Leitsatz (amtlich)
1. Für den grundsätzlich nachweispflichtigen Erstattungsberechtigten ist die Berufung auf die Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG nur hilfreich, wenn sie zu seinen Gunsten spricht.
2. Stellt der Zolltarif auf den Fettgehalt einer Ware ab, so kommt es für Ihre Tarifierung nicht auf den durchschnittlichen Fettgehalt aller in einer Sendung zusammen gestellten Waren an, sondern auf den Fettgehalt Jeder einzelnen Ware der Sendung.
3. Bei einer Ware, die nicht als in sich unterschiedlich beschaffen angemeldet worden ist, erfüllt die zollamtliche Entnahme und Untersuchung einer einzigen für die Untersuchung ausreichenden Probe die Voraussetzung des § 16 ZG.
Normenkette
ZG §§ 16-17; VO AusfErst EWG 1968 § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 3; GZT 1972 Tarifst. 04.04 D II a 1 cc
Tatbestand
Die Einfuhr- und Vorratsstelle für Fette (EVSt-Fette) erteilte der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) am 29. November 1972 eine Vorausfestsetzungsbescheinigung für die Ausfuhr von 60 t Schmelzkäse, weder gerieben noch in Pulverform, mit einem Fettgehalt von 36 Gewichtshundertteilen (GHT) oder weniger und mit einem Fettgehalt in der Trockenmasse (i. T.) von 48 GHT oder weniger und mit einem Gehalt an Trockenmasse von 40 GHT oder mehr nach der Tarifst. 04.04 D II a 1 cc, mit dem Bestimmungsland Dänemark. Mit Anmeldungen vom 1. und 8. Dezember 1972 beantragte die Klägerin bei der Zollstelle A die Erteilung von Kontrollexemplaren für jeweils 20 000 kg Schmelzkäse „mit einem Fettgehalt von 45 GHT in der Trockenmasse” zur Ausfuhr nach Dänemark. Im Prüfungsvermerk der Zollstelle A als Abgangsstelle heißt es u. a.: „Probe entnommen. Gegenprobe sichergestellt.” Die Waren verließen das geographische Gebiet der Gemeinschaft am 6. und 12. Dezember 1972. Die Untersuchung der Proben durch eine Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) ergab einen Fettgehalt i. T. von 48,3 GHT (Ausfuhr am 6. Dezember 1972) bzw. von 50,2 GHT (Ausfuhr am 12. Dezember 1972). Wegen des hiernach zu hohen Fettgehalts wies der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt Hamburg-Jonas – HZA –) die Anträge der Klägerin auf Zahlung der Ausfuhrerstattung mit Bescheiden vom 19. Februar 1973 ab.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Klägerin hatte nach dem Vorausfestsetzungsbescheid einen Anspruch auf Ausfuhrerstattung nur, wenn die ausgeführten Waren solche der Tarifst. 04.04 D II a 1 cc des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) waren. Das Vorliegen dieser Voraussetzung nachzuweisen, war nach § 7 Abs. 1 VO AusfErst EWG Sache der Klägerin. Nach den Feststellungen des FG ist ihr dieser Nachweis nicht gelungen. Das HZA hat daher zu Recht die Zahlung der Ausfuhrerstattung abgelehnt.
Die grundsätzliche Nachweispflicht des § 7 Abs. 1 VO AusfErst EWG bezog sich auch und in erster Linie auf die Frage der Beschaffenheit der Ware. Die Klägerin hatte daher u. a. nachzuweisen, daß die ausgeführte Ware Schmelzkäse war mit einem Fettgehalt i. T. von 48 GHT oder weniger. Dabei konnte sich die Klägerin nicht damit begnügen nachzuweisen, daß der durchschnittliche Fettgehalt der beiden ausgeführten Warensendungen von jeweils 20 t die genannte Fettgehaltsgrenze nicht überschritt.
Der Umstand allein, daß praktisch individualisierbare Waren in einer Sendung zusammen zur Zollbehandlung gestellt wurden, hat auf die Tarifierung der einzelnen Waren keinen Einfluß, falls nicht der GZT ausdrücklich etwas anderes sagt, was hier nicht der Fall ist (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 14. Oktober 1975 VII R 72/73, BFHE 117, 126, 129). Die Ausfuhr der Waren erfolgte im vorliegenden Fall in Blöcken von jeweils 10 kg Gewicht, die jeweils als solche verpackt und folglich individualisierbar waren. Bei der Tarifierung der in einem solchen Block enthaltenen Ware kommt es allem auf deren Beschaffenheit an. Dagegen muß für diese Tarifierung die Beschaffenheit eines anderen Blockes auch dann außer Betracht bleiben, wenn dieser zusammen mit dem erstgenannten Block gestellt worden ist Andernfalls ergäbe sich eine Möglichkeit, höhere Zollsätze des GZT durch geschickte Zusammenstellung einer Sendung zu vermeiden.
Etwas anderes kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht dann gelten, wenn die Sendung aus grundsätzlich gleichartiger Ware besteht, deren Gehalt an einem tariflich relevanten Stoff geringfügig um einen tariflichen Grenzwert schwankt. Ob bei einer Sendung praktisch individualisierbarer Waren gleiche Waren vorliegen, kann nur an den tariflich relevanten Merkmalen gemessen werden. Da hier der Fettgehalt tariflich maßgebend ist und der Grenzwert 48 GHT beträgt, ist eine Ware mit einem Fettgehalt von 48,1 GHT eine andere Ware als eine solche mit einem Fettgehalt von 48 GHT, und zwar gleichgültig, ob beide Waren zusammen gestellt wurden oder nicht.
Das FG hat entschieden, daß die Klägerin einen solchen Nachweis nicht geführt hat. Es ist dabei allerdings unzutreffend davon ausgegangen, daß der Klägerin dieser Nachwels nach § 17 Abs. 3 ZG oblag.
Nach § 9 Abs. 3 VO AusfErst EWG gelten für die Tätigkeit der Versandzollstelle die Zollvorschriften über die Zollbehandlung sinngemäß Zu diesen Zollvorschriften zählen auch die §§ 16 und 17 ZG über die Zollbeschau und die sich daraus ergebenden Vermutungen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 16. August 1978 VII R 128/75, BFHE 126, 336). Aus dem Umstand, daß nach § 7 Abs. 1 VO AusfErst EWG der Erstattungsberechtigte grundsätzlich die Beschaffenheit der ausgeführten Ware zu beweisen hat, ergibt sich aber, daß die Berufung auf die Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG für den Erstattungsberechtigten nur dann zum Ziel führen kann, wenn diese zu seinen Gunsten spricht. Tut sie das nicht, so ergibt sich daraus lediglich daß der Erstattungsberechtigte den ihm nach § 7 Abs. 1 VO AusfErst EWG obliegenden Nachweis nicht unter Zuhilfenahme der Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG führen kann, ihn also auf andere Weise führen muß. Es ist daher für die Entscheidung des vorliegenden Falles unerheblich, wie weit die Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG geht und unter welchen Voraussetzungen diese Vermutung als nach § 17 Abs. 3 ZG widerlegt angesehen werden kann. Denn ist die Auffassung der Klägerin richtig – was nach Wortlaut und Sinn des § 17 Abs. 1 ZG zweifelhaft ist, hier aber nicht entschieden zu werden braucht –, daß nämlich die Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG bereits dann widerlegt ist, wenn nachgewiesen wird, daß die nicht als unterschiedlich beschaffen angemeldeten Waren doch unterschiedlich waren, so ist die nach § 17 Abs. 3 ZG auf diese Weise durchgeführte Widerlegung der Vermutung noch nicht der nach § 7 Abs. 1 VO AusfErst EWG erforderliche Nachweis; denn die Tatsache der Inhomogenität der Warensendung besagt noch nichts über das hier maßgebliche tarifliche Merkmal des Fettgehalts.
Der falsche rechtliche Ausgangspunkt des FG hindert den erkennenden Senat jedoch nicht, von den Feststellungen des FG hinsichtlich der Frage auszugehen, ob die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis geführt hat. Das FG hat nämlich entschieden, daß der Klägerin die Widerlegung der Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG nur dann gelungen ist, wenn sie den vollen Beweis des Gegenteils erbracht hat, d. h. wenn sie bewiesen hat, daß die ausgeführte Ware einen Fettgehalt von 48 GHT oder weniger hatte. Dieser Beweis ist aber identisch mit dem, den die Klägerin nach § 7 Abs. 1 VO AusfErst EWG zu erbringen hat. Die Feststellungen der Vorentscheidung sind daher nicht dadurch beeinträchtigt worden, daß das FG von § 17 Abs. 3 ZG und nicht von § 7 Abs. 1 VO AusfErst EWG ausging.
Die Feststellungen des FG, daß die Klägerin diesen ihr obliegenden Beweis nicht geführt hat, sind nicht zu beanstanden; der erkennende Senat als Revisionsgericht ist daher daran gebunden. Es kann zwar der Vorentscheidung nicht ohne weiteres entnommen werden, ob das FG irrtümlich davon ausging, es genüge bereits der Nachweis der Klägerin daß die Waren der beiden Warensendungen jeweils durchschnittlich einen Fettgehalt von 48 GHT i. T. oder weniger hatten. Dieser Rechtsirrtum – falls er vorgelegen haben sollte – ist jedenfalls auf die Feststellungen des FG ohne Einfluß geblieben. Denn aus den von der Klägerin in der Vorinstanz angebotenen Beweismitteln – die sich nach den Feststellungen des FG lediglich auf die unterschiedliche Beschaffenheit und nicht darauf bezogen, daß jedenfalls konkret bestimmte Teile der Warensendungen einen Fettgehalt unter der genannten Grenze hatten – hat das FG den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Schluß gezogen, daß die Klägerin nicht den Beweis geführt habe, die nichtgeprüften Teile der Warensendungen hatten andere Waren als solche enthalten die – wie die Proben – einen Fettgehalt von über 48 GHT i. T. besaßen.
Nicht zu folgen ist dem Einwand der Klägerin, der angefochtene Bescheid sei deswegen unrechtmäßig, weil die Behörde nicht alle vier den beiden Sendungen jeweils entnommenen Proben habe untersuchen lassen. Es kann hier dahinstehen, ob diese Behauptung mit den Feststellungen des FG in Einklang stehen oder ob insoweit zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben worden sind. Es kann auch unentschieden bleiben, welche Folgerungen – gesetzt den Fall, die Auffassung der Klägerin träfe zu – daraus für die allein entscheidungserhebliche Frage zu ziehen sind, ob der Klägerin der Nachweis gelungen ist, daß die Ware einen Fettgehalt i. T. von 48 GHT oder weniger hatte. Denn jedenfalls ist der Ausgangspunkt der Einwendung der Klägerin unrichtig, die Zollstelle habe, da sie nun einmal vier Proben gezogen habe, auch alle vier Proben untersuchen müsse.
Die Klägerin hatte in ihrer Zollanmeldung nicht angegeben, daß die Ware in sich unterschiedlich beschaffen war. Dieser Umstand gehörte aber zu den für die Zollbehandlung maßgebenden Merkmalen der Ware. Die Klägerin war daher verpflichtet, ihn ggf. anzumelden (§ 9 Abs. 3 VO AusfErst EWG i. V. m. § 12 Abs. 1 ZG). Da sie das nicht getan hat, konnte die Zollstelle davon ausgehen, daß die Ware nicht in sich unterschiedlich beschaffen war, und ihr weiteres Verwaltungshandeln danach ausrichten. Die Zollstelle durfte sich daher im Rahmen ihrer Entscheidung über die Probenziehung, die in ihrem Ermessen lag und nicht zu einer für die gesamte Sendung repräsentativen Probe führen mußte (vgl. Entscheidungen des erkennenden Senats vom 18. Juli 1968 VII B 137–139/67, BFHE 93, 256, und vom 12. Februar 1974 VII R 11/71, BFHE 112, 93), darauf beschränken, eine einzige Probe zu entnehmen, soweit diese ausreichte, um die erforderliche Untersuchung zu ermöglichen.
Aus der Tatsache, daß die Zollstelle eine größere Anzahl von Proben entnommen hatte, als erforderlich war, erwächst dem Zollbeteiligten kein Rechtsanspruch auf Untersuchung sämtlicher Proben. Die Behörde darf ihr Handeln in solchen Fällen weiter danach ausrichten, daß die Ware nach der Anmeldung des Beteiligten nicht in sich unterschiedlich beschaffen war. Sie darf also davon ausgehen, daß die Untersuchung mehrerer Proben zwangsläufig jeweils zum gleichen Ergebnis führen muß, die Durchführung von Untersuchungen sämtlicher gezogener Proben also sinnlos ist. Zieht die Behörde daraus die Folgerung und untersucht sie nur eine von mehreren Proben, so darf ihr das der Beteiligte um so weniger entgegenhalten, als er dieses Verhalten durch seine – eventuell objektiv falsche – Zollanmeldung bewirkt hat.
Der Hinweis der Klägerin schließlich auf den Umstand, daß die Untersuchung der Rückstellprobe wegen ihres Verderbs nicht mehr möglich war, ist ohne Belang. Aus den obigen Ausführungen, wonach die Behörde sich auch bei der Ziehung mehrerer Proben auf die Untersuchung einer einzigen Probe beschränken kann, ergibt sich, daß aus der Nichtuntersuchung der Rückstellprobe keine für die Klägerin günstigen Folgerungen hinsichtlich der Beschaffenheit der Ware gezogen werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 510606 |
BFHE 1979, 450 |