Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachhaltige Erzielung von Einnahmen
Leitsatz (NV)
1. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 ist richtlinienkonform unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 1 und 2 Richtlinie 77/388/EWG auszulegen. Eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt nur vor, wenn die Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeführt wird. Bei der Beurteilung dieser Frage ist die Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen.
2. Ein Unternehmer, der durch Vermietung von Gegenständen einen neuen Unternehmenszweig begründet, bezieht den Gegenstand für sein Unternehmen und tätigt diese Umsätze im Rahmen seines Unternehmens, wenn er den Gegenstand zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1; EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 1-2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) meldete am 20. September 1988 bei der Gemeinde einen Gewerbebetrieb "Vermietung von Wohnmobilen" an. Sie erwarb am 27. September 1988 ein Wohnmobil, das sie im Januar 1990 unter gleichzeitiger Anschaffung eines neuen Wohnmobils wieder ver äußerte. Die Klägerin bot das jeweilige Wohnmobil fremden Dritten zur entgeltlichen Nutzung an. Zu diesem Zweck legte sie Prospekte in Banken aus und betrieb "Mundpropaganda". Das Wohnmobil wurde in den Streitjahren (1988 bis 1990) -- berechnet in Tagen -- wie folgt genutzt:
1988 1989 1990
Vermietung an Dritte 7 37 67
Selbstnutzung durch die Klägerin 5 28 20
In ihren Steuererklärungen für die Streitjahre erklärte die Klägerin steuerpflichtige Umsätze aus der Vermietung des Wohnmobils entsprechend den vereinnahmten Entgelten. Für die Tage der Selbstnutzung berücksichtigte sie steuerpflichtigen Eigenverbrauch und setzte hierfür ein fiktives Entgelt in der Höhe des von Dritten verlangten Mietpreises an. Die ihr anläßlich des Erwerbs der Wohnmobile in Rechnung gestellte Umsatzsteuer machte sie als abziehbare Vorsteuerbeträge geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) vertrat die Auffassung, die Klägerin habe die Wohnmobile nicht für ihr Unternehmen bezogen und habe diese nicht im Rahmen ihres Unternehmens genutzt. Er berücksichtigte deshalb in den Steuerbescheiden für die Streitjahre die die Wohnmobile betreffenden Umsätze sowie den Vorsteuerabzug nicht. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage für die Jahre 1988 und 1990 zum Teil statt. Zu Lasten der Klägerin bemaß es den Eigenverbrauch nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten, die es im Verhältnis der Nutzungszeiten für unternehmerische Zwecke und der Zeiten der Selbstnutzung aufteilte. Die Klage für 1989 wies es mangels Beschwer der Klägerin ab.
Mit der Beschwerde begehrte das FA die Zulassung der Revision wegen der Jahre 1988 und 1990. Nach Zulassung durch den Senat legte das FA wegen sämtlicher Streitjahre (1988 bis 1990) Revision ein. Später nahm es die Revision wegen Umsatzsteuer 1989 mit Zustimmung der Klägerin zurück.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat § 2 Abs. 1 bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 unzutreffend angewendet.
1. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 UStG 1980, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. In richtlinienkonformer Auslegung dieser Vorschrift bedeutet dies, daß dabei eine wirtschaftliche Tätigkeit (Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG -- Richtlinie 77/388/EWG --) ausgeübt werden muß. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften -- EuGH -- (Urteil vom 26. September 1996 Rs. C-230/94, Umsatzsteuer-Rundschau -- UR -- 1996, 418, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer- Recht -- UVR -- 1996, 338) vor, wenn sie zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vorgenommen wird.
2. Das erstinstanzliche Urteil läßt nicht zweifelsfrei erkennen, ob die Klägerin bereits Unternehmerin war, bevor sie das Wohnmobil erwarb. Falls die Unternehmereigenschaft wegen anderer Umsätze vorgelegen hat, könnten die die Wohnmobile betreffenden Umsätze und Vorsteuerbeträge nur berücksichtigt werden, wenn die Klägerin diese Umsätze im Rahmen ihres Unternehmens ausgeführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980) und die Wohnmobile für ihr Unternehmen bezogen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980) hätte. Da die Wohnmobilvermietung, wie sich aus der Gewerbeanmeldung ergibt, einen neuen Unternehmenszweig der Klägerin darstellen würde, lägen Umsätze im Rahmen des Unternehmens und Bezüge für das Unternehmen nur vor, wenn die Klägerin das Wohnmobil nachhaltig gegen Entgelt, d. h. durch entgeltliche Vermietung an Dritte, eingesetzt hätte.
3. Entscheidungserheblich ist demnach -- unabhängig von der eventuell bereits vor Beginn der Wohnmobilvermietung bestehenden Unternehmereigenschaft der Klägerin --, ob diese das jeweilige Wohnmobil zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet hat. Zu diesem Tatbestandsmerkmal hat der EuGH in seinem Urteil in UR 1996, 418, UVR 1996, 338 ausgeführt: Eine nur gelegentlich ausgeübte Tätigkeit reiche nicht aus (Rdnr. 20). Das nationale Gericht habe die Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob die Vermietung eines körperlichen Gegenstands -- wie eines Wohnmobils -- i. S. von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Richtlinie 77/388/EWG zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vorgenommen wird (Rdnr. 30). Werde ein Gegenstand vermietet, der seiner Art nach sowohl für wirtschaftliche als auch für private Zwecke verwendet werden kann, seien dabei alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet wird (Rdnr. 27). Eine der Methoden, mit denen geprüft werden könne, ob die betreffende Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt werde, sei der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende den Gegenstand tatsächlich nutzt, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird (Rdnr. 28). Ferner seien die tatsächliche Dauer der Vermietung des Gegenstands, die Zahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen Gesichtspunkte, die zur Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls gehören und daher neben anderen Gesichtspunkten bei dieser Prüfung berücksichtigt werden können (Rdnr. 29).
4. Mit diesen Grundsätzen steht die Rechtsprechung des Senats im Einklang, wonach im Einzelfall aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse zu beurteilen ist, ob eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen vorliegt (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 18. Juli 1991 V R 86/87, BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776). Dabei ist eine Reihe verschiedener (nicht abschließend festgelegter) Kriterien zu würdigen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung sprechen können. Es sind u. a. zu würdigen: die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens, die Beteiligung am Markt, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden, das Unterhalten eines Geschäftslokals. Der tatsächlichen Würdigung der Einzelheiten durch die Tatsacheninstanz kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Der BFH prüft als Revisionsinstanz nur, ob dem FG bei der tatsächlichen Würdigung Rechtsverstöße unterlaufen sind (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1992 V R 8/89, BFHE 170, 275, BStBl II 1993, 379). Ob auch ein anderes Ergebnis der Würdigung vertretbar gewesen wäre, ist nicht entscheidend.
5. Das FG hat in seinen Entscheidungsgründen zur Frage der Unternehmereigenschaft der Klägerin, der Ausführung der Umsätze im Rahmen ihres Unternehmens und des Bezugs der Wohnmobile für ihr Unternehmen lediglich ausgeführt: "Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug, insbesondere der Vorsteuerabzug aus der jeweiligen Anschaffung der Wohnmobile zu. Insoweit sind die Voraussetzungen, die das Gesetz in § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG an den Vorsteuerabzug knüpft, erfüllt. Die Klägerin ist mit der Vermietung der Wohnmobile als Unternehmer i. S. von § 2 Abs. 1 UStG tätig geworden. Sie hat die Wohnmobile zur Erzielung von Einnahmen im Rahmen ihres Unternehmens verwendet. Die Klägerin konnte daher die Entscheidung treffen, die Reisemobile ihrem Unternehmen zuzuordnen. Anhaltspunkte dafür, daß die Wohnmobile allein für die nichtunternehmerische (private) Nutzung bestimmt waren, sind im Streitfall nicht ersichtlich."
6. Aus diesen Ausführungen ist ersichtlich, daß das FG die vom EuGH und vom BFH bezeichneten Merkmale für die Beurteilung, ob die Klägerin die Vermietung ihres Wohnmobils zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt hat, nicht herangezogen hat. Es hat den Sachverhalt nicht anhand der maßgebenden Kriterien gewürdigt, sondern sich mit der Feststellung begnügt, die Klägerin habe die Wohnmobile vermietet.
Die Entscheidung des FG war deshalb aufzuheben, damit das FG Gelegenheit erhält, den Sachverhalt unter Beachtung der Rechtsauffassung des BFH neu zu würdigen.
Fundstellen
Haufe-Index 422241 |
BFH/NV 1997, 719 |