Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Wenn ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden errichtet wird und nicht dem Eigentümer des Grund und Bodens gehört, so müssen einerseits der Grund und Boden und andererseits das Gebäude besonders bewertet werden.
Der Grund und Boden ist als unbebautes Grundstück zu behandeln.
Normenkette
BewG § 2 Abs. 2, § 50 Abs. 3, § 70/3
Tatbestand
Es handelt sich um die Bewertung des 7.704 qm großen, in X. gelegenen Flurstücks 574/102 (neu 230) auf den 1. Januar 1948. Das Finanzamt nahm auf den 1. Januar 1948 eine Nachfeststellung vor, wobei es den Grund und Boden wegen der von der Pächterin auf dem Lagerplatz errichteten Baulichkeiten als bebautes Grundstück (Geschäftsgrundstück) ansah. Die Beschwerdeführerin (Bfin.) bekämpft diese Bewertung. Die Berufung wurde vom Finanzamt zurückgewiesen. In der Frage, ob das Grundstück als unbebaut oder als bebaut anzusehen sei, kommt das Finanzgericht zu dem Ergebnis, daß die von der Pächterin auf dem Grund und Boden errichteten Gebäude im Hinblick auf § 2 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht dazu führen könnten, das Grundstück als bebautes Grundstück (Geschäftsgrundstück) zu behandeln.
Gegen dieses Urteil richten sich die Rechtsbeschwerden (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts und der Grundstückseigentümerin
Die Rb. des Finanzamtvorstehers wendet sich gegen die Auffassung des Finanzgerichts, daß das Grundstück unbebaut sei.
Entscheidungsgründe
Sie ist unbegründet.
über Art und Umfang der auf dem Lagerplatz von der Pächterin errichteten Bauwerke ist aus den Akten nichts Bestimmtes zu ersehen. Es handelt sich nach Angaben der Bfin. um einige Schuppen. Es kann schon zweifelhaft sein, ob die Errichtung einiger Schuppen geeignet ist, das große Grundstück der Bfin. zu einem bebauten Grundstück zu machen. Die Frage kann indessen auf sich beruhen bleiben. Denn der Auffassung des Finanzgerichts, daß es sich im Streitfall um ein unbebautes Grundstück handele, ist aus anderen Gründen beizutreten. Gemäß § 2 Abs. 2 BewG kommen mehrere Grundstücke als wirtschaftliche Einheit nur insoweit in Betracht, als sie demselben Eigentümer gehören. Im Streitfall handelt es sich bei den fraglichen Bauwerken um auf fremdem Grund und Boden errichtete Gebäude, die nicht mit diesem zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßt und bewertet werden dürfen. Es sind als für die Einheitsbewertung Gebäude einerseits und Grund und Boden andererseits getrennt zu halten. Das Gebäude stellt, für sich allein betrachtet, noch kein (bebautes) Grundstück dar. Jedoch stehen nach § 50 Abs. 3 BewG auf fremdem Grund und Boden errichtete Gebäude einem solchen gleich. Es kann nicht der gesondert zu bewertende Grund und Boden bewertungsrechtlich auch noch als bebautes Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes gelten. Darauf, ob die Verkehrsauffassung den Grund und Boden mit dem darauf von einem anderen als dem Eigentümer errichteten Gebäude zusammen als Einheit eines bebauten Grundstücks ansieht, kommt es gegenüber der ausdrücklichen Regelung im Bewertungsgesetz (ß 2 Abs. 2, § 50 Abs. 3 a. a. O.) nicht an. So hat auch der Reichsfinanzhof in dem Urteil III A 335/29 vom 19. Februar 1931 (Slg. Bd. 28 S. 150) entschieden, daß, wenn Gebäude auf fremdem Grund und Boden errichtet sind und sie nicht dem Eigentümer des Grund und Bodens gehören, einerseits das Gebäude, andererseits der Grund und Boden gesondert bewertet werden müssen, und daß der Grund und Boden als unbebautes Grundstück zu behandeln sei. An diesem Ergebnis ist in dem Urteil III A 131/33 vom 30. November 1933 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1934 S. 166) festgehalten. Dem Finanzamt ist diese Rechtsprechung bekannt. Es hält sie nicht für zutreffend. Es verweist auf das Schrifttum. Die Einstellung des Schrifttums zu der Frage ist nicht einheitlich. Krekeler (Reichsbewertungsgesetz - RBewG -, 5. Aufl. § 50 Abs. 3 Anm. 2) und Ringelmann (Grundsteuergesetz - GrStG -, § 3 Anm. II, 3) stehen auf dem Standpunkt der angeführten Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs. Auch Dziegalowski-Thümen (RBewG, 5. Aufl. § 52 Anm. 4) vertreten grundsätzlich diese Auffassung. Allerdings sind sie der Ansicht, daß die gesonderte Bewertung von Grund und Boden und Gebäude zu einer höheren Grundsteuer führen werde, als wenn es sich um ein vom Eigentümer des Grund und Bodens bebautes Grundstück handeln würde. Diese Unstimmigkeit lasse sich vermeiden, wenn man den Grund und Boden als das, was er tatsächlich sei, nämlich als bebaut, ansprechen, ihn mit dem Gebäude zunächst ohne Beachtung des Eigentumsverhältnisses nach den allgemeinen Regeln bewerten, den gefundenen Wert danach aufteilen und jeden der beiden Anteilwerte als Einheitswert für sich feststellen könnte (vgl. § 46 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz - BewDV- über die Bewertung der mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücke). Gleicher Ansicht im wesentlichen: Uhlich (Deutsche Steuer-Zeitung 1935 S. 1176): Zunächst wird bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden genau wie im Falle des Erbbaurechts das Gebäude mit dem Grund und Boden zu bewerten sein, wie es zu bewerten sein würde, wenn nur ein Eigentümer beteiligt wäre. Der Wert ist auf den Eigentümer des Gebäudes und den Eigentümer des Grund und Bodens zu verteilen. Kühne (GrStG § 3 Anm. 5) ist der Ansicht, daß bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden zwar der Grund und Boden einerseits und das Gebäude andererseits als zwei Steuergegenstände anzusehen seien, daß jedoch gleichwohl für den Grund und Boden die Anwendung derjenigen Steuermeßzahl für die Grundsteuer geboten sei, die anzuwenden wäre, wenn das bebaute Grundstück als Einheit zu behandeln wäre. Der Senat vermag dieser Auffassung über die Zusammenfassung des Grund und Bodens und des darauf stehenden Gebäudes (auf fremdem Grund und Boden) und die Aufteilung des festgestellten Wertes auf den Eigentümer des Grund und Bodens und den Gebäudeeigentümer nicht zu folgen. Die Zusammenfassung ist durch § 2 Abs. 2 BewG ausgeschlossen. Auch die analoge Anwendung der Grundsätze des § 46 BewDV über die Bewertung des Erbbaurechts kommt im Streitfall nicht in Frage. Der Senat verbleibt daher bei der Rechtsauffassung, die in der mitgeteilten Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs vertreten worden ist. Die Rb. des Finanzamtsvorstehers war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Wegen des Tatbestands und der Rechtslage wird auf den Vorbescheid vom 30. Januar 1953 verwiesen. Ferner wird auf das Urteil vom heutigen Tage in der Sache III 95/52 Bezug genommen. Bei nochmaliger Prüfung des Baulandcharakters des Grundstücks werden die Ausführungen der Beschwerdeführerin (Bfin.) in der Rechtsbeschwerde (Rb.) zu berücksichtigen sein. Der Vertreter des Finanzamts hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, daß die Frage, ob bei Errichtung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden letzterer als bebautes oder unbebautes Grundstück zu gelten habe, teilweise anders als im Vorbescheid beurteilt werde. Der Vertreter der Grundstückseigentümerin vertritt ebenfalls die Auffassung, daß es sich insoweit um ein bebautes Grundstück handele. Der Senat hat im Vorbescheid die in Rechtsprechung und Schrifttum zu der Frage vertretenen Auffassungen einander gegenübergestellt und im Hinblick auf die besonderen Bestimmungen der §§ 2 Abs. 2, 50 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) die zusammenfassende Bewertung von Grund und Boden und darauf errichtetem Gebäude und die Aufteilung des ermittelten Wertes auf Grund und Boden und Gebäude abgelehnt und den Grund und Boden als unbebautes Grundstück angesprochen. An dieser Auffassung muß festgehalten werden. Der Umstand, daß ein Grundstück, auf dem ein Bauwerk errichtet worden ist, in jedem Falle rein tatsächlich ein bebautes Grundstück darstellt, ist gegenüber der ausdrücklichen Regelung im Bewertungsgesetz für die Fälle der Errichtung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden nicht entscheidend. Ebensowenig kann das Interesse an der Anwendung der Grundsteuermeßzahl für bebaute Grundstücke beim Grund und Boden eine andere Entscheidung rechtfertigen. Der Vertreter der Grundstückseigentümerin hat noch auf § 2 Abs. 3 BewG hingewiesen, wonach § 2 Abs. 2 a. a. O. nicht gelte, soweit eine Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter vorgeschrieben sei. § 2 Abs. 1 a. a. O. stellt den Grundsatz auf, daß die Bewertung nach wirtschaftlichen Einheiten und im ganzen vorzunehmen ist.
§ 2 Abs. 2 a. a. O. bestimmt, daß von mehreren Wirtschaftsgütern nur die eine wirtschaftliche Einheit bilden, die demselben Eigentümer oder denselben Eigentümern gehören. Nach § 2 Abs. 3 a. a. O. gelten die Absätze 1 und 2 nicht, soweit eine Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter vorgeschrieben ist. Hier wird also eine Ausnahme von den Grundsätzen, daß die Bewertung nach wirtschaftlichen Einheiten und im ganzen vorzunehmen ist, für den Fall vorgesehen, daß eine Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter im Bewertungsgesetz vorgeschrieben ist. Dies trifft insbesondere bei denjenigen zum Betriebsvermögen gehörigen Wirtschaftsgütern zu, die ohne Rücksicht auf ihre Zugehörigkeit zu einem gewerblichen Betrieb besonders zu bewerten sind, wie Betriebsgrundstücke, Wertpapiere, Anteile und Genußscheine an Kapitalgesellschaften (ß 66 BewG). Für die hier interessierende Streitfrage, ob der Grund und Boden, auf dem ein anderer als der Eigentümer ein Bauwerk errichtet hat, als bebaut oder unbebaut anzusehen ist, ist jedoch aus § 2 Abs. 3 a. a. O. nichts zu entnehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 407667 |
BStBl III 1953, 195 |
BFHE 1954, 509 |
BFHE 57, 507 |