Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung des § 21 UmwStG im Fall einer Kapitalerhöhung - Sinn und Zweck der §§ 20, 21 UmwStG
Leitsatz (amtlich)
Gehen bei einer Kapitalerhöhung stille Reserven von einer Sacheinlage (§ 20 Abs.1 UmwStG) unentgeltlich auch auf Altanteile und auf junge Anteile einer nahestehenden Person über, so tritt zwar keine Gewinnrealisation ein; diese Anteile werden aber insoweit ebenfalls von der Steuerverhaftung des § 21 UmwStG erfaßt.
Orientierungssatz
1. Sinn und Zweck der §§ 20, 21 UmwStG ist es, im Interesse der Umstrukturierung von Unternehmen ein Wahlrecht hinsichtlich des Zeitpunkts der Aufdeckung stiller Reserven zuzulassen, deren Besteuerung aber durch ihre Übertragung auf die Anteile an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft zu sichern, die der Einbringende bei der Sacheinlage erhält. Deshalb kann § 20 Abs. 1 UmwStG grundsätzlich nur dann eingreifen, wenn die bei der Einbringung nicht realisierten stillen Reserven des eingebrachten Betriebs usw. vollständig auf die anläßlich der Einbringung gewährten Anteile des Einbringenden oder dritter Personen übertragen werden oder zumindest in anderer Weise steuerverstrickt bleiben.
2. Unter einer Veräußerung i.S. des § 21 Abs. 1 UmwStG ist die entgeltliche Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft auf einen anderen Rechtsträger zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 27.7.1988 I R 147/83; Literatur).
Normenkette
UmwStG 1977 §§ 20, 21 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), die miteinander verheiratet waren, gründeten mit Vertrag vom 21.Dezember 1979 die W-GmbH mit einem Stammkapital von 50 000 DM gegen Bareinlage. Davon übernahmen der Kläger und die Klägerin jeweils die Hälfte als Stammeinlage. Mit Gesellschafterbeschluß vom 27.Juni 1980 erhöhten sie das Stammkapital um 1 450 000 DM. Von den neuen Anteilen übernahm der Kläger einen Nennbetrag von 1 225 000 DM und legte dafür seine Einzelfirma zu Buchwerten in die GmbH ein. Den weiteren Anteil aus der Kapitalerhöhung in Höhe von 225 000 DM übernahm die Klägerin und legte dafür eine Darlehensforderung in gleicher Höhe ein, die ihr gegenüber der Einzelfirma des Klägers zustand.
Durch einen weiteren Gesellschafterbeschluß vom selben Tag wurde das Kapital der W-GmbH nochmals um nominal 439 000 DM erhöht. Diese Anteile wurden an insgesamt 13 neue Gesellschafter zum Ausgabekurs von 250 % veräußert.
Aufgrund einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) unter Bezugnahme auf Tz.66 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 16.Juni 1978 (BStBl II 1978, 235) die Auffassung, bei der erstgenannten Kapitalerhöhung seien stille Reserven von durch Sacheinlage i.S. des § 20 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG) erworbenen Gesellschaftsanteilen des Klägers (Einbringung der Einzelfirma in die W-GmbH) auf die bisherigen Anteile des Klägers und der Klägerin und die jungen Anteile der Klägerin übergegangen. Insoweit sei vom Kläger ein Veräußerungsgewinn nach § 21 UmwStG in Höhe von 289 640 DM zu versteuern. Am 16.Mai 1984 erließ das FA einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid. Der Einspruch blieb dem Grunde nach ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Einkommensteuer wegen geänderter Berechnung des Veräußerungsgewinns herab. Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 21 UmwStG.
Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Entscheidung des FG erweist sich im Ergebnis als zutreffend.
1. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob tatsächlich bei der Einbringung des Einzelunternehmens in der vom FA ermittelten Höhe und Aufteilung stille Reserven auf die bisherige Stammeinlage des Klägers und auf die Geschäftsanteile der Klägerin übergingen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, denn in jedem Fall fehlte es für die vom FA durchgeführte Besteuerung der stillen Reserven an einer Rechtsgrundlage.
§ 21 Abs.1 UmwStG, den das FA als Rechtsgrundlage heranzog, ist mangels Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft nicht anwendbar. Ebensowenig sind die Voraussetzungen eines Ersatztatbestandes des § 21 Abs.2 UmwStG erfüllt, wonach die Rechtsfolgen des Abs.1 der Vorschrift ohne Veräußerung eintreten können.
§ 21 Abs.1 UmwStG führt nur dann zu einer Besteuerung, wenn Anteile an einer Kapitalgesellschaft veräußert werden. Unter einer Veräußerung in diesem Sinne ist die entgeltliche Übertragung solcher Gesellschaftsanteile auf einen anderen Rechtsträger zu verstehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.Juli 1988 I R 147/83, BFHE 155, 52, BStBl II 1989, 271; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Rz.7377; Glade/Steinfeld, Umwandlungs-Steuergesetz, Kommentar, 3.Aufl., Rz.1175 und 1207). Dies folgt aus der Erwähnung des Veräußerungspreises in § 21 Abs.1 Satz 1 UmwStG und der dort ferner getroffenen Regelung, wonach bei unentgeltlichem Erwerb der Anteile der Rechtsnachfolger in den Status des Rechtsvorgängers eintritt.
Soweit im Streitfall stille Reserven vom Einzelunternehmen des Klägers auf dessen bisherigen Geschäftsanteil übergingen, fehlt es an einer Übertragung auf einen anderen Rechtsträger. Soweit sich stille Reserven auf den bisherigen und den neuen Geschäftsanteil der Klägerin übertrugen, mangelt es an einer entgeltlichen Übertragung. Nach den Feststellungen des FG war die Klägerin nicht verpflichtet, dem Kläger für eine Übertragung stiller Reserven seines Einzelunternehmens ein Entgelt zu zahlen. Überdies wurden in allen Fällen keine "Anteile an einer Kapitalgesellschaft" übertragen, zumal die streitgegenständlichen stillen Reserven von einem Einzelunternehmen und nicht --wie das FG angenommen hat-- von einbringungsgeborenen Anteilen i.S. des § 21 UmwStG auf die Geschäftsanteile der Kläger übergingen.
2. Der vom FA geltend gemachten analogen Anwendung des § 21 Abs.1 UmwStG bedarf es im Streitfall nicht. Die stillen Reserven des Einzelunternehmens des Klägers bleiben weiterhin --nach § 21 UmwStG-- steuerverhaftet --und zwar auch, soweit sie nicht auf den (jungen) Geschäftsanteil übergingen, den der Kläger bei der Kapitalerhöhung übernahm.
a) Die vorgenannte Steuerverhaftung erfaßt zum einen den jungen GmbH-Anteil der Klägerin, soweit auf ihn stille Reserven des nach § 20 Abs.2 UmwStG unter dem Teilwert eingebrachten Einzelunternehmens übergingen, denn der Kläger brachte sein Einzelunternehmen für Rechnung der Klägerin, seiner Ehefrau, ein (vgl. BFH-Urteil vom 23.Juni 1981 VIII R 138/80, BFHE 135, 551, BStBl II 1982, 622). Der junge GmbH-Anteil der Klägerin erweist sich sonach in gleicher Weise steuerverstrickt, als hätte sie einen Anteil am Unternehmen des Klägers in die GmbH eingebracht.
Als an der Kapitalerhöhung notwendig beteiligter Gesellschafter der W-GmbH kannte der Kläger die beschlossenen Beteiligungsverhältnisse und als (vormaliger) Inhaber des eingebrachten Einzelunternehmens dessen Wert. Es war ihm daher bewußt und von ihm gewollt, daß stille Reserven nicht nur auf den von ihm übernommenen neuen Geschäftsanteil übersprangen; zumindest nahm er dies billigend in Kauf. Als zur Hälfte beteiligter Gesellschafter hätte er anderenfalls den Erhöhungsbeschluß verhindert, der einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen bedurfte (§ 53 Abs.2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) - oder sein Unternehmen nicht eingebracht.
Diese Interpretation des Willens des Klägers liegt auch in seinem erkennbaren Interesse, da ansonsten --mangels Anwendbarkeit des § 20 Abs.1 UmwStG-- die Einbringung seines Einzelunternehmens zu einem Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs.1 Nr.1 EStG in voller Höhe führen müßte (vgl. auch BFH-Urteil vom 30.April 1975 I R 41/73, BFHE 116, 118, BStBl II 1975, 706), und entspricht deshalb der Sicht eines objektiven Empfängers der Willenserklärung (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches). § 20 UmwStG verlangt nämlich nicht nur, daß ein Betrieb usw. in eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft eingebracht wird, sondern auch, daß der Einbringende dafür neue Anteile an der Gesellschaft erhält. Sinn und Zweck der §§ 20, 21 UmwStG ist es, im Interesse der Umstrukturierung von Unternehmen ein Wahlrecht hinsichtlich des Zeitpunkts der Aufdeckung stiller Reserven zuzulassen, deren Besteuerung (in voller Höhe) aber durch ihre Übertragung auf die Anteile an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft zu sichern, die der Einbringende bei der Sacheinlage erhält (vgl. Begründung zu § 17 UmwStG 1969, BTDrucks V/3186, S.14). Deshalb kann § 20 Abs.1 UmwStG grundsätzlich nur dann eingreifen, wenn die bei der Einbringung nicht realisierten stillen Reserven des eingebrachten Betriebs usw. vollständig auf die anläßlich der Einbringung gewährten Anteile des Einbringenden oder dritter Personen übertragen werden oder zumindest in anderer Weise steuerverstrickt bleiben.
b) Die vorstehenden Erwägungen gelten insbesondere, soweit im Streitfall stille Reserven auf die Altanteile der Kläger übergingen. Diese bleiben dementsprechend ebenfalls nach § 21 UmwStG steuerverstrickt; die Kläger haben insoweit ihre Altanteile im Sinne der Vorschrift durch Sacheinlage erworben.
Fundstellen
Haufe-Index 64462 |
BFH/NV 1992, 53 |
BStBl II 1992, 763 |
BFHE 167, 429 |
BFHE 1992, 429 |
BB 1992, 1411 |
BB 1992, 1411-1412 (LT) |
DB 1992, 1707-1708 (LT) |
DStR 1992, 907 (K) |
HFR 1992, 496 (LT) |
StE 1992, 370 (K) |