Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Die Vollziehung eines Steuerbescheides ist auszusetzen, wenn die Möglichkeit zu seiner Aufhebung in dem Sinne besteht, daß die Rechtslage auf Grund gewichtiger Darlegungen des Steuerpflichtigen zweifelhaft ist.
Hierbei ist das Gewicht der vom Steuerpflichtigen gemachten Rechtsausführungen nicht nach der - unveränderten - Rechtsauffassung der Behörde, sondern nach der ihnen für sich selbst und nach ihrer inneren Schlüssigkeit zukommenden Bedeutung zu beurteilen.
Normenkette
AO §§ 251, 242
Tatbestand
Die Beschwerdegegner (Bg.) sind mit den ihnen von ihrem Onkel gewährten Baukostenzuschüssen im Sinne des § 7 c des Einkommensteuergesetzes zur Schenkungsteuer herangezogen worden. Hiergegen haben sie Einspruch eingelegt und gleichzeitig Stundung eines Teilbetrags der Schenkungsteuer beantragt. Das Finanzamt hat die beantragte Stundung versagt. Gegen die Ablehnung der Stundung haben die Bg. Beschwerde erhoben und den Antrag auf Stundung nunmehr als Antrag auf teilweise Aussetzung der Vollziehung klargestellt. Auch die Beschwerde ist erfolglos geblieben. Auf die Berufung der Bg. hin hat das Finanzgericht die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion und die ablehnende Verfügung des Finanzamts wegen Ermessensfehlgebrauchs aufgehoben. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Oberfinanzdirektion.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Der II. Senat des Bundesfinanzhofs hat sich in seinem Urteil II 37/53 U vom 10. Februar 1954 (Bundessteuerblatt 1954 Teil III S. 116) mit der Frage befaßt, wann nach § 251 der Reichsabgabenordnung (AO) die Vollziehung eines Bescheids auszusetzen ist. Er hat dort die Auffassung ausgesprochen, daß die Ablehnung eines mit zweifelhafter Rechtslage begründeten Antrags auf Aussetzung der Vollziehung (nur) dann einen Ermessensmißbrauch darstellt, wenn nach der Rechtslage das Rechtsmittel eine wohlbegründete Aussicht auf Erfolg hat. Der erkennende Senat würde dieser Ansicht nicht beitreten können, wenn sie dahin zu verstehen wäre, daß der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher sein müsse als sein Mißerfolg. Vielmehr schließt sich der erkennende Senat den Ausführungen von Becker (AO, 7. Auflage, Anmerkung 2 zu § 235 a. F.) und von Hensel (Steuer und Wirtschaft 1928 I Sp. 407) an, nach denen die Vollziehung auszusetzen ist, wenn die Möglichkeit zur Aufhebung des Bescheides in dem Sinne besteht, daß die Rechtslage auf Grund gewichtiger Darlegungen des Steuerpflichtigen zweifelhaft ist (vgl. auch Wauer, Finanz-Rundschau 1950 S. 182). Dabei liegt klar zutage, daß das Gewicht der vom Steuerpflichtigen gemachten Rechtsausführungen nicht nach der - unveränderten - Rechtsauffassung der Behörde, sondern nach der ihnen für sich selbst und nach ihrer inneren Schlüssigkeit zukommenden Bedeutung beurteilt werden muß. Mit den hier entwickelten Grundsätzen steht die angefochtene Entscheidung in Einklang. Das Finanzgericht hat insbesondere zutreffend darauf hingewiesen, daß sich der Rechtsmittelangriff der Bg. gegen den Schenkungsteuerbescheid auf die zahlreichen über die schenkungsteuerliche Behandlung der 7c-Zuschüsse gemachten Ausführungen des Schrifttums stützen konnte. Dem Finanzgericht ist in diesem Zusammenhang weiter dahin zuzustimmen, daß bei der sich aus den äußerungen des Schrifttums ergebenden Zweifelhaftigkeit der Rechtslage dem Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung über die Schenkungsteuerpflicht der 7c-Zuschüsse besondere Bedeutung zukam.
Hiernach ist der angefochtenen Entscheidung beizutreten und die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 307 ff. AO, die Streitwertfeststellung auf § 320 AO.
Fundstellen
Haufe-Index 408022 |
BStBl III 1954, 328 |
BFHE 1955, 307 |
BFHE 59, 307 |