Entscheidungsstichwort (Thema)
„Sondertantieme“ in Höhe des einen Mindestgewinn übersteigenden Betrags nicht immer vGA
Leitsatz (NV)
Hat der Veräußerer von GmbH-Anteilen dem Erwerber für die Folgejahre einen bestimmten Mindestgewinn garantiert und sich zugleich verpflichtet, für die betreffende Zeit weiterhin Geschäftsführer der GmbH zu sein, so ist eine vereinbarungsgemäß an ihn gezahlte "Sondertantieme" in Höhe des den Mindestgewinn übersteigenden Gewinns der GmbH nicht notwendig eine vGA.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
FG München (EFG 2001, 1071) |
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zahlung einer "Sondertantieme" an den Geschäftsführer einer GmbH steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu würdigen ist.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin einer GmbH (nachfolgend: X-GmbH), die zum 1. Januar 1995 auf die Klägerin verschmolzen wurde. Gesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH war bis Anfang 1992 Herr X, der zuletzt alle Geschäftsanteile hielt.
Mit Vertrag vom 31. Januar 1992 veräußerte X seine Geschäftsanteile mit Wirkung zum 1. Januar 1992 an die Y-KG. Der Kaufpreis sollte 5 Mio. DM betragen; ergänzend hierzu war Folgendes vereinbart: "Sollte der in der Bilanz (der X-GmbH) ausgewiesene Jahresüberschuss in den Jahren 1992 und 1993 geringer sein als je 1 576 000 DM, so mindert sich für jedes Jahr gesondert gerechnet der Kaufpreis um den Differenzbetrag zu 1 576 000 DM."
Ebenfalls am 31. Januar 1992 schlossen X und die Y-KG eine weitere Vereinbarung des Inhalts, dass die Gesellschafterversammlung der X-GmbH den X bis zum 31. Dezember 1993 zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der X-GmbH bestellen werde. Die laufenden Geschäftsführerbezüge des X sollten sich nicht verändern; jedoch sollte X, soweit in den Jahresabschlüssen der X-GmbH die Differenz zwischen Jahresüberschuss und Körperschaftsteueraufwand mehr als 1 576 000 DM betrug, den Differenzbetrag als Sondertantieme erhalten. Hieraus errechnete sich für das erste Streitjahr (1992) ein Tantiemeanspruch in Höhe von 1 169 620 DM, während X für das zweite Streitjahr (1993) von dem Kaufpreis für die Geschäftsanteile 526 000 DM zurückzahlen musste.
Die X-GmbH verbuchte den Anspruch des X auf die Sondertantieme in ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1992 gewinnmindernd. Demgegenüber ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) im Anschluss an eine Außenprüfung davon aus, dass es sich bei dem als "Sondertantieme" bezeichneten Betrag um eine zusätzliche Kaufpreiszahlung handele, die die X-GmbH für ihre neue Eigentümerin geleistet habe. Er erhöhte deshalb das Einkommen der X-GmbH um den Tantiemebetrag. Außerdem stellte er für das Jahr 1993, in dem die Tantieme an X ausgezahlt worden war, die Ausschüttungsbelastung her. Dies führte zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuer 1993.
Der u.a. hiergegen gerichteten Klage der Klägerin gab das Finanzgericht (FG) in den genannten Streitpunkten statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1071 abgedruckt.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die streitige "Sondertantieme" steuerlich als zusätzliches Geschäftsführerentgelt und nicht als vGA zu behandeln ist.
1. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) darf eine vGA das steuerlich zu erfassende Einkommen einer Körperschaft nicht mindern. Zu den vGA können u.a. Leistungen der Gesellschaft an ihren Gesellschafter gehören, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Letzteres ist insbesondere dann anzunehmen, wenn es um eine Leistung geht, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 43 Abs. 1 des GmbH-Gesetzes) einem gesellschaftsfremden Dritten unter ansonsten vergleichbaren Verhältnissen nicht gewährt hätte.
2. Im Streitfall sieht das FA ein im Gesellschaftsverhältnis veranlasstes Handeln der X-GmbH darin, dass diese im Hinblick auf die zuvor eingegangene Verpflichtung der Y-KG gegenüber X den Anstellungsvertrag mit der Tantiemevereinbarung abgeschlossen hat. Demgegenüber ist das FG zu dem Ergebnis gelangt, dass die maßgebliche Vereinbarung nicht Ausfluss des Kaufvertrags zwischen X und der Y-KG sei, sondern ausschließlich auf dem Geschäftsführungsverhältnis zwischen X und der X-GmbH beruhe. Es sei darum gegangen, der X-GmbH für zwei weitere Jahre die Dienste des X als Geschäftsführer zu sichern und diesen zu einer Leistung anzuspornen, die der (neuen) Anteilseignerin der X-GmbH ihre Gewinnerwartungen garantierte. Diese Annahme beruht auf einer einzelfallbezogenen Sachverhaltswürdigung des FG, die im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden kann, ob sie entweder in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteil vom 28. November 2001 I R 44/00, BFH/NV 2002, 543, 544; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118 Rz. 23 ff.). Beides ist nicht der Fall.
a) Entgegen der Ansicht des FA liegt kein Verfahrensfehler darin, dass das FG nicht Beweis darüber erhoben hat, ob X im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit der Y-KG ein Äquivalent für die von ihm übernommene Gewinngarantie verlangt hat. Das FA trägt hierzu in der Revisionsbegründung selbst vor, dass das FG eine Beweiserhebung zu diesem Punkt "als nicht entscheidungserheblich abgelehnt" habe. Hieraus folgt, dass es aus der Sicht des FG auf den vom FA behaupteten Inhalt der Vertragsverhandlungen nicht ankam. Angesichts dessen war es zu einer Beweiserhebung hierüber nicht verpflichtet (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 26. Januar 2001 VI B 210/00, BFH/NV 2001, 809; vom 7. August 2001 III B 67/00, BFH/NV 2002, 45; von Groll in Gräber, a.a.O., § 76 Rz. 24, m.w.N.).
b) Ebenso verstößt die Würdigung des Sachverhalts durch das FG nicht gegen die Denkgesetze. Ein solcher Verstoß liegt nämlich nur dann vor, wenn die von der Tatsacheninstanz angestellte Schlussfolgerung schlechterdings unhaltbar ist (Schmidt-Troje in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 96 FGO Rz. 46, m.w.N.). Diese Situation ist im Streitfall nicht gegeben.
Insbesondere zwingt die inhaltliche Ausgestaltung der zu beurteilenden Tantiemezusage nicht dazu, die Zusage als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst anzusehen. Dem FA ist zwar zuzugeben, dass eine solche Ausgestaltung im Wirtschaftsleben selten und in diesem Sinne ungewöhnlich ist. Jedoch führt nicht jede Ungewöhnlichkeit dazu, dass die betreffende Vereinbarung einem Fremdvergleich nicht standhält. Vielmehr können spezifische Vertragsgestaltungen, mit denen die Vertragspartner den Besonderheiten eines Einzelfalls Rechnung getragen haben, steuerlich durchaus anzuerkennen sein (Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 8 Anm. 89, m.w.N.). Einen solchen Sachverhalt hat das FG hier für gegeben erachtet, da X einerseits für den erwarteten weiteren Geschäftserfolg der X-GmbH unentbehrlich und andererseits aufgrund des Kaufvertrags mit der Y-KG nicht zur Fortsetzung der Geschäftsführungstätigkeit verpflichtet gewesen sei; deshalb habe es der Tantiemezusage bedurft, um ihn zum Bleiben zu bewegen. Außerdem hat das FG zu Recht darauf hingewiesen, dass X bei einer vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses die "Sondertantieme" nicht erhalten hätte, weshalb deren Zahlung letztlich von der tatsächlichen Durchführung des Geschäftsführer-Dienstverhältnisses abhängig war. Diese Erwägungen tragen seinen Schluss, dass es sich bei der Tantieme um ein Entgelt für die Ausübung der Geschäftsführertätigkeit ―und nicht um eine Zuzahlung auf den Kaufpreis für die Gesellschaftsanteile― handelte. Das schließt unabhängig davon, ob diese Folgerung zwingend ist, die Annahme eines Denkfehlers aus (BFH-Beschluss vom 24. August 2001 XI B 87/00, BFH/NV 2002, 199).
Fundstellen
Haufe-Index 853147 |
BFH/NV 2003, 83 |