Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die nachträgliche Erhöhung der Gehaltsbezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft, der am Stammkapital der Gesellschaft zu weniger als 25 v. H. beteiligt ist, kann jedenfalls dann steuerlich nicht anerkannt werden, wenn er nach Lage des Einzelfalles als Gesellschafter einen ins Gewicht fallenden Einfluß auf die Willensbildung der Gesellschaft ausgeübt hat.
Das ist anzunehmen, wenn gleichzeitig das Gehalt seines an der Kapitalgesellschaft wesentlich beteiligten Bruders nachträglich erhöht worden ist und die Brüder bei dieser einheitlichen Maßnahme zusammengewirkt haben.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob rückwirkende Gehaltserhöhungen einer GmbH zugunsten ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttungen zu beurteilen sind.
Die Bfin. ist infolge Umwandlung Rechtsnachfolgerin einer GmbH. An deren Stammkapital waren im Streitjahr K. N. und die Firma E. N. KG je zur Hälfte beteiligt. Gesellschafter der KG waren zu jeweils 33 1/3 v. H. der Anteile E. N., K. N. und deren Mutter, Frau H. N. Geschäftsführer der GmbH war der Gesellschafter K. N. Sein Bruder E. N. war Prokurist und stellvertretender Geschäftsführer. Beide erhielten in den Jahren 1953 bis 1956 für ihre Tätigkeit als Geschäftsführer eine jährliche Vergütung von je 6 000 DM.
Für das Streitjahr 1957, in dem die GmbH einen erheblichen Gewinn erzielte, wurden durch die Gesellschafterversammlung am 19. September 1958 die Geschäftsführergehälter rückwirkend auf je 24 000 DM festgesetzt.
Im Anschluß an eine im Jahre 1960 durchgeführte Betriebsprüfung erkannte das Finanzamt die für 1957 vorgenommenen Erhöhungen der Geschäftsführergehälter nicht als abzugsfähig an.
Im Rechtsmittelverfahren begehrt die Bfin., die rückwirkend erhöhten Geschäftsführergehälter zum Abzug zuzulassen. Hinsichtlich des Gesellschafters E. N. folge dies schon daraus, daß er zu weniger als 25 v. H. an der Kapitalgesellschaft beteiligt gewesen sei. Wegen seiner geringen Beteiligung habe er keinen Einfluß auf die Entscheidungen der GmbH ausüben können. Familiäre Bindungen hätten zwischen den Brüdern keine Rolle gespielt. Beiden sei es nur darum gegangen, die eigenen Gesellschafterinteressen zu vertreten und für ihre erhöhten Arbeitsleistungen, die sich deutlich in der Umsatzsteigerung des Jahres 1957 widerspiegelten, eine angemessene Vergütung zu erhalten. Wenn aber die rückwirkende Gehaltsvereinbarung zugunsten des E. N. steuerlich anzuerkennen sei, so müsse dies erst recht im Falle des K. N. geschehen.
Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht ging davon aus, daß nachträgliche Gehaltsvereinbarungen für Gesellschafter-Geschäftsführer steuerlich nicht anerkannt werden könnten. Dies gelte auch für E. N. Bei der GmbH und bei der KG habe es sich um reine Familienunternehmen gehandelt, deren sämtliche Anteile in den Händen der Familie N. gewesen seien. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 4/59 S vom 4. August 1959 (BStBl 1959 III S. 374, Slg. Bd. 69 S. 299) sei das Rückwirkungsverbot in der Regel nur bei solchen Gesellschafter-Geschäftsführern nicht anzuwenden, die zusammen mit ihren Angehörigen oder ihnen sonst nahestehenden Personen zu weniger als 25 v. H. an der Kapitalgesellschaft beteiligt seien. Diese Voraussetzungen seien für E. N. nicht erfüllt. Durch seine familiären Bindungen an die übrigen Gesellschafter sei er nicht auf eine bloße Angestelltentätigkeit beschränkt gewesen, sondern habe als Gesellschafter das Schicksal der GmbH mitgestalten können. Sein Einfluß auf die GmbH sei daher größer gewesen, als es die formelle Beteiligung erkennen lasse. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß im Streitfall eine willkürliche Beeinflussung des Einkommens der GmbH durch die Gesellschafter-Geschäftsführer offensichtlich sei. Nachdem sie in den Jahren 1953 bis 1956 jeweils nur ein Gehalt von 6 000 DM bezogen hätten, seien ihre Bezüge für 1957 - einem Jahr mit erheblichem Gewinn - um das Vierfache erhöht worden. Für 1958, ein Verlustjahr, hätten sie vollends auf ihre Vergütungen verzichtet.
Mit der Rb. verweist die Bfin. zum Beweis dafür, daß die Brüder N. bereits im Jahre 1957 verfeindet gewesen seien, auf ein inzwischen gegen K. N. ergangenes strafgerichtliches Urteil wegen Gläubigerbetrugs. Sie wendet sich ferner dagegen, daß das Finanzgericht aus dem Verzicht der Gesellschafter-Geschäftsführer auf ihre Bezüge für das Jahr 1958 auf eine gewinnmindernde Manipulierung geschlossen habe. Ursache dieses Verzichts sei die im Jahre 1958 durchgeführte Umwandlung in eine KG gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Es besteht keine Vermutung, daß der Gesellschafter- Geschäftsführer einer GmbH ihr Angestellter ist (Urteil des Bundesfinanzhofs I 47/55 U vom 11. Oktober 1955, BStBl 1955 III S. 397, Slg. Bd. 61 S. 515). Der Gesellschafter-Geschäftsführer kann für die GmbH unentgeltlich, gegen ein das übliche Ausmaß unterschreitendes Entgelt oder gegen eine angemessene Vergütung tätig sein. Diese verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten erfordern es, daß klar und eindeutig vereinbart sein muß, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Entgelt gezahlt werden soll. Für eine zurückliegende Zeit kann weder ein Gehalt vereinbart noch der Höhe nach bestimmt, noch ein bereits vereinbartes Gehalt erhöht werden (Urteile des Bundesfinanzhofs I 47/55 U, a. a. O.; I 190/57 U vom 24. Juni 1958, BStBl 1958 III S. 381, Slg. Bd. 67 S. 281; I 128/57 U vom 15. April 1958, BStBl 1958 III S. 428, Slg. Bd. 67 S. 407; I 11/58 S vom 5. Mai 1959, BStBl 1959 III S. 369, Slg. Bd. 69 S. 286; I 4/59 S, a. a. O.; I 46, 47/62 vom 31. Juli 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 Nr. 4 S. 4 = Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 394). Ließe man nachträgliche Gehaltsvereinbarungen zu, so könnte der Gewinn willkürlich so beeinflußt werden, wie es bei einer Beurteilung der steuerlichen Auswirkungen jeweils am günstigsten ist (Urteil des Bundesfinanzhofs I 4, 5/55 U vom 31. Juli 1956, BStBl 1956 III S. 288, Slg. Bd. 63 S. 237).
Diese Grundsätze gelten im Streitfall jedenfalls für den wesentlich beteiligten Gesellschafter K. N. Bei der besonderen Lage des Streitfalls ist es indes auch nicht zu beanstanden, wenn das Finanzgericht bezüglich der rückwirkenden Gehaltserhöhung für den Gesellschafter E. N. nach denselben Grundsätzen verfahren ist.
Nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs I 4/59 S (a. a. O.) gilt das Verbot, Dienstleistungen oder sonstige Leistungen des Gesellschafters für die Vergangenheit zu vergüten, nur für solche Gesellschafter, die einen ins Gewicht fallenden Einfluß auf die Kapitalgesellschaft ausüben können und bei denen die Gesellschaftereigenschaft nicht offensichtlich gegenüber der Angestellteneigenschaft zurücktritt. Das Verbot der Rückwirkung ist daher in der Regel bei solchen Gesellschafter-Geschäftsführern nicht anzuwenden, die - selbst zusammen mit ihren Angehörigen oder ihnen sonst nahestehenden Personen - zu weniger als 25 v. H. an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind. Diese Ausführungen lassen aber auch erkennen, daß es für die Frage der Anerkennung oder Nichtanerkennung rückwirkender Vertragsgestaltungen einer Kapitalgesellschaft mit ihren Gesellschafter-Geschäftsführern weniger auf die dem Gesellschafter-Geschäftsführer zustehende formelle Beteiligung, als vielmehr darauf ankommt, in welchem Umfang dieser nach den tatsächlichen Verhältnissen des einzelnen Falles einen Einfluß auf die Beschlüsse der Gesellschaft ausüben konnte.
Das Finanzgericht durfte im Streitfall im Rahmen einer möglichen und für den Senat daher gemäß §§ 288, 296 der Reichsabgabenordnung bindenden Tatsachenwürdigung zu dem Ergebnis gelangen, daß der Gesellschafter E. N. diesen wesentlichen Einfluß auf die Bfin. ausüben konnte. Dabei ist von Bedeutung, daß die nachträgliche Erhöhung der Bezüge der Geschäftsführer E. N. und K. N. - wie insbesondere die übereinstimmende Höhe der Gehälter und das zeitliche Zusammenfallen der Beschlußfassung sichtbar machen - eine auf gleichgerichteten Interessen beruhende einheitliche Maßnahme darstellt, zu deren Durchsetzung die Gesellschafter E. N. und K. N. zusammenwirkten, so daß sich der Gesellschafter E. N. des Einflusses seines wesentlich beteiligten Bruders K. N. bedienen konnte und bedient hat. Dem würde nicht entgegenstehen, wenn die Brüder - wie die Bfin. vorträgt - bereits zur Zeit der Beschlußfassung über die rückwirkenden Gehaltsvereinbarungen verfeindet gewesen sein sollten. Ihre persönliche Einstellung zueinander schließt ein Zusammenwirken bei der Verfolgung gleichgerichteter Interessen nicht aus.
Fundstellen
Haufe-Index 411847 |
BStBl III 1966, 73 |
BFHE 1966, 202 |
BFHE 84, 202 |
BB 1966, 198 |
DStR 1966, 185 |