Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemischte Schenkung - Auflagenschenkung; Anwendung einer geänderten Rechtsprechung; vorweggenommene Erbfolge
Leitsatz (NV)
1. Unter dem Begriff der vorweggenommenen Erbfolge wird zivilrechtlich die Übertragung des Vermögens (oder eines wesentlichen Teils davon) durch den (künftigen) Erblasser auf einen oder mehrere als (künftige) Erben in Aussicht genommene Empfänger verstanden. Die vorweggenommene Erbfolge richtet sich nicht nach Erbrecht. Das auf die vorweggenommene Erbfolge gerichtete Rechtsgeschäft (unter Lebenden) enthält typischerweise eine Schenkung.
2. Zur Beurteilung der Übernahme der schuldrechtlichen Verbindlichkeiten aus den mit dem zugewendeten Grundstück zusammenhängenden dinglichen Verpflichtungen als (teilweise) Gegenleistung für die Hingabe des Grundstücks.
3. Auflagen sind insoweit wie Gegenleistungen bei der gemischten Schenkung zu behandeln, als sie in Leistungen des Empfängers der Schenkung bestehen, die diesem Aufwendungen im Sinn von Geld- oder Sachleistungen verursachen (BFH-Urteil vom 12.4. 1989 II R 37/87, BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524). Der Anwendung dieser Rechtsprechung steht Gewohnheitsrecht nicht entgegen.
4. Die Anwendung einer geänderten Rechtsprechung auf vor dem Zeitpunkt der Rechtsprechungsänderung verwirklichte Sachverhalte steht der im Rechtsstaatsprinzip verankerte Vertrauensschutz des Bürgers nicht entgegen.
5. Auch wenn das Erbschaftsteuerrecht an die bürgerlich-rechtlichen Gestaltungen anknüpft und dabei dem Zivilrecht entnommene Begriffe verwendet, so schließt dies nicht aus, daß zivilrechtliche Gestaltungen und Begriffe entsprechend den steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhängen interpretiert werden können und müssen. Es gibt keine Vermutung, daß das dem Zivilrecht entlehnte Tatbestandsmerkmal einer Steuerrechtsnorm im Sinne des zivilrechtlichen Verständnisses zu interpretieren sei (BVerfG-Beschluß vom 27.12. 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212).
Normenkette
GG Art. 20; ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 516, 525, 1922
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) schlossen mit ihrer Mutter am ... 1984 einen notariell beurkundeten Vertrag, mit dem diese mit Zustimmung ihres Ehemannes den Klägern - ihren drei Söhnen - je ein Drittel Miteigentumsanteil an einem bebauten Grundstück in A übertrug. Die Kläger übernahmen im wesentlichen unverändert die Rechte und Pflichten aus einem von der Mutter abgeschlossenen Mietvertrag über das Grundstück. In § 6 des Vertrages vom ... 1984 hieß es:
Die Gegenleistung für die Übertragung des vorgenannten Grundbesitzes besteht darin, daß die Erwerber sämtliche mit dem Objekt zusammenhängenden Verbindlichkeiten als eigene übernehmen.
Ein darüber hinausgehendes Entgelt wird für die Übertragung nicht geschuldet.
Demgemäß übernehmen die Erwerber die persönlichen und dinglichen Verpflichtungen des Veräußerers aus den oben genannten in Abt.II und III des Grundbuches eingetragenen Rechten Dritter dergestalt, wie die Verpflichtungen des Veräußerers bisher bestanden.
Die Erwerber halten den Veräußerer insoweit von allen Ansprüchen Dritter im weitesten Sinne frei.
Die Erwerber übernehmen die Verpflichtungen aus den eingetragenen Rechten in Abt.II lfd. Nr. 1, 2 und 3...
Die Erwerber treten hiermit in die Rechte und Pflichten der bestehenden dinglichen und persönlichen Verpflichtungen aus den vorgenannten Grundpfandrechten in Abt.III lfd. Nr. 1 (...), Nr. 2 (...) und Nr. 3 (...) ein.
Die Erwerber übernehmen weiterhin in gleicher Weise die Verpflichtungen aus den in Abt.III lfd. Nr. 4 und 5 eingetragenen Grundschulden von je ... DM zugunsten Frau X (der Mutter der Kläger) mit der Maßgabe, daß es sich nunmehr um Grundschulden von Frau X als Gläubigerin (nicht mehr als Eigentümerin) handelt, welche ... Frau X zur Absicherung ihrer ... Ansprüche zusätzlich dienen sollen.
...
......
Soweit sich der Veräußerer entsprechend den mit den Gläubigern abgeschlossenen Schuldverträgen der sofortigen persönlichen Vollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen hatte, unterwerfen sich die Erwerber hiermit ebenfalls der sofortigen Zwangsvollstreckung in dem genannten Umfang in ihr gesamtes persönliches Vermögen.
Auch insoweit halten die Erwerber den Veräußerer von Ansprüchen Dritter frei.
Nach § 2 des Vertrages erfolgte die Lieferung zwischen den Parteien zum ... 1984. Mit dem Tage der Lieferung sollten die mit dem Objekt verbundenen Rechte und Pflichten vom Veräußerer auf die Erwerber übergehen.
Die Parteien erklärten in der gleichen Urkunde die Auflassung. Die Kosten des Vertrages waren von den Erwerbern (Klägern) zu tragen.
Die übernommenen Verbindlichkeiten valutierten mit 8614885,39 DM. An Notar- und Steuerberatungskosten entstanden für den Vertrag für die Kläger 118923 DM. Eine nach § 6 des Vertrages übernommene Forderung betrug 36766 DM.
Der Verkehrswert des Grundstücks betrug 12954000 DM, der um 40 v.H. erhöhte Einheitswert 8798842 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) beurteilte das Rechtsgeschäft als gemischte Schenkung und setzte durch Bescheide vom 28. Februar 1986 die Schenkungsteuer gegen jeden der drei Kläger auf ... DM fest. Auf die Einsprüche der Kläger ermäßigte das FA die Schenkungsteuer auf jeweils ... DM, weil es den Wert des Grundstücks nunmehr mit dem - niedrigeren - Verkehrswert von 12954000 DM ansetzte. Mit den Klagen vertraten die Kläger die Auffassung, daß der Grundstücksübertragungsvertrag vom ...1984 als Schenkung unter Auflage zu qualifizieren sei, bei der Gegenstand des Erwerbs regelmäßig die geschenkte Sache ohne Berücksichtigung der mit der Schenkung verbundenen Auflage sei. Daher seien die in der neueren schenkungsteuerrechtlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für die gemischte Schenkung entwickelten Grundsätze nicht anzuwenden, wonach Gegenstand des Erwerbs i.S. des § 7 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) nur der die Gegenleistung übersteigende Teil der Schenkung sei. Vielmehr sei der steuerpflichtige Erwerb bei der Auflagenschenkung nach § 10 ErbStG aus dem Saldo von Leistung und Auflage zu ermitteln; für die Bewertung sei jeweils § 12 ErbStG zugrunde zu legen. Danach ergäben sich keine steuerpflichtigen Erwerbe.
Das Finanzgericht (FG) folgte dieser Auffassung und hob die Schenkungsteuerbescheide vom 28. Februar 1986 sowie die Einspruchsentscheidungen vom 31. Juli 1986 auf.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 und § 12 ErbStG. Es verweist auf das BFH-Urteil vom 12. April 1989 II R 37/87 (BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524), wonach Auflagen insoweit wie Gegenleistungen bei gemischten Schenkungen zu behandeln seien, als sie in Leistungen des Empfängers der Schenkung bestünden. Nur soweit es sich um Nutzungs- und Duldungsauflagen handele, bleibe es bei der bisherigen Rechtsprechung zur Auflagenschenkung. Solche lägen im Streitfall nicht vor.
Die Kläger wenden sich in erster Linie gegen eine rückwirkende Anwendung des BFH-Urteils in BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision des FA wird die Vorentscheidung aufgehoben. Die Klagen gegen die Schenkungsteuerbescheide vom 28. Februar 1986 i.d.F. der Einspruchsentscheidungen vom 31. Juli 1986 werden abgewiesen.
1. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Die Steuerfestsetzungen des FA haben entgegen der Auffassung des FG Bestand.
a) Der erkennende Senat hat in den Urteilen vom 21. Oktober 1981 II R 176/78 (BFHE 134, 357, BStBl II 1982, 83) und vom 14. Juli 1982 II R 125/79 (BFHE 136, 303, BStBl II 1982, 714) entschieden, daß bei einer Vereinbarung, die neben Elementen freigebiger Zuwendung auch Elemente eines Austauschvertrages enthält, nur der die Gegenleistung übersteigende Wert der (gemischten) freigebigen Zuwendung schenkungsteuerrechtlich relevant ist. Im Urteil in BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524 hat er diese Beurteilung - unter Modifizierung der im Urteil in BFHE 134, 357, BStBl II 1982, 83 gemachten Aussage - auf Auflagenschenkungen ausgedehnt und ausgeführt, daß Auflagen insoweit wie Gegenleistungen bei der gemischten Schenkung zu behandeln sind, als sie in Leistungen des Empfängers der Schenkung bestehen, die diesem Aufwendungen im Sinne von Geld oder Sachleistungen verursachen. Der Gegenstand der Schenkungsteuer entspricht auch in diesen Fällen dem die Gegenleistung übersteigenden Wert der Zuwendungen. Lediglich soweit es sich um Nutzungs- oder Duldungsauflagen handelt, bleibt es bei der Beurteilung der Auflagenschenkung als Vollschenkung mit der Folge, daß die Belastungen (durch die Auflagen) vorbehaltlich des § 25 ErbStG mit den ihnen nach § 12 ErbStG zukommenden Werten vom Steuerwert der Zuwendung abzuziehen sind.
Der vom FG vorgenommene Abzug der Verbindlichkeiten vom (anteiligen) Steuerwert des Grundstücks ist danach auch dann nicht gerechtfertigt, wenn man, dem FG folgend, von einer Auflagenschenkung ausgeht. Die Annahme einer Vollschenkung des (anteiligen) Grundstücks kommt nicht in Betracht. Die von den Klägern übernommenen Verpflichtungen zur Tilgung der persönlichen Schulden ihrer Mutter sind auch keine Nutzungs- oder Duldungsauflagen.
b) Die Sache ist spruchreif. Die Klagen sind abzuweisen. Die Kläger sind durch die Steuerfestsetzungen nicht in ihren Rechten verletzt. Die Tatbestandsvoraussetzungen einer - teilweisen - freigebigen Zuwendung sind erfüllt, denn der anteilige Verkehrswert des Grundstücks übersteigt den anteiligen Wert der von jedem der Kläger übernommenen Verbindlichkeiten. Insoweit sind die Kläger auf Kosten der Mutter bereichert. Dies war der Mutter der Kläger nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen bekannt. Soweit das FA in die Verhältnisrechnung zur Ermittlung des der Schenkungsteuer unterliegenden Teils der Zuwendung die Erwerbskosten in voller Höhe und nicht nur in Höhe des auf den entgeltlich erworbenen Teil des Grundstücks entfallenden Anteils einbezogen hat, hat dies zu einer Begünstigung der Kläger geführt, die im gerichtlichen Verfahren nicht mehr korrigiert werden kann.
2. Die Einwendungen der Kläger haben keinen Erfolg.
a) Die Bedenken der Kläger gegen die Anwendung der im Urteil in BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524 entwickelten Auffassung des Senats zur schenkungsteuerrechtlichen Beurteilung der Auflagenschenkung auf den Streitfall greifen schon deshalb nicht, weil - entgegen der Auffassung des FG und der Kläger - bei einer die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beachtenden Auslegung (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 16. November 1965 V 118/65, BFHE 91, 336, BStBl II 1968, 348) des Vertrages vom 22. Juli 1984 die Übernahme der schuldrechtlichen Verbindlichkeiten aus den mit dem Grundstück zusammenhängenden dinglich gesicherten Verpflichtungen der Mutter der Kläger nicht als Auflage, sondern als (teilweise) Gegenleistung für die Hingabe des Grundstücks zu beurteilen sind. Nach dem Wortlaut der Vereinbarung haben die Hingabe des Grundstücks und die Übernahme der Verbindlichkeiten in einem Austauschverhältnis gestanden, denn als Gegenleistung für die Übertragung des Grundbesitzes war vereinbart, daß die Erwerber sämtliche mit dem Objekt zusammenhängenden Verbindlichkeiten als eigene übernommen haben.
Von diesem Wortlaut ist auch das FG ausgegangen. Es meint aber, daß in der Bezeichnung der Schuldübernahme als Gegenleistung nicht der wahre Wille der Parteien zum Ausdruck komme. Vielmehr ergebe der gesamte Inhalt des Vertrages, und das gemeinschaftliche Testament der Eltern der Kläger vom Tage des Abschlusses des Übereignungsvertrages bestätige das, daß es die Absicht der Vertragspartner gewesen sei, das Grundstück zu gleichen ideellen Anteilen im Wege der sog. vorweggenommenen Erbfolge auf die Kläger zu übertragen. Da die Mutter nach den getroffenen Vereinbarungen das Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge habe schenken sollen und wollen, habe sie die Grundstücksanteile nicht geleistet, um als Gegenleistung die Befreiung von den Verbindlichkeiten zu erhalten. Vielmehr hätten die Kläger - so wie es auch im Erbfall wäre - die Verbindlichkeiten übernehmen sollen, weil sie durch die Schenkung der Grundstücksanteile dazu in die Lage versetzt würden und weil die Mutter sich durch die Schenkung der Nutzungen des Grundstücks begeben habe.
Diese Begründung trägt jedoch den vom FG gezogenen Schluß nicht, daß die als Gegenleistung bezeichnete Übernahme der persönlichen Verbindlichkeiten der Mutter durch die Kläger derart als Auflage i.S. des § 525 BGB gewollt gewesen sei, daß sie nicht als - teilweise - Gegenleistung vereinbart war und somit die gesamte Zuwendung als Schenkung gestaltet worden sei. Dabei ist das FG offenbar von der Überlegung ausgegangen, daß der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG) und die Auflagenschenkung nach § 525 BGB insoweit vergleichbar seien, als entsprechend der Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG im Fall der Auflagenschenkung nach § 525 BGB die gesamte Zuwendung Schenkung ist und daß zwischen den Vertragsparteien eine dem Erbanfall vergleichbare Rechtslage habe geschaffen werden sollen, weil die Grundsücksanteile im Weg der vorweggenommenen Erbfolge übertragen werden sollten. Dem Begriff der vorweggenommenen Erbfolge kommt jedoch kein objektiver Erklärungswert zu, aus dem sich dieser Schluß ableiten ließe.
Unter dem Begriff der vorweggenommenen Erbfolge wird zivilrechtlich die Übertragung des Vermögens (oder eines wesentlichen Teils davon) durch den (künftigen) Erblasser auf einen oder mehrere als (künftige) Erben in Aussicht genommene Empfänger verstanden. Die vorweggenommene Erbfolge richtet sich nicht nach Erbrecht, vielmehr handelt es sich um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, durch das schon zu Lebzeiten des (künftigen) Erblassers Rechte und Pflichten begründet werden (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 30. Januar 1991 IV ZR 299/89, Betriebs-Berater - BB - 1991, 795; Coing, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1967, 1777; Palandt/Edenhofer, BGB, 52. Aufl. Überblick vor § 2274, Rz. 11; Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl. vor § 2274, Rz. 17, 20). Das auf die vorweggenommene Erbfolge gerichtete Rechtsgeschäft enthält typischerweise eine Schenkung (Jauernig/ Stürmer, BGB, 6. Aufl., Vorbemerkung 2d vor § 2274; Ermann/F.Hense/M.Schmidt, Handkommentar zur Bürgerlichen Gesetzbuch, 8. Aufl., vor § 2274, Rz. 4). Entgegen den Ausführungen des FG ergibt sich danach aus der nach Auffassung des FG von den Parteien bzw. von der Mutter gewollten Regelung als vorweggenommene Erbfolge nicht, daß die Übertragung der Grundstücksanteile, vergleichbar dem Erbanfall, als Schenkung unter Auflage von der Mutter der Kläger gewollt und so vereinbart worden sei. Zu Unrecht beruft sich das FG in diesem Zusammenhang auf das BFH-Urteil vom 23. August 1963 VI 81/62 U (BFHE 77, 450, BStBl III 1963, 484). Aus dieser Entscheidung kann nicht entnommen werden, daß im allgemeinen eine Schenkung unter Auflage zu bejahen sei, wenn die Zuwendung als vorweggenommene Regelung der Erbfolge zu beurteilen sei. Andere tatsächliche Feststellungen hat das FG nicht getroffen (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Ein evtl. Wille der Parteien, daß für die getroffene Gestaltung eine bestimmte Rechtsfolge gelten solle, hätte im übrigen keinen Einfluß auf die anhand der tatsächlichen Gestaltung zu treffende rechtliche Einordnung. Die dem Wortlaut der Vereinbarung folgende Würdigung des Vertrages vom 22. Juli 1984 dahin, daß die Kläger die Verbindlichkeiten im Austausch für die Übertragung der Grundstücksanteile übernommen haben, entspricht auch der zivilrechtlichen Auffassung, daß eine dem Empfänger auferlegte mit der Zuwendung verbundene und mit dieser konditional oder kausal in einem Abhängigkeitsverhältnis stehende Verpflichtung als Entgelt zu beurteilen ist (Soergel/Mühl, BGB, 11. Aufl., § 525 Rz. 3). Es war offensichtlich das Ziel der Vereinbarung, daß die Mutter von ihren persönlichen Verpflichtungen bereits mit dem Abschluß des Vertrages befreit werden sollte, denn die Kläger unterwarfen sich in § 6 des Vertrages der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr persönliches Vermögen. Sie hatten die Erfüllung der sich aus den übernommenen Verbindlichkeiten ergebenden Verpflichtungen auch unabhängig vom Ertrag und vom Bestand des Grundstücks und damit aus ihrem jeweiligen Vermögen zu erbringen (vgl. Senatsurteil in BFHE 134, 357, BSTBl II 1982, 83 unter Berufung auf Kollhosser in Münchener Kommentar, 2. Aufl., Tz. 2 zu § 525 BGB). Der Streitfall liegt danach anders als die dem BGH-Urteil vom 7. April 1989 V ZR 252/87 (BGHZ 107, 156) zugrundeliegende bloße Übernahme der auf dem Grundstück vorhandenen dinglichen Belastungen, die nicht als Gegenleistung zu beurteilen war, weil, wie der BGH ausführt (siehe auch Kollhosser, a.a.O., 2. Aufl., § 525, Tz. 5), der Beschenkte nicht mehr geleistet hat, als sich ohnehin schon zu seinen Lasten aus dem Gesetz ergibt. Dem Urteil des Reichsgerichtshof (RG) in RGZ 60, 230 ist nichts anderes zu entnehmen, denn das RG hat der persönlichen Befreiung der Schuldnerin von den eingetragenen Schulden unter den besonderen Umständen des Falles eine so außerordentlich geringe Bedeutung zugemessen, daß nicht anzunehmen war, daß die Parteien auch nur zu einem Teil ein entgeltliches Rechtsgeschäft gewollt hätten. Für eine entsprechende Annahme im Streitfall gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von den Klägern zitierten Urteil des Senats vom 17. September 1975 II R 42/70 (BFHE 117, 280, BStBl II 1976, 126). Zum einen war die Abgrenzung zwischen gemischter Schenkung und Auflagenschenkung für die Frage der Gegenleistung i.S. des § 10 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) ohne Bedeutung, denn durch § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG soll, wie in der Entscheidung ausgeführt wird, eine gleiche Behandlung der gemischten Schenkungen und der Schenkungen unter Auflage erreicht werden. Der grunderwerbsteuerrechtliche Begriff der Gegenleistung erfaßt, anders als im bürgerlichen Recht, auch die einer Schenkung beigefügte Auflage. Zum anderen hat der Senat mit dem von den Klägern zitierten Satz auf S. 128, a.a.O., weder eine entscheidungserhebliche Aussage getroffen, noch eine feste Rechtsansicht dahin geäußert, daß die bloße Übernahme der den Grundstückslasten entsprechenden Schulden meist als Auflage verstanden würde. Der Senat hat - was durch die Verwendung des Wortes mag verdeutlicht wird - lediglich angedeutet, daß eine solche Beurteilung denkbar sein könnte.
b) Der Senat teilt im übrigen nicht die Auffassung der Kläger, daß es sich bei der steuerrechtlichen Beurteilung von Auflagenschenkungen als Vollschenkung bis zur Entscheidung des Senats in BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524 um Gewohnheitsrecht gehandelt habe, das durch die Rechtsprechung zumindest mit rückwirkender Kraft nicht geändert werden könne. Es ist - auch nach den Ausführungen der Kläger - nicht erkennbar, daß sich entsprechend der in der erbschaftsteuerrechtlichen Literatur vertretenen Auffassung eine allgemeine Rechtsüberzeugung aller beteiligten Kreise ausgebildet hatte, die nicht nur in der Erwartung bestand, daß steuerrechtlich so verfahren werde, sondern darüber hinaus, daß es sich dabei unzweifelhaft um ein rechtliches Gebot handele (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl., S. 341f., S. 412f.; vgl. auch Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 25. November 1965 IX RV 370/63, BSGE 24, 118, das fordert, daß in der langdauernden Übung ein Rechtsgestaltungswille der Gemeinschaft zum Ausdruck komme). Wenn die Kläger ausführen, daß in der Zeit vor den zitierten Urteilen des BFH keine veröffentlichte höchstrichterliche Rechtsprechung, weder des Reichsfinanzhofs noch des BFH, vorliege, aus der sich ergebe, daß jemals streitig gewesen sei, daß es sich schenkungsteuerrechtlich bei einer Auflage nicht um eine Gegenleistung handele, so ergibt sich aus diesem Befund möglicherweise, daß diese Beurteilung einer allgemeinen Rechtsauffassung entsprochen hat, aber gerade nichts dafür, daß es sich dabei um Recht im Sinn eines verbindlichen Rechtssatzes gehandelt habe. Selbst einer ausdrücklichen Anerkennung einer solchen Rechtsauffassung durch eine gefestigte Rechtsprechung des BFH käme der Charakter von Gewohnheitsrecht nicht zu (BFH-Urteil vom 29. Januar 1965 VI 90/63 U, BFHE 82, 8, BStBl III 1965, 251; BSG-Urteil in BSGE 24, 118, 120).
Die Sache liegt hier anders als in dem von den Klägern angezogenen Urteil des BGH (BGHZ 18, 81, 92), denn dort konnte festgestellt werden, daß ein bestimmter Rechtssatz zu den unbezweifelten und allgemein anerkannten und angewendeten Rechtssätzen des Patentrechts gehörte, weil er in ständiger Übung vom Patentamt und den Gerichten zur Geltung gebracht worden war.
Die vom BGH (a.a.O.) verneinte Rechtsfrage, ob Gerichte in bestehendes Gewohnheitsrecht mit rückwirkender Kraft eingreifen dürfen, braucht danach nicht gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorgelegt zu werden; abgesehen davon wäre die Beantwortung dieser Rechtsfrage für die Entscheidung des Streitfalls aus den zu a) dargelegten Gründen nicht entscheidungserheblich.
c) Entgegen der Auffassung der Kläger wäre der erkennende Senat auch nicht deshalb an der Anwendung der im Urteil in BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524 entwickelten Grundsätze auf den Streitfall gehindert, weil, wie die Kläger vortragen, eine rückwirkende belastende Änderung der Rechtsprechung gegen den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Vertrauensschutz des Bürgers verstoßen würde. Dahinstehen kann, ob im Verhältnis zu den Ausführungen imUrteil in BFHE 134, 357, BStBl II 1982, 83 von der Änderung einer feststehenden Rechtsprechung gesprochen werden könnte. Es ist schon nicht ersichtlich, daß die tatsächliche Gestaltung im Streitfall im Hinblick auf eine bestimmte steuerrechtliche Beurteilung veranlaßt worden ist, vielmehr wurde der der steuerrechtlichen Beurteilung unterliegende Vertrag, wie die Kläger in einem anderen Zusammenhang vortragen, zur Regelung der vorweggenommenen Erbfolge geschlossen. Die steuerrechtliche Auswirkung ist lediglich die Folge dieses Verhaltens der Vertragsparteien (vgl. Kirchhof, Deutsches Steuerrecht 1989, 263, 268). Im Hinblick auf diese Folgewirkung besteht kein Schutz des Vertrauens auf eine bestimmte - günstige - rechtliche Beurteilung; eine gesicherte Rechtsposition ist dem Steuerpflichtigen insoweit nicht eingeräumt (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 16. Dezember 1981 1 BvR 898, 1132, 1150, 1333, 1181/79, 83, 416/80, 1117/79 und 603/80; BVerfGE 59, 128, 164f., wonach das Vertrauen auf den Fortbestand einer dem Bürger eingeräumten Rechtsposition unter bestimmten Voraussetzungen geschützt sein kann; vgl. BFH-Beschluß vom 25. Juli 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 757).
Im Streitfall ist überdies darauf hinzuweisen, daß die Interpretation des § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG im Sinne einer Gleichstellung von gemischter und Auflagenschenkung im Hinblick auf eine Begrenzung des Abzugsverbots durch den neu eingeführten § 25 ErbStG und damit durch eine Gesetzesänderung veranlaßt und geboten war (vgl. hierzu auch Meincke, Erbschaftsteuergesetz, 9. Aufl., § 25 Tz. 10). Danach kann auch von einer von den Klägern für unzulässig gehaltenen willkürlichen Rechtsprechungsänderung nicht die Rede sein (vgl. hierzu auch das Urteil des Senats vom 11. Dezember 1991 II R 49/89, BFHE 165, 492, BStBl II 1992, 260 m.w.N.). Schon deswegen bestünde kein Anlaß zur Anrufung des Großen Senats des BFH. Im übrigen bleibt der Senat bei seinem Urteil in BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524 zu 4. der Gründe vertretenen Auffassung, daß eine Anrufung des Großen Senats in einer Rechtsfrage, zu deren Entscheidung der Fachsenat berufen ist, nicht in Betracht kommt.
d) Die Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes wäre, falls die Entscheidung des Streitfalls davon abhinge, nicht deshalb geboten, weil, wie die Kläger meinen, Schenkungen unter Auflage vom BGH (NJW 1989, 2122) und BFH unterschiedlich beurteilt würden und der erkennende Senat damit von der Rechtsprechung des BGH abweiche. Zwar knüpft das Erbschaftsteuerrecht an die bürgerlich-rechtlichen Gestaltungen an und verwendet dem Zivilrecht entnommene Begriffe. Dies schließt jedoch nicht aus, daß zivilrechtliche Gestaltungen und Begriffe entsprechend den steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhängen selbständig interpretiert werden können und müssen. Es gibt keine Vermutung, daß das dem Zivilrecht entlehnte Tatbestandsmerkmal einer Steuerrechtsnorm im Sinne des zivilrechtlichen Verständnisses zu interpretieren sei (BVerfG-Beschluß vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212). Der erkennende Senat wäre danach berechtigt, im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG von dem zivilrechtlichen Verständnis der Auflagenschenkung abzuweichen. Auch eine Vorlage an den Großen Senat des BFH käme nicht in Betracht.
e) Dafür, daß die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Auflagenschenkung die in Art. 6 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützten Grundrechte der Kläger wegen der finanziell gravierend unterschiedlichen Besteuerung der vorweggenommenen Erbfolge und der Erbfolge von Todes wegen verletze, sieht der Senat keine Anhaltspunkte. Die Kläger verkennen, daß die sog. vorweggenommene Erbfolge zivilrechtlich Schenkung (unter Lebenden) ist (s. oben zu 2. a), so daß die den ursächlichen und sachlichen Unterschieden zwischen unentgeltlichen Zuwendungen unter Lebenden und dem Erwerb von Todes wegen (vgl. hierzu in einem anderen Zusammenhang BFH-Beschluß vom 23. Januar 1991 II B 46/90, BFHE 163, 233, BStBl II 1991, 310) folgende unterschiedliche steuerrechtliche Erfassung, wie sie das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz vorsieht, sachlich gerechtfertigt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 419648 |
BFH/NV 1994, 373 |