungen der Vergangenheit maßgebend (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1960 I 198/60 U, BFHE 71, 659, BStBl III 1960, 495). Danach ist zu schätzen, in welchem Umfang die ausgeführten Umsätze mit Kosten für Garantieleistungen belastet sein werden. Die Beurteilung durch den Steuerpflichtigen ist nur maßgebend, wenn sie diesen Erfahrungen entspricht (BFHE 71, 659, BStBl III 1960, 495).
Im Streitfall war zu beachten, daß die Klägerin eine zehnjährige Garantieverpflichtung übernommen hatte und daß sich erst nach Ablauf dieses Zeitraums zeigte, in welchem Umfang die Umsätze eines Jahres mit Garantieleistungen belastet waren. Die Klägerin hat ihre Garantieleistungen nach den Jahren des zugrunde liegenden Umsatzes aufgegliedert und dadurch eine geeignete Schätzungsgrundlage geschaffen. Sie konnte danach Pauschalrückstellungen für die noch mit Garantieverpflichtungen behafteten Umsätze jedes zurückliegenden Wirtschaftsjahres bilden und in der Abschlußbilanz zu einer einheitlichen Pauschalrückstellung zusammenführen. Darin liegt eine vertretbare Methode für die möglichst zuverlässige Schätzung von Risiken aus langfristigen Garantiezusagen.
Nach den Unterlagen der Klägerin hat das FG für die Bildung der Rückstellungen im Jahr der Bauleistung einen Betrag in Höhe von 3 v. H. des Jahresumsatzes für angemessen und ausreichend gehalten; diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Schätzung ist aus rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden.
Das FG hat bei seiner Schätzung zutreffend berücksichtigt, daß für die Umsätze der Jahre 1960 bis 1965 innerhalb der Garantiefrist insgesamt Leistungen in Höhe von 2,65 v. H. der addierten Jahresumsätze angefallen sind. Zu Unrecht macht die Klägerin demgegenüber geltend, die während der Garantiezeit erbrachten Leistungen hätten für den Zeitraum 1958 bis 1969 zwischen 1,3 v. H. und 7,6 v. H. des garantiebelasteten Jahresumsatzes ausgemacht, so daß bei der gebotenen vorsichtigen Bilanzierung die von ihr gebildete Pauschalrückstellung in Höhe von 5 v. H. des Jahresumsatzes zu billigen sei. Der Umfang der Garantieleistungen unterliegt Zufallsschwankungen, wie die Unterlagen der Klägerin zeigen; dementsprechend sind auch die Umsatzleistungen der einzelnen Jahre in unterschiedlicher Höhe mit Garantieleistungen belastet. Die Garantierückstellung in der Jahresbilanz muß jedoch die noch zu erwartende Belastung aus sämtlichen Umsätzen der letzten 10 Jahre zutreffend wiedergeben. Dem wird am ehesten eine Schätzung gerecht, die die Umsätze und die Garantieleistungen im Garantiezeitraum für eine Reihe von Jahren zusammenfaßt und daraus einen Durchschnitt bildet (BFH-Urteil vom 5. Februar 1953 IV 135/52, Steuerrechtsprechung in Karteiform -- StRK --, Einkommensteuergesetz, § 6 Abs. 1 Nr. 2, Rechtsspruch 17; Eifler, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Rückstellungen, S. 156f.). Sonderbelastungen aus einzelnen Aufträgen kann dabei durch die Bildung von Einzelrückstellungen Rechnung getragen werden; diese Umsätze werden bei der Bildung der Pauschalrückstellung nicht berücksichtigt.
Deshalb ist im Streitfall auch nicht ausschlaggebend, daß sich nach der Berechnung der Klägerin für den Umsatz der Jahre 1960 bis 1969 insgesamt eine Garantiebelastung von 3,6 v. H. ergibt. Dieses Ergebnis ist maßgeblich von einem Großschaden beeinflußt, für den eine Einzelrückstellung zu bilden wäre. Bei der Berechnung von Pauschalrückstellungen sind solche gesondert berücksichtigten Schäden auszuscheiden (vgl. BFH-Urteile vom 6. August 1962 I 40/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1962, 337; vom 31. August 1965 I 10/63, HFR 1966, 20, betr. Einzel- und Pauschalwertberichtigungen auf Forderungen). Die Klägerin kann sich für ihre abweichende Auffassung auch nicht auf die BFH-Entscheidung vom 20. November 1962 I 242/61 U (BFHE 76, 307, BStBl III 1963, 113) berufen; dieses Urteil betrifft einen Einzelfall bei einer vom Streitfall abweichenden Gestaltung und ist nicht verallgemeinerungsfähig.
3. Der Rückstellungsbetrag kann nicht im Hinblick auf zu erwartende Kostensteigerungen für die Leistungen im Garantiezeitraum erhöht werden. Nach der Rechtsprechung sind für die Bemessung von Rückstellungen die Preisverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend (BFH-Urteile vom 14. Mai 1974 VIII R 95/72, BFHE 112, 546, BStBl II 1974, 572; vom 19. Februar 1975 I R 28/73, BFHE 115, 218, BStBl II 1975, 480; vom 26. September 1975 III R 15/74, BFHE 117, 257, BStBl II 1976, 110, m. w. N.). Aus gleichartigen Erwägungen werden auch bei der Passivierung wertgesicherter Geldschulden erwartete Mehrleistungen aufgrund von Preissteigerungen nicht berücksichtigt (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 19. Aufl., § 6 EStG Anm. 1161 f., 1178, mit Rechtsprechungsnachweisen). Im Streitfall ist Kostensteigerungen in gewissem Umfang zudem dadurch Rechnung getragen worden, daß die Umsätze des Leistungsjahres den erhöhten Kosten der Garantieleistungen in den Folgejahren gegenübergestellt wurden und daraus die durchschnittliche Garantiebelastung und der maßgebliche Rückstellungssatz berechnet wurden; er wäre bei gleichbleibenden Preisverhältnissen niedriger ausgefallen.
4. Der Senat kann jedoch nicht der Ansicht des FG beipflichten, daß eine einmal gebildete Pauschalrückstellung in späteren Jahren beizubehalten und lediglich um die Kosten der erbrachten Garantieleistungen zu verringern ist.
Ein solches Vorgehen würde gegen den Grundsatz der Stichtagsbewertung verstoßen. Nach dem von der Klägerin gewählten Verfahren der Rückstellungsbildung für die einzelnen Leistungsjahre muß geschätzt werden, welche Leistungen für die noch in der Garantiefrist liegenden Jahre künftig anfallen werden. In dieser Höhe müssen Rückstellungen gebildet werden. Das Vorgehen des FG ist damit nicht vereinbar. Es würde angesichts der stark schwankenden Garantie leistungen vielfach zur Folge haben, daß die Rückstellungen nach Verrechnung mit den Kosten der erbrachten Garantieleistungen vor Ablauf der Garantiefrist verbraucht sind und die Belastung aus künftigen Garantieleistungen nicht mehr berücksichtigt wird. Andererseits würde für Jahre mit später nur geringer Garantiebelastung eine zu hohe Rückstellung fortgeführt und erst bei Ablauf der Garantiezeit aufgelöst.
Die Höhe der Rückstellungen für die garantiebelasteten Umsätze nimmt im Laufe des Garantiezeitraums ab; sie hängt von der Verteilung der Garantieleistungen über die Garantiezeit ab. Entsprechend dieser Verteilung mindert sich der Ausgangssatz von 3 v. H. in den Folgejahren. Mit diesen verringerten Sätzen sind die Rückstellungen für jedes noch in der Garantiezeit liegende Leistungsjahr am jeweiligen Bilanzstichtag neu zu berechnen. Hierin liegt auch eine rechnungsmäßige Vereinfachung, weil die tatsächlichen Kosten der Garantieleistungen nunmehr ohne weiteres als Aufwand verbucht werden können. Demgegenüber wäre es bei der vom FG gewählten Berechnungsweise erforderlich, daß die Klägerin die Aufwendungen jeweils den zurückliegenden Umsatzjahren zuordnet, die Rückstellungen entsprechend vermindert und erst nach ihrer Aufzehrung die weiteren Aufwendungen als Aufwand verbucht.
Wie sich die Garantieleistungen über die Garantiezeit verteilen, ist zwischen den Beteiligten streitig. Das FG wird dazu noch Feststellungen treffen müssen. Ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine bestimmte Verteilung der Aufwendungen, kann eine gleichmäßige Auflösung der Rückstellung über die Garantiezeit in Frage kommen.
5. Das FG hat auch nicht berücksichtigt, daß die Klägerin bereits in den Vorjahren überhöhte Garantierückstellungen gebildet hatte, das FA aber den gesamten Bewertungsunterschied im Jahre 1971 gewinnerhöhend berücksichtigt hat. Nach den Grundsätzen des Bilanzzusammenhangs hätte der Bewertungsfehler bis zu seinem Ursprung zurückverfolgt und jeder dazwischenliegende Bilanzansatz richtiggestellt werden müssen; soweit eine solche Berichtigung aus Rechtsgründen nicht möglich war, hätte der überhöhte Rückstellungsbetrag in der ersten noch offenen Bilanz gewinnerhöhend aufgelöst werden müssen (BFH-Urteile vom 9. September 1980 VIII R 64/79, BFHE 131, 482, BStBl II 1981, 125; vom 13. Januar 1977 IV R 9/73, BFHE 121, 355, BStBl II 1977, 472). Daß dies im Jahre 1971 zu geschehen hatte, steht nicht fest.
Fundstellen
Haufe-Index 74488 |
BStBl II 1983, 104 |
BFHE 1982, 25 |