Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensfragen nach Umwandlung einer KG in eine GmbH; Versicherungsleistungen aus einer betrieblichen Gruppenunfallversicherung bei Privatfahrt
Leitsatz (NV)
1. Zur Wirksamkeit und zur Anfechtung von gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheiden gegen eine KG, wenn diese in eine GmbH umgewandet worden ist.
2. Wird im Rahmen einer betrieblichen Gruppenunfallversicherung eine Versicherungsleistung wegen eines Unfalls bei einer Privatfahrt eines mitversicherten Familienangehörigen und Mitunternehmern gezahlt, so handelt es sich nicht um eine Betriebseinnahme.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 1, § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3, §§ 58, 65 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 239, 56
Verfahrensgang
Tatbestand
Im Klageverfahren war zwischen den Beteiligten streitig, ob eine gezahlte Versicherungsentschädigung aus einer Gruppenunfallversicherung zu den Betriebseinnahmen gehört. Im Revisionsverfahren ist außerdem umstritten, welche Folgerungen sich daraus ergeben, daß die als Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) benannte KG seit 1981 nicht mehr besteht und außerdem einer der Kommanditisten im Jahr 1981 verstorben ist.
Die im finanzgerichtlichen Verfahren als Klägerin benannte KG war dadurch entstanden, daß B sen. zum 21. Januar 1975 seine Söhne E und H und zum 1. Januar 1976 seinen Sohn N als Kommanditisten in sein Einzelunternehmen aufgenommen hatte.
Der persönlich haftende Gesellschafter der KG, Herr B sen., schloß am 13. November 1975 auf seinen Namen bei dem . . . Versicherungsverein AG einen Gruppenunfallversicherungsvertrag ab. Versichert wurden B sen., dessen Ehefrau, die Söhne N und H sowie vier namentlich nicht benannte Aushilfskräfte. Am 1. September 1977 sind der Sohn E und die Tochter E in die Versicherung aufgenommen worden. Die Versicherungssumme wurde erhöht und die Vertragsdauer bis zum 31. Dezember 1987 verlängert. Die Versicherungsprämien wurden als Betriebsausgaben abgesetzt.
Am 2. Oktober 1977 verunglückte N mit seinem privaten Motorrad auf dem Betriebsgelände der KG anläßlich einer privaten, sonntäglichen Probefahrt und zog sich hierbei erhebliche Verletzungen an der Hand zu. Zu diesem Zeitpunkt besuchte er noch die höhere Handelsschule in . . . und arbeitete nur gelegentlich in den Ferien oder an schulfreien Tagen im Unternehmen der KG mit. Die Versicherung hat wegen der Verletzungen am 5. September 1978 eine Entschädigung in Höhe von . . . DM gezahlt.
Am 16. März 1980 wurde die KG in eine GmbH umgewandelt. Davon erhielt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) am 12. August 1980 telefonisch und am 27. September 1980 schriftlich Kenntnis. Die Auflösung und Löschung der KG wurde am 9. März 1981 ins Handelsregister eingetragen.
Anläßlich einer Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, daß die Zahlung der Versicherung eine Betriebseinnahme der KG sei. Das FA folgte dieser Auffassung und änderte durch Sammeländerungsbescheid vom 7. Januar 1983 u. a. den ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheid 1978 und stellte den Gewinn auf . . . DM fest. Der Bescheid ist wie folgt adressiert:
,,Firma B KG
z. Hd. Herrn B
. . . straße . . . in . . ."
Als Feststellungsbeteiligte sind unter d. aufgeführt:
1. B sen.,
2. H,
3. E und
4. N.
Im Verfügungsteil E. des Feststellungsbogens heißt es, daß der Gewinnfeststellungsbescheid an die Feststellungsbeteiligten zu richten sei.
Mit dem Einspruchsschreiben vom 12. Januar 1983 wurde geltend gemacht, daß das FA den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu Unrecht einen Betrag in Höhe von . . . DM hinzugerechnet habe; es handele sich um eine Entschädigung aus einer Gruppenunfallversicherung, die dem Gesellschafter N ausbezahlt worden sei. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA richtete die Einspruchsentscheidung an die B KG. Mit der namens der KG - vertreten durch den Komplementär B sen. - erhobenen Klage wurde geltend gemacht, daß der Gruppenunfallversicherungsvertrag in seine einzelnen Vertragsbereiche aufzuteilen sei.
Die Klage hatte Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 385 veröffentlicht worden.
Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das FA geltend: Die KG betreibe ein Sägewerk und einen Holzhandel. Wegen der damit verbundenen sehr erheblichen Unfallgefahren habe der Unfallversicherungsvertrag als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden können. Das sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 7. Oktober 1982 IV R 32/80, BFHE 137, 19, BStBl II 1983, 101) weiterhin möglich. Die KG sei an die einmal getroffene Wahl gebunden.
Das FA beantragt sinngemäß, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
In Vollmacht des B sen. und des N wird in der Revisionserwiderung geltend gemacht: Die KG bestehe nicht mehr. Sie sei - wie dem FA bekannt - am 9. März 1981 im Handelsregister gelöscht worden. Herr E sei 1981 verstorben. Im übrigen habe das FG richtig entschieden.
Entscheidungsgründe
Die Überprüfung der Sache führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
FG und FA haben nicht beachtet, daß die KG bereits vor Ergehen des angefochtenen Änderungsbescheides und der Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 1983 durch Umwandlung in eine GmbH voll beendet war. Die KG war damit erloschen.
1. Gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO können in Angelegenheiten, die einen einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb betreffen, die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter oder Gemeinschafter Klage erheben. Regelmäßig erlischt die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO mit der Vollbeendigung einer Personenhandelsgesellschaft mit der Folge, daß nunmehr die früheren Gesellschafter bzw. deren Rechtsnachfolger klagebefugt sind (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520). Wird eine KG in eine GmbH umgewandelt, so tritt die GmbH hinsichtlich der Prozeßführungsbefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht die Rechtsnachfolge der KG an.
2. Grundsätzlich hat die Umwandlung einer KG in eine GmbH zur Folge, daß ein anhängiges Gerichtsverfahren gemäß § 239 der Zivilprozeßordnung (ZPO) unterbrochen wird (BFH-Urteil vom 27. April 1988 II R 201/84, BFHE 153, 208, BStBl II 1988, 681). Entsprechendes hat für das Einspruchsverfahren zu gelten. Nach der Vollbeendigung einer Personengesellschaft müssen zurückliegende Gewinnfeststellungsbescheide von den Gesellschaftern im eigenen Namen angegriffen werden (BFH-Beschluß vom 10. Oktober 1985 IV B 30/85, BFHE 144, 395, BStBl II 1986, 68).
3. Daraus folgt indes nicht, daß das FA gehindert wäre, die erforderlichen Feststellungsbescheide zu erlassen. Der Gewinnfeststellungsbescheid betreffend die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. von § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung - AO 1977 - (vgl. auch § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO) richtet sich in Wirklichkeit nicht gegen die Gesellschaft, sondern gemäß § 179 Abs. 2 AO 1977 gegen die Gesellschafter (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 21. Mai 1987 IV R 134/83, BFHE 150, 300, BStBl II 1987, 764, unter 1.; siehe aber noch BFH-Urteil vom 31. Juli 1980 IV R 18/77, BFHE 131, 278, BStBl II 1981, 33, unter I.a). Dies ist auch bei der Adressierung des Bescheides bedeutsam. Ein einheitlicher Gewinnfeststellungsbescheid ist daher auch dann noch wirksam i. S. von § 122 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 bekanntgegeben worden, wenn er zwar im Anschriftenfeld eine bereits erloschene Personengesellschaft benennt, aber im Bescheid die einzelnen Feststellungsbeteiligten genau bezeichnet worden sind und der Bescheid diesen unmittelbar mit Willen des FA zugegangen ist (BFH-Urteil vom 27. April 1978 IV R 187/74, BFHE 126, 114, BStBl II 1979, 89, und vom 7. April 1987 VIII R 259/84, BFHE 150, 331, BStBl II 1987, 766).
4. Geht man von diesen Grundsätzen aus, so hat das FA zwar den eigentlichen Gewinnfeststellungsbescheid allen ehemaligen Gesellschaftern der KG - mit Ausnahme der Erben des E - gegenüber wirksam erlassen. Volle Wirksamkeit kann der Gewinnfeststellungsbescheid jedoch erst dann erlangen, wenn er allen Beteiligten, also auch den Erben des E, bekanntgegeben worden ist (Urteil in BFHE 150, 331, BStBl II 1987, 766).
Die noch lebenden Gesellschafter haben auch Einspruch eingelegt. Zwar heißt es im Betreff des Einspruchsschreibens vom 12. Januar 1983: ,,Steuernummer . . . - B KG, . . ., Einspruch gegen den Feststellungsbescheid 1978." Da aber das FA den Feststellungsbescheid sämtlichen noch lebenden Feststellungsbeteiligten unmittelbar zugesandt hatte, ist die Aussage im Einspruchsschreiben, Einspruch namens und auftrags der Mandaten einzulegen zu wollen, eindeutig. Die Verwendung des Plurals zeigt, daß nicht für die KG, sondern für die Gesellschafter der aufgelösten KG Einspruch eingelegt worden ist.
Über diesen Einspruch hat das FA entschieden, auch wenn als Einspruchsführerin die vollbeendete KG angegeben ist.
Allerdings ist in der Klageschrift vom 29. August 1983 wiederum - ebenso wie in der Einspruchsentscheidung - die KG als Klägerin angegeben worden. Die KG konnte jedoch wegen der Umwandlung und der damit verbundenen Auflösung nicht mehr klagen. Durch ihre Vollbeendigung fehlte ihr die Prozeßfähigkeit (§ 58 FGO). Dieser Mangel ist von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (§ 58 Abs. 2 Satz 2 FGO i. V. m. § 56 Abs. 1 ZPO; vgl. auch BFH-Urteil vom 15. Februar 1977 VII R 42/74, BFHE 121, 385, BStBl II 1977, 434). Das hat das FG unterlassen.
Dennoch liegt eine wirksame Klage vor. Zwar muß die Klageschrift den Kläger bezeichnen (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO). Eine Klageschrift unterliegt aber auch insoweit der Auslegung (BFH-Beschluß vom 25. September 1985 IV R 180/83, BFH / NV 1986, 171). Es ergibt sich aus der Klageschrift, daß die KG durch den persönlich haftenden Gesellschafter B sen. vertreten sein sollte. Dieser hatte auch die Prozeßvollmacht unterzeichnet. Da - wie dargelegt - der Gewinnfeststellungsbescheid ohnehin gegen die Gesellschafter der erloschenen KG gerichtet war, läßt dieses Verhalten des ehemaligen persönlich haftenden Gesellschafters den Schluß zu, die Klage sei in seinem Namen erhoben worden (vgl. Beschluß in BFH / NV 1986, 171).
Wie ausgeführt, sind aber auch die anderen Gesellschafter klagebefugt. Zur Wahrung dieser Klagebefugnis muß das FG zumindest für die Zustellung des Gewinnfeststellungsbescheides an die Erben des E, und der Einspruchsentscheidung an alle nichtklagenden Gesellschafter Sorge tragen (BFH-Urteile vom 30. März 1978 IV R 72/74, BFHE 125, 116, BStBl II 1978, 503, 505, und vom 3. Dezember 1986 II R 59/86, BFHE 148, 420, BStBl II 1987, 302). Sofern diese selbst klagen, sind ihre Verfahren mit dem des Klägers B sen. zu verbinden (§ 73 FGO); andernfalls sind diese Personen in dessen Verfahren notwendig beizuladen (§ 60 Abs. 3 FGO).
1. Zur materiellen Rechtslage bemerkt der Senat aus verfahrensökonomischen Gründen: Die Entscheidung des FG entspricht der Rechtslage. Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 21. Mai 1987 IV R 80/75 (BFHE 150, 342, BStBl II 1987, 710) ist die Frage, ob Versicherungsverträge zum Betriebs- oder Privatvermögen gehören, danach zu entscheiden, ob betriebliche oder private Risiken abgedeckt werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 7. Oktober 1982 IV R 32/80, BFHE 137, 19, BStBl II 1983, 101). Danach gehören Versicherungen auf den Erlebens- und Todesfall grundsätzlich zum Privatvermögen, da mit ihnen nicht ein betriebsbezogenes Risiko abgedeckt, sondern ganz allgemein Daseinsvorsorge betrieben wird. Diese ist dem außerbetrieblichen Bereich zuzuordnen; Aufwendungen dafür sind nach Maßgabe des § 10 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben abziehbar. Das gilt auch, wenn das Risiko des Unfalltodes abgesichert wird. Bei Unfallversicherungen tritt der private Charakter einer solchen Unfallversicherung zugunsten des Betriebsinhabers nur dann völlig zurück, wenn die Unfallversicherung wegen besonders hoher betrieblicher Unfallgefahren abgeschlossen wird (vgl. BFH-Urteile vom 8. April 1964 VI 343/62 S, BFHE 79, 107, BStBl III 1964, 271; vom 5. August 1965 IV 42/65 S, BFHE 83, 417, BStBl III 1965, 650, und vom 14. März 1972 VIII R 26/67, BFHE 105, 136, BStBl II 1972, 536).
2. Bei einer Gruppenunfallversicherung gilt nichts anderes. Dies bedeutet allerdings nicht, daß der gesamte Versicherungsvertrag dem Privatbereich zuzuordnen ist, wenn bei einem Teilnehmer ein privates Risiko versichert ist. Jedes Versicherungsrisiko muß für sich betrachtet werden (vgl. BFH-Urteil vom 13. April 1976 VI R 87/73, BFHE 119, 149, BStBl II 1976, 599). Aus dem Aufteilungsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG (vgl. BFH-Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, und Schmidt / Heinicke, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 4 Anm. 47 g, und Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., §§ 4, 5 EStG Rdnr. 186, Stichwort: Versicherungen, S. 347) kann nichts Gegenteiliges geschlossen werden. Denn aus dem Versicherungsvertrag und der Zusammensetzung der gezahlten Prämien ergibt sich regelmäßig, ob sich der Versicherungsschutz auf betriebliche und außerbetriebliche Risiken erstreckt. Bei einer Gruppenunfallversicherung kommt es demnach entscheidend darauf an, ob Arbeitnehmer, der Betriebsinhaber oder dessen Familienangehörige versichert worden sind.
Im Streitfall handelte es sich um die Versicherung eines Familienangehörigen, der als Schüler nur gelegentlich im Betrieb anwesend war und kein erhöhtes betriebliches Unfallrisiko hat. Versicherungsvertrag und Versicherungsleistung gehörten deshalb zum Privatvermögen. Zudem hat sich auch der Unfall in der Privatsphäre zugetragen. In diesem Fall gehört nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 15. Dezember 1977 IV R 78/74 (BFHE 124, 185, BStBl II 1978, 212) der Versicherungsanspruch selbst dann nicht zum Betriebsvermögen, wenn der Abschluß der Schadensversicherung betrieblich veranlaßt war.
Fundstellen
Haufe-Index 62375 |
BFH/NV 1989, 499 |