Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübernahme im Wege vorweggenommener Erbfolge; Schuldzinsenabzug für übernommene, privat veranlaßte Verbindlichkeiten
Leitsatz (amtlich)
Geht ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge über, so sind die auf übernommene, privat veranlaßte Verbindlichkeiten des Übergebers gezahlten Schuldzinsen als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn der Übernehmer die Verbindlichkeiten übernehmen mußte, um überhaupt Einkünfte erzielen zu können (Anschluß an den Beschluß des Großen Senats vom 5.Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 13 Abs. 1, § 4 Abs. 1
Tatbestand
Die Adoptivgroßmutter des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) hatte im Jahre 1953 ihren landwirtschaftlichen Betrieb an ihre Adoptivtochter und deren Ehemann, die Eltern des Klägers, verpachtet. Das Pachtverhältnis wurde zum 30.Juni 1977 aufgelöst. Während der Pachtzeit hatten die Eltern des Klägers in erheblichem Maße Kredite aufgenommen. Die Verschuldung belief sich Ende Juni 1977 auf insgesamt 773 429,69 DM. Davon waren durch Grundbucheintragungen 271 000 DM gesichert. Außerdem hatte die Adoptivgroßmutter des Klägers Bürgschaftserklärungen gegenüber einer Sparkasse von 285 000 DM abgegeben. Ende 1977 übertrug die Adoptivgroßmutter die Hofstelle nebst Ländereien (168,7 ha) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den Kläger. Dieser verpflichtete sich u.a. zur Übernahme aller auf dem Hof lastenden Verbindlichkeiten, soweit die Adoptivgroßmutter für sie haftete, im übrigen gegenüber seinen Eltern nur zur "Mithaft, soweit er sie an dem Hof tilgen" könne, nicht jedoch zur Schuldübernahme gegenüber den Gläubigern.
Der Kläger ermittelte den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft für die Wirtschaftsjahre 1980/81 und 1981/82 nach § 4 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dabei setzte er die für die übernommenen Schulden angefallenen und gezahlten Zinsen in Höhe von 23 229 DM (Wirtschaftsjahr 1980/81) und 30 339 DM (Wirtschaftsjahr 1981/82) als Betriebsausgaben ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) ließ die Schuldzinsen nicht zum Abzug zu und setzte die Einkommensteuer 1981 entsprechend höher fest. Den Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u.a. aus, die Übernahme sämtlicher Schulden sei Bedingung für die Übernahme des Hofes gewesen, daher seien die gezahlten Schuldzinsen als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu berücksichtigen.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des Einkommensteuerrechts.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie führen aus: Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb sei unentgeltlich übertragen worden. Der Rechtsnachfolger sei an die Werte des bisherigen Betriebsinhabers gebunden. Deshalb seien auch die Schuldverpflichtungen des Vaters des Klägers zu bilanzieren. Sie seien beim Betriebsvorgänger durch Investitionen, Kosten oder dergleichen verursacht worden. Die Zinsen seien daher in vollem Umfang Betriebsausgaben.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Das FG ging ohne Rechtsfehler davon aus, daß der Kläger den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Rahmen einer Schenkung unter Auflage von seiner Adoptivgroßmutter erhalten habe und es sich insoweit um einen Vorgang in der Privatsphäre handle. Es entschied gleichwohl zutreffend, daß die gezahlten Zinsen als Betriebsausgaben abzugsfähig seien.
Über die steuerlichen Folgen einer vorweggenommenen Erbfolge hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Beschluß vom 5.Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) befunden. Diesen Beschluß legt der erkennende Senat seiner Entscheidung im Streitfall zugrunde.
Danach bilden Gleichstellungsgelder, Abstandszahlungen und die Übernahme von Verbindlichkeiten für den Vermögensübergeber grundsätzlich Veräußerungsentgelte und für den Vermögensübernehmer grundsätzlich Anschaffungskosten. Etwas anderes gilt jedoch, wenn, wie vorliegend, ein Betrieb Gegenstand der vorweggenommenen Erbfolge ist; in diesem Fall ist im Hinblick auf § 7 Abs.1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) im Übergang der betrieblichen Verbindlichkeiten kein Entgelt zu sehen, das beim Vermögensübernehmer zu Anschaffungskosten führt (vgl. Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, 854). Der zivilrechtlichen Streitfrage, ob die vorweggenommene Erbfolge bei Erbringung von Leistungen durch den Übernehmer als Schenkung unter einer Auflage oder als gemischte Schenkung anzusehen ist, hat der Große Senat keine Bedeutung beigelegt.
Hieraus folgt für den Streitfall, daß die im landwirtschaftlichen Betrieb der Adoptivgroßmutter des Klägers begründeten Verbindlichkeiten nicht zum Veräußerungsentgelt und nicht zu den Anschaffungskosten des Klägers gehörten; ihr Zusammenhang mit dem übergegangenen Betrieb blieb jedoch erhalten. Die Zinsaufwendungen bildeten weiterhin Betriebsausgaben.
Anders verhält es sich mit außerbetrieblichen Verbindlichkeiten des Übergebers, die der Nachfolger im Hinblick auf die Betriebsübertragung übernommen hat. Insoweit bewendet es bei dem Grundsatz, daß übernommene Verbindlichkeiten zu Veräußerungsentgelt und Anschaffungskosten führen. Im Streitfall haben die Kläger derartige Verbindlichkeiten der Übergeberin auf sich genommen, die nach Feststellung des FG auf Aufwendungen für die Lebensführung der Eltern des Klägers zurückgingen, also privater Natur waren; sie gehörten gleichwohl zum Veräußerungs- und Übernahmeentgelt (vgl. BFH-Urteil vom 12.Januar 1983 IV R 180/80, BFHE 137, 481, BStBl II 1983, 595).
Nach den im Streitfall gegebenen Umständen muß angenommen werden, daß der Kläger die bezeichneten Verbindlichkeiten endgültig tragen sollte. Zwar hatte die Übergeberin für sie nur die dingliche und persönliche Haftung übernommen, ohne selbst Schuldnerin zu sein. Da die Eltern des Klägers aber nicht über hinreichendes Vermögen verfügten, mußte die Übergeberin mit ihrer Inanspruchnahme rechnen; hiervon wollte der Kläger sie freistellen. Dies steht einer Übernahme der Verbindlichkeiten mit befreiender Wirkung gleich (vgl. BFH-Urteil vom 10.November 1988 IV R 70/86, BFH/NV 1990, 31).
In welchem Umfang nach den Grundsätzen der BFH-Entscheidung vom 10.Juli 1986 IV R 12/81 (BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811) hierdurch im Streitfall eigene Anschaffungskosten des Klägers entstanden sind, wie sich diese Anschaffungskosten auf den Ansatz des übernommenen Betriebsvermögens auswirken und wie danach ein Veräußerungsgewinn der Übergeberin zu bestimmen wäre, braucht nicht erörtert zu werden. Denn in jedem Falle handelte es für den Kläger um Verbindlichkeiten seines Betriebs, so daß die Zinszahlungen Betriebsausgaben bildeten.
Fundstellen
Haufe-Index 63421 |
BFH/NV 1991, 34 |
BStBl II 1991, 450 |
BFHE 163, 334 |
BFHE 1991, 334 |
BB 1991, 876 |
BB 1991, 876 (LT) |
DB 1991, 1051-1052 (LT) |
DStR 1991, 542 (KT) |
HFR 1992, 116 (LT) |
StE 1991, 158 (K) |