Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anschaffungskosten aufgrund Vermächtniserfüllung
Leitsatz (NV)
1. Die Aufwendungen eines Erben für die Erfüllung von Vermächtnissen sind keine Anschaffungskosten eines geerbten Grundstücks (ständige Rechtsprechung).
2. Der Erbe eines Mietwohngrundstücks kann Schuldzinsen für ein Darlehen zur Erfüllung von Vermächtnisschulden nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen (Anschluß an BFH-Urteil vom 28. April 1992 IX R 178/88, BFH/NV 1992, 658).
Normenkette
EStG §§ 7, 9, 21; HGB § 255 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres während des Streitjahres (1988) verstorbenen Ehemannes.
Der Ehemann der Klägerin war aufgrund Testaments vom ... 1979 Alleinerbe seiner im Jahr 1987 verstorbenen Mutter. Ihren anderen Kindern bzw. deren Rechtsnachfolgern hatte die Erblasserin Barvermächtnisse zugewendet. Zum Nachlaß gehörte u. a. ein Hausgrundstück. Der Ehemann der Klägerin erfüllte die Vermächtnisse im Streitjahr. Er nahm zu ihrer Finanzierung ein durch Belastung des Hausgrundstücks dinglich gesichertes, im Streitjahr mit ... DM verzinstes Bankdarlehen von ... DM auf.
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) entsprach nicht dem Begehren der Klägerin, von den Zahlungen an die Vermächtnisnehmer einen Betrag von ... DM als Anschaffungskosten des Hausgrundstücks zu be urteilen und demgemäß Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von ... DM zu berücksichtigen sowie die Zinsen von ... DM als Werbungskosten abzuziehen. Er führte lediglich die zuvor der Erlasserin zustehenden AfA von ... DM fort. Infolge eines Rechenfehlers ermittelte das FA Werbungs kosten in Höhe von ... DM statt ... DM. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage begehrte die Klägerin eine Herabsetzung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Grundstück von ... DM auf ... DM. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur insoweit statt, als es die Zinsen von ... DM als Werbungs kosten abzog, das zu versteuernde Einkommen um ... DM verminderte und die Einkommensteuer für 1988 von ... DM auf X DM herabsetzte.
Gegen die Vorentscheidung legten sowohl die Klägerin als auch das FA selbständig Revision ein.
Die Klägerin rügt Verletzung von §§ 7, 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 11 d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Nach ihrer Ansicht hat ihr verstorbener Ehemann das Grundstück entgeltlich erworben, soweit er aus dessen Wert berechnete Vermächtnisse erfüllt hat.
Das FA rügt Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG. Nach seiner Auffassung durften die Schuldzinsen nicht als Werbungskosten abgezogen werden.
Während des Revisionsverfahrens erließ das FA Änderungsbescheide für 1988. Im Bescheid vom 6. April 1992 führte es u. a. aus, der Einkommensteuerbescheid für 1988 i. d. F. des Urteils des FG werde nachträglich hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrages gemäß § 165 Abs. 1 der Ab gabenordnung (AO 1977) für vorläufig erklärt. Die Einkommensteuer für 1988 betrage weiterhin X DM. Mit dem Bescheid vom 22. April 1992 erklärte das FA "die Einkommensteuerfestsetzung 1988, zuletzt in der Fassung des Bescheides vom 6. 4. 1992", hinsichtlich weiterer, näher bezeichneter Punkte für vorläufig und wies erneut darauf hin, daß die Einkommensteuer für 1988 weiterhin X DM betrage. Nach Hinweisen zur Bedeutung der Vorläufigkeits erklärung führte das FA in beiden Änderungsbescheiden aus, daß die Revision "hierdurch nicht erledigt" werde. Die Klägerin könne beim Bundesfinanzhof (BFH) unter Berufung auf §§ 68, 123 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragen, den Bescheid zum Gegenstand des Revisionsverfahrens zu machen. Der Steuerbescheid ergehe nicht nach § 164 AO 1977 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung; denn das FG habe mit der Vorentscheidung den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid vom 16. November 1989 aufgehoben und die Einkommensteuer für 1988 auf X DM festgesetzt.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Das FG hat die Zahlungen an die Vermächtnisnehmer zutreffend nicht als Anschaffungskosten des Hausgrundstücks beurteilt.
1. Anschaffungskosten sind alle Aufwendungen, die geleistet werden, um ein Wirtschaftsgut zu erwerben und in einen dem angestrebten Zweck entsprechenden Zustand zu versetzen. Dazu gehören neben dem Anschaffungspreis auch alle Auf wendungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Wirtschaftsguts stehen, soweit diese Aufwendungen dem einzelnen Wirtschaftsgut zugeordnet werden können. Dieser Begriff der Anschaffungs kosten entsprechend § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) hat im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung den gleichen Inhalt wie im Bereich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Urteil des BFH vom 24. Februar 1987 IX R 114/82, BFHE 149, 233, BStBl II 1987, 810).
Welche Vorgänge im einzelnen in den Bereich der Anschaffung fallen, ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Ein Erbe erwirbt den Nachlaß mit dem Todesfall des Erblassers unmittelbar und unentgeltlich kraft Gesetzes oder Testaments. Für die Annahme einer entgeltlichen Veräußerung durch den Erblasser an den Erben bleibt dabei kein Raum, auch wenn der Erblasser den Erben mit Vermächtnissen beschwert. Auch die Er füllung von Vermächtnissen stellt keinen Erwerbsvorgang dar; dadurch wird die bereits durch den Erbfall bewirkte Zuordnung des rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums an den Nachlaßgegenständen nicht berührt. Es handelt sich lediglich um eine schlichte Befriedigung des Vermächtnisnehmers mit seiner durch den Erbfall entstandenen Vermächtnisforderung (BFH- Urteile vom 14. April 1991 VIII R 6/87, BFHE 169, 511, BStBl II 1993, 275; vom 17. Oktober 1991 IV R 97/89, BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392; vom 28. April 1992 IX R 178/88, BFH/NV 1992, 658; vom 25. November 1993 IV R 66/93, BFHE 173, 112, BStBl II 1994, 623). Dieser Vorgang kann auch schon deswegen nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten führen, weil der Erbe damit nichts auf ein bestimmtes Wirtschaftsgut aufwendet, sondern eine auf dem Nachlaß lastende Verbindlichkeit erfüllt.
Die vorstehenden Rechtsfragen werden nicht berührt durch das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführte BFH-Urteil vom 26. Januar 1994 X R 54/92 (BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633 -- Versorgungsleistungen eines Erben oder Vermächtnisnehmers an die Witwe des Erb lassers --) und auch nicht durch das von ihr ebenfalls zitierte BFH-Urteil vom 16. März 1994 I R 70/92 (BFHE 174, 155, BStBl II 1994, 527 -- Minderung der Anschaffungskosten einer Beteiligung infolge EK 04 Ausschüttungen --).
2. Der inzwischen verstorbene Ehemann der Klägerin wendete als Alleinerbe mit der Erfüllung der Vermächtnisschulden nach den vorstehenden Ausführungen keine Anschaffungskosten auf das zum Nachlaß gehörende Hausgrundstück auf. Seine Mutter hatte ihn durch das notariell beurkundete Testament vom ... 1979 als Alleinerben eingesetzt, während sie andere Kinder und Enkelkinder mit Vermächtnissen bedacht hatte. Daß die Erblasserin diese erbrechtliche Gestaltung bewußt gewählt hatte, ergibt sich aus ihrer im Testament geäußerten Erwartung, daß der Ehemann der Klägerin als Alleinerbe den hinterlassenen Grundbesitz als Familienhabe erhalten und den Nachlaß entsprechend ihrem letzten Willen verteilen werden. Für die Auslegung des Testaments im Sinne einer Teilungsanordnung ist im Streitfall kein Raum.
Die Klägerin wurde durch diese rechtliche Beurteilung nicht in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Wenn sie sich darauf beruft, daß -- im Gegensatz zur vor stehend dargelegten Rechtslage -- Aufwendungen zum Erwerb des Erbanteils eines Miterben beim Leistenden zu Anschaffungskosten führen (BFH-Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837), so verkennt sie, daß die dingliche Beteiligung eines Miterben an dem Nachlaß sich nicht mit dem schuldrechtlichen Anspruch eines Vermächtnisnehmers als Nachlaßgläubiger vergleichen läßt. Die Klägerin kann sich schließlich nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung berufen, derzufolge ein Vermögensübernehmer im Rahmen einer sog. vorweggenommenen Erbfolge insoweit Anschaffungskosten aufwendet, als er Abstandsleistungen oder Schulden übernehmen muß (BFH-Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4--6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847). Insoweit handelt es sich um ein entgeltliches Rechtsgeschäft unter Lebenden.
II. Die Revision des FA ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
1. Der Zulässigkeit der Revision des FA steht nicht entgegen, daß es in die Änderungsbescheide vom 6. und 22. April 1992 den vom FG als rechtmäßig beurteilten Einkommensteuerbetrag für 1988 übernommen hat.
Das Rechtsschutzbedürfnis für ein Rechtsmittel des FA entfällt allerdings, wenn es einen Verwaltungsakt erläßt, der vorbehaltlos dem vom FG als rechtmäßig beurteilten Klagebegehren entspricht (BFH-Beschlüsse vom 17. November 1981 VIII R 193/80, BFHE 135, 21, BStBl II 1982, 263; vom 2. Oktober 1992 VI B 105/91, BFHE 169, 20, BStBl II 1993, 57; vom 23. August 1993 IX R 29/89, BFH/NV 1994, 114; vom 1. Dezember 1993 X R 99/91, BFHE 173, 9, BStBl II 1994, 305). Der Vorbehalt, daß die dem finanzgerichtlichen Urteil entsprechende Festsetzung des Steuerbetrags im Änderungsbescheid von der Bedingung abhängen soll, daß der BFH die Vorentscheidung bestätige, ist nicht deshalb entbehrlich, weil das FA Revision eingelegt hat (BFH-Urteile vom 5. März 1991 VIII R 6/88, unter I., BFHE 164, 319, BStBl II 1991, 744; in BFH/NV 1994, 114).
Im Streitfall hat das FA die Übernahme des vom FG festgesetzten Steuerbetrags in den Änderungsbescheiden durch den Hinweis, daß die Revision nicht erledigt werde, noch hinreichend deutlich vom Ausgang des Revisionsverfahrens abhängig gemacht.
2. Die Revision des FA ist deshalb begründet, weil das FG die strittigen Darlehenszinsen rechtsfehlerhaft als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen hat. Der Erbe eines Mietwohngrundstücks kann Schuldzinsen für ein Darlehen zur Erfüllung von Vermächtnisschulden nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung absetzen. Dies hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil in BFH/NV 1992, 658 entschieden. Er hält hieran fest.
Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben.
3. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist nach den vorstehenden Ausführungen abzuweisen. Damit verbleibt es bei der Steuerfestsetzung des FA lt. Bescheid vom 16. November 1989 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. April 1990 in Höhe von ... DM. Das FA hatte die Herabsetzung der Einkommensteuer auf X DM aus der Vorentscheidung in seine Änderungsbescheide vom 6. und 22. April 1992 -- wie bereits ausgeführt -- nur vorbehaltlich des Ausgangs seiner Revision übernommen.
Fundstellen
Haufe-Index 65305 |
BFH/NV 1995, 384 |